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12-Jährige spielt drei musikalische Antworten auf den Lockdown

Zwei Drittel ihres Lebens spielt sie Klavier, ein Drittel zusätzlich Cello. Die Pianistin Soley Blümel interpretiert drei Kompositionen auf der jüngsten CD von Mathias Rüegg. „Solitude Diaries“ (Tagebücher der Einsamkeit) heißt die CD des Musikers und Komponisten, der nicht zuletzt für das von ihm gegründete und mehr als 30 Jahre lang geleitete Vienna Art Orchester ebenso wie den Jazzclub Porgy & Bess bekannt und berühmt ist. Mehr als 600 Musikstücke hat er in seinem Leben komponiert – in Klassik, Jazz und als übergreifende Grenzgänge.

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Der kollektiven Depression entronnen

40 davon sind auf der genannten CD versammelt, die – so der zweite Lockdown Ende November beendet ist, am 8. Dezember im Porgy & Bess öffentlich und live präsentiert werden soll. Die Stücke schreib und spielte Rüegg zwischen 19. März und 11. Mai 2020 – jeweils zwischen 18 und 20 Uhr. Als Antwort und Reaktion auf den ersten Lockdown verfasste und spielte er seine Gedanken, seine kritische Auseinandersetzung darauf. Entsprechend die Titel der zwischen rund ¾ und 1 ½-minütigen Stücke. Von „Hereinspaziert, Mr. CoVID19!“ über „Vom Ankämpfen gegen die Angst …“ und „Lied für all die eingesperrten Kinder“ bis zu „Choral für all jene alten Leute, die nicht wollen, dass wegen ihnen die gesamte Menschheit weggesperrt wird“. Aber nicht alle Titel sind derart politisch und nicht jedes Lied klingt kämpferisch oder trotzig. Viele verbreiten Hommagen an Natur oder verströmen Fröhlichkeit – „Der Optimismus ist ein froh Gesell“, „Aber woher stammen all diese schönen Kirschblüten denn alle?“ oder sind Spiele mit der eigenen Profession wie „Auch Intervalle möchten geliebt werden!“ bzw. „Dieses Lied, das niemand kennt, nicht einmal der Dirigent!“

Als „Flucht in die Kreativität“ bezeichnet Rüegg dieses selbst auferlegte strikte Zeitkorsett, um „der kollektiven Depression zu entrinnen“ angesichts von Corona und der Lockdowns. Dem zweiten Lockdown entflieht er nun nach Stockholm, der Hauptstadt Schwedens. „Das einzige Land, das die liberale Demokratie nicht abgeschafft hat“, wie er dem Kinder-KURIER vor seiner Abreise anvertraut.

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Experimentell

In seiner Wohnung in Wien-Neubau empfängt er den Reporter gemeinsam mit der 12-jährigen Soley Blümel aus Buchbach im Bezirk Neunkirchen (Niederösterreich). Sie engagierte er ebenso wie neun andere Pianist_innen für das Einspielen seiner 40 Kompositionen für das Album Solitude Diaries. Sie ist die jüngste Interpretin und mit – wie schon eingangs erwähnt – drei Stücken vertreten. Beim Besuch und nach dem Interview mit dem Kinder-KURIER spielt sie beim Foto-Shooting ein weiteres Stück an, Nummer 19, „Der Tag an dem mein Töchterlein Zuspruch brauchte“. Für das legt der Komponist ein Blatt Papier auf einige Saiten im Flügel – was beim Spielen ein spannendes Vibrieren ergibt.

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Erst mit Spielzeug auf den Tasten gespielt

Mit 4 ½ Jahren hat Soley Blümel ernsthaft mit dem Klavierspiel begonnen, blickt sie im Gespräch mit dem Kinder-KURIER zurück. „Zu Hause ist immer ein Klavier gestanden, schon vorher hab ich angefangen mit Spielzeug auf den Tasten zu spielen. Und dann hab ich begonnen es wirklich zu lernen. Es hat mir immer Spaß gemacht.“

Bald nahm sie auch an Bewerben teil, spielt vier bis fünf Stunden täglich. Vor vier Jahren Cellospiel gesehen und beschlossen, „das möchte ich auch“ und so spielt sie noch „zusätzlich eineinhalb bis zwei Stunden pro Tag auch Cello“.

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Immer Home-Schooling

Auf die Frage, wie sich das alles – neben der Schule – ausgehe, verrät die leidenschaftliche Musikerin: „Ich war nur zwei Jahre in der Schule. Irgendwie hab ich nicht ins System gepasst und das System hat nicht für mich gepasst. Meine Mama unterrichtet mich zu Hause. Und das ist ganz cool.“

Klassengemeinschaft würde ihr nicht abgehen, „ich hab wenige aber gute Freundinnen und ich geh zwei Mal in der Woche schwimmen“.

Große Bandbreite

Musik ist nicht nur jetzt ihr Leben, „ich will Konzertpianistin werden – als Solistin und Cello in einem Orchester spielen, am liebsten bei den Philharmonikern“. Bevorzugte Stilrichtung: „Klassik mag ich sehr, am liebsten die Romantik, aber Jazz find ich auch cool, das würde ich bevorzugen erst dann zu spielen, wenn ich’s gut kann“. Wobei Soley selbst dann Klassik nicht durch Jazz ersetzen will.

Ob es je ein „heute mag ich nicht wirklich so viel üben“ gäbe, verneint die 12-Jährige sehr überzeugend: „Das gibt es nie!“

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Talenteförderer

Der Pianist Ladislav Fančovič hatte von Vladimir Bulzan vom Bösendorfer Salon von Soley Blümels Talent erfahren und als Mathias Rüegg vor allem noch Pianistinnen und noch dazu junge suchte, stellt er den Kontakt zur 12-Jährigen her, die den 68-Jährigen überzeugte. Rüegg ist neben seiner eigenen künstlerischen Arbeit auch dafür bekannt, immer wieder junge Talente zu fördern.

Und der jungen Musikerin gefiel die Idee der Begegnung mit einem lebenden klassischen Komponisten und für die Aufnahme einer CD die drei Stücke „Einfach, aber schön“, „Lied für all die eingesperrten Kinder“ sowie „Von Tauben, die im Volksgarten unter einem Fliederbusch Schatten suchen“ zu interpretieren und spielen.

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Mathias Rüegg
Solitude Diaries
Vierzig heiter bis düstere musikalische Kurzgeschichten, die im Frühjahr 2020 in Wien in einer dunklen Zeit entstanden sind.

Neben Rüegg haben insgesamt elf Pianist_innen aus Österreich, der Schweiz, Frankreich und der Slowakei, die 40 Stücke im Bösendorfer Salon eingespielt:
Soley Blümel, Jean-Christophe Cholet, Ladislav Fančovič Johanna Gröbner, František Jánoška, Oliver Kent, Lukas Kletzander, Oliver Schnyder, Elias Stemeseder, Georg Vogel.

Erscheint am 1. Dezember 2020 bei Lotus Records.

CD: 18.50 € (inkl. Versand)
mathiasrueegg.com/solitudediaries

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von Jenny Posch, gedreht von Wolfgang Semlitsch

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