Cannabis-Wirkstoffe gegen Schmerzen: So vielen helfen sie
Von Ernst Mauritz
Polyneuropathie – eine Nervenerkrankung– wurde 2012 beim Konsumentenschützer Peter Kolba diagnostiziert. Schmerzen sind eines der Symptome. Die Standardtherapie hat ihm zwar geholfen – aber nicht ausreichend. Ein Neurologe verschrieb ihm schließlich Dronabinol-Tropfen mit dem Cannabis-Inhaltsstoff THC.
„Es ist kein Wundermittel und zaubert den Schmerz nicht weg, aber man bekommt eine gewisse Distanz dazu“, sagt Kolba. Seine Therapie kostet 900 Euro im Monat. „Mir ist in den Schoß gefallen, dass die Krankenkasse meine Kosten übernimmt“. Denn die 2017 verstorbene frühere Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser habe damals an die WGKK geschrieben.
Als Obmann des Verbraucherschutzvereins (VSV) will Kolba Schmerzpatienten unterstützen. Wird die Kostenübernahme bei chronischen Schmerzen, bei durch Chemotherapie ausgelöster Übelkeit sowie bei Krämpfen durch Multiple Sklerose abgelehnt, „übernehmen wir die Kosten des Anwalts und prozessieren das durch“. Für diese drei Bereiche gebe es ausreichend gute Belege für die Wirksamkeit. Nähere Informationen gibt es auf der Website www.allianz-gegen-ignoranz.at.
Verbesserungen nötig
Kolba war Dienstagabend einer der Podiumsgäste bei der Diskussion „Wunderdroge Cannabis? Was Schmerzpatienten wissen sollten“ im übervollen Festsaal des Krankenhaus „Göttlicher Heiland“ in Wien. Veranstalter war die „Allianz Chronischer Schmerz“ in Kooperation mit dem KURIER.
„Dass hier Verbesserungen notwendig sind, sehe ich auch so“, sagte Gabriele Fischer, Leiterin der Suchtforschung am AKH / MedUni Wien und Mitglied des Obersten Sanitätsrates (OSR). Wenn ein Arzt gut belege, dass ein Patient auf andere Schmerzmittel nicht positiv angesprochen habe, „dann müsste der Chefarzt es genehmigen“. Fälschlicherweise werde oft davon gesprochen, dass man von Medikamenten mit THC abhängig werden könne: „Da sage ich immer: Jeder, der nicht gesund ist, ist von einem Medikament abhängig.“
Gerade bei Schmerzpatienten sei es auch wichtig, zwischen Befund und Befinden zu unterscheiden. Viele Ärzte seien extrem verunsichert, auch weil umfassende Fort- und Weiterbildung zu wenig in Anspruch genommen werde.
„Wir haben in unserem Zentrum zweieinhalb- bis dreieinhalbtausend Patienten auf Cannabinoide eingestellt“, sagte der Orthopäde und Schmerzmediziner Martin Pinsger, Leiter des Schmerzzentrums Bad Vöslau.
Rund 30 bis 40 Prozent der Schmerzpatienten helfen die Medikamente. „Warum das bei den anderen nicht so ist, weiß man nicht.“ Für die Krankenkassen seien Ärzte und Patienten aber nicht mehr Subjekte, sondern würden zu Nummern: Auch wenn der Arzt ein Vollprofi sei und einen seitenlangen Brief schreibe, „bekommt einer von zehn Patienten ein Präparat auf Kassenkosten. Und sonst kostet es ein Schweinegeld“. Die Firmen würden „mit Recht sagen, der Markt ist so klein es gibt kaum Verschreibungen, warum sollen wir mit dem Preis runtergehen?“. Ein bisschen sei die Situation wie Mikado: „Nichts tun, sich nicht rühren, es wird schon irgendwie weitergehen. Das ist eine Missachtung der engagierten Mediziner und der Patienten.“
Medikamente mit THC werden als zweite und dritte Möglichkeit in Leitlinien empfohlen, erläuterte Birgit Kraft, die 16 Jahre lang als Oberärztin an der Schmerzambulanz im Wiener AKH tätig war. Für den Cannabis-Inhaltsstoff CBD (Cannabidiol) gebe es hingegen nur ganz wenige Daten zum Thema Schmerzreduktion, Schlafverbesserung und Reduktion von Übelkeit. Und sie betont: „Cannabinoide sind Arzneimittel und gehören in die Hände von Menschen, die damit umgehen können. Ich möchte verhindern, dass man sie als harmlos darstellt. Es sind gute Substanzen, aber man muss sie auch mit Hirn einsetzen.“
CBD-Verbot in Lebensmitteln: Absatz von Blüten stieg an
Brownies mit dem (nicht psychoaktiven) Cannabis-Wirkstoff CBD (Cannabidiol) sind Geschichte: Das Gesundheitsministerium hat den Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln (z. B. Ölen) und auch Lebensmitteln mit CBD verboten. Die Firma Hanfama in Graz baut auf 20 Hektar Glashausfläche mit 160 Mitarbeitern CBD-Hanfpflanzen an: „Seit dem Erlass im Dezember gibt es einen Absatzrückgang bei CBD-Ölen im Inland“, sagt Geschäftsführer Florian Lorenz.
Lediglich Aromaöle sind noch erlaubt. „Aber wir kompensieren das durch einen stärkeren Absatz bei den CBD-Blüten im In- und Ausland, die ja weiterhin legal sind“ – solange der THC-Gehalt unter 0,3 Prozent liegt.