Leben/Reise

Camping-Boom: Von findigen Bastlern und mobilen Palästen

Den Boden im VW-Bus hat er selbst verlegt, ein Kastl reingebaut. Entscheidend war die Isolierung für kühle Nächte: „Innen hab’ ich den Bus mit Filz verkleidet, da war nur nacktes Blech.“ Michael Ungersböck ist leidenschaftlicher Camper und Bastler. Und so hat er seinen Volkswagen Transporter T5, Baujahr 2015, vor zwei Jahren umgebaut. Der Niederösterreicher reist mit seiner Frau und den zwei Kindern regelmäßig mit dem Campingbus herum, zuletzt war die Familie in Slowenien unterwegs. „Wir sind flexibel, was die Route betrifft.“ Sie müssen nicht mehr buchen, können kurzfristig entscheiden. „Das Roadtrip-Feeling hat was“, schwärmt Ungersböck. Nachsatz: „Den Kindern, fünf und neun, taugt es irrsinnig.“

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Ungersböck wollte ein alltagstaugliches Auto, „es war eine Prämisse, nur ein einziges Fahrzeug zu besitzen.“ Trotz Bastler-Community und Youtube-Tutorials sei er beim Umbau aber an seine Grenzen gestoßen, habe Respekt vor Handwerkern. Das Bettsystem hat ein deutscher Tischler angefertigt, der auf solche Innenausbauten spezialisiert ist. Zusätzlich hat er sich ein Dachzelt gekauft, „da können vier Personen schlafen“. Mit Schlafsack und Standheizung sei man bis fünf Grad plus unterwegs. Luxuriöse Wohnmobile „wo man schon fast einen Weinkeller dabei hat“, das sei nicht seines, lacht er. Mit seinem Bus sei er zudem wendiger, etwa bei engen Straßen und Durchfahrten in südlichen Ländern. Nun träumt Ungersböck von Trips nach Skandinavien und ans Schwarze Meer. Zuvor soll es nach Korsika gehen, „zwei Wochen Minimum“. Tipp? Im Bus sollte alles „gut organisiert sein, damit jeder weiß, wo er und alles seinen Platz hat.“ Eine leisere Kühlbox sei geplant. „Als Bastler ist man nie fertig.“

Aktuelle Zahlen belegen den Camping-Boom: Von allen Fahrzeugarten hatten im Jahr 2020 Wohnmobile die höchsten Zuwachsraten in Österreich. Die Neuzulassungen legten um fast 75 Prozent auf 2.969 zu. „Es gab extrem viele Neueinsteiger“, bestätigt Helmut Schörghuber, Mehrheitseigentümer von camping.holiday in Bruck an der Leitha. Schörghuber ist ein Camping-Veteran, war als Kind schon mit seinen Großeltern zelten, die Firma gibt es seit 1979.

Von Heckgarage bis Allradantrieb

„Ich kaufe mir eine unabhängige Urlaubsform“, umreißt Schörghuber den Zugang vieler Kunden und skizziert zwei konträre Typen: Minimalisten wie Ungersböck. Und Camper, die Eleganz und Konform schätzen, „da spielt Geld keine Rolle.“ Das zeige sich in der Ausstattung, Markenhersteller wie Bürstner oder LMC bauen „richtige Alpenchalets, mobile Paläste“. Dusche und Toilette sind überall drin, Klimaanlage, Navigationssystem, Sonnenmarkise und gute Energiesysteme in Verbindung mit Lithiumbatterien mittlerweile Standard. Dazu die Heckgarage mit Schienensystem, um teure Fahrräder sicher zu verstauen. Nicht zu vergessen die elektrisch verstellbaren Bettensysteme in teuren Modellen. Ein aufkeimender Trend seien Allradfahrzeuge „für Camper, die im Winter in den Bergen unterwegs sind oder am Mittelmeer direkt an die Küste fahren wollen.“ Lediglich Automatik-Getriebe sei noch sehr teuer.

Trends: Ausstattung - Wintercamping - Destinationen

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"Das Publikum wird jünger"

Das Klischee, Wohnmobile sind für Pensionisten, sei passé: „Das Publikum wird jünger, der Zulauf in der Altersklasse 40 bis 45 ist sehr groß – ob mit oder ohne Kind.“ Umso wichtiger sei Beratung beim Kauf, „man muss den Leuten das Campen lehren, man kauft sich ja Haus und Auto in einem.“ Jungfamilien steigen eher mit Wohnwagen ein. Individualisten und Sportler setzen auf Campingbusse und -vans, „um bei Kurztrips Bike und Stand-up-Paddle zu verstauen“. Die Großeltern-Generation ab fünfzig kaufe Reisemobile, „damit das Enkerl mitfahren kann“.

Wie lange hält ein Wohnmobil? Schörghuber denkt kurz nach: Irgendwann werden Abgase und Leistung ein Thema – „aber ein Reisemobil, das wird prinzipiell nie hin.“

Wohnmobil-Anbieter
Die Camping.holiday CRC GmbH in Bruck an der Leitha verkauft und vermietet Reisemobile, Campingbusse und Wohnwagen. Tel. 02162 / 626 22, camping.holiday

Campingplätze   
Helmut Schörghuber verrät vier seiner Lieblingsplätze:
– Luxus: Woferlgut Camping & Hotel**** Sportcamp in Bruck bei Zell am See. Mit Wellness, Halbpension mit Abendbuffet, Live-Cooking. sportcamp.at
– Familien: Sonnencamp am Gösselsdorfer See, einem der wärmsten Kärntner Badeseen. goesselsdorfersee.com
– Winter: Schluga Camping Hermagor am Pressegger See. Mobilheime, Camping-Fässer, Apartments. schluga.com
– Klassiker: Komfort Camping Burgstaller am Millstätter See, burgstaller.co.at

Apps zum Routenplanen
– Individuelle Roadtrips kann man mit komoot.de  erstellen
– Wohnmobilstellplätze  findet man auf park4night.com
– Naturnahe Stellplätze bei Bauernhöfen und Weingütern gibt’s unter schauaufsland.at

Allgemeine Infos
Österreichischer Camping Club (ÖCC), campingclub.at