Interview zum Vatertag: Was ist das Schönste am Papa-Sein?
Von Uwe Mauch
Gedanken zum Vatertag sind ihm vertraut. Clemens Schmoll ist Soziologe, systemischer Coach und war 18 Jahre lang Sozialarbeiter beim Hilfswerk in Wien. In unterschiedlichen Funktionen konnte er viel Erfahrung in der Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern sammeln.
Vor allem aber ist Schmoll selbst Vater. Nach zwei Elternkarenzen mit seinen beiden Söhnen hat er sich selbstständig gemacht und bietet seither Trainings, Workshops und Freizeitangebote für Jungväter an (siehe unten).
KURIER: Herr Schmoll, Ihr Vater meint: Beide Karenzzeiten waren für Sie schön, aber auch eine echte Herausforderung. Hat er damit recht?
Schmoll: Was ich erlebt habe, genau das haben unendlich viele Mütter schon vor mir geschupft: Es galt, Kindererziehung, Haushalt und Alltag unter einen Hut zu bringen, Arzttermine für alle zu koordinieren, Tränen zu trocknen, wenn Mama arbeiten ging, Türme zu bauen, die niemals umfallen dürfen, gleichzeitig Wäsche aufzuhängen und nebenbei das Abendessen zu kochen.
Infoabend
Clemens Schmoll nimmt sich Zeit für KURIER-Leser: am 23. Juni 2020, von 14 bis 16 Uhr, Tanzschule Strobl – Hernals, 1170 Wien, Kalvarienberggasse 28. Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung jedoch erforderlich, da es nur begrenzt Plätze gibt: hallo@papafreude.at
Kursangebote
„Sparring“ (Training für Väter im Einzelsetting), „Let’s groove“ (Papa und Kind gemeinsam im Rhythmus), „Heldenstammtisch“ (für Helden, die eine Pause benötigen und sich mit anderen austauschen möchten), „Dreckspatz-Contest“ (Windelwechsel-Bewerb). Mehr Infos gibt es im Internet unter: www.papafreude.at
Außerdem konnten Sie sich nicht über Ihre Erwerbsarbeit definieren.
Ja, das war eine sehr spannende Erfahrung für mich. Ich war den ganzen Tag über mit den Kleinen beschäftigt – nur am Ende des Tages habe ich mich vollkommen fertig gefragt: „Was habe ich heute eigentlich gemacht?“ Es sind nicht die großen Projektabschlüsse, die wichtig sind, es sind die kleinen Babyschritte.
Was nahmen Sie als positive Erfahrung mit?
Bei meinem zweiten Sohn haben sich meine Frau und ich die Karenz genau 50:50 geteilt. Wir waren beide genau ein Jahr bei den Kindern. Daher war in dieser Karenz ich oft der Erste, der Dinge erleben durfte: Also das erste Mal Klettern am Spielplatz, das erste Tor, die ersten Schritte, die ersten Wörter. Das war eine sehr schöne Zeit. Im Nachhinein muss ich allerdings auch sagen, dass man oft gar nicht dazu kommt, das richtig zu genießen, vor lauter Alltagsstress.
Vor bald drei Jahrzehnten legten Familienforscher ihre ersten Studien zum Thema „Neuer Mann“ vor. Was hat sich seit damals geändert?
Gut, ich bin jetzt kein Familienforscher, aber was ich aus meinem Umfeld mitbekomme, ist, dass es doch immer mehr Väter gibt, die sich viel mehr Zeit für ihre Kinder nehmen. Alleine was sich in den vergangenen zwei Jahren getan hat, ist bemerkenswert. Es gibt nun den Papamonat, Väter nützen vermehrt die Möglichkeit der Karenz. Daher treffe ich heute auch untertags viel mehr Männer mit ihren Zwergen auf Spielplätzen als zuvor.
Trifft das denn auch auf Spielgruppen oder Freizeitangebote für Kleinkinder zu?
Das noch immer nicht. Dem wollte ich daher etwas entgegenstellen. Denn die Themen, die Väter neben dem gemeinsamen Spielen austauschen, sind einfach andere als bei den Müttern.
Und zwar welche?
Bei Vätern geht es eher um die eigene Rolle. Auch um die Frage, wie sie damit umgehen können, wenn nach einem langen anstrengenden Tag die Mama endlich heimkommt und trotz der ganzen hohen Türme schlussendlich doch sie als die einzig wahre Heldin wahrgenommen wird.
Anderes Thema: In den Coronawochen haben laut Studien erneut die Mütter die meisten Mühen auf sich genommen. Wo waren die Männer da?
Eine gute Frage. Hier greift wohl ein gesellschaftliches Problem: Die Teilzeitquote wird ja heute immer noch von Frauen, besonders von Müttern angeführt. Das ergibt dann auch im Homeschooling und Homeoffice eine entsprechend ungleiche Aufteilung von Erwerbsarbeit und Nicht-Erwerbsarbeit. Aber es ist schon möglich. Meine Frau und ich haben es geschafft, uns die Arbeit-, Kinder- und Haushaltszeit gleichmäßig aufzuteilen.
Sind Sie für gleichen Lohn von Männern und Frauen?
Absolut. Erst dadurch würde das finanzielle Argument, wer in Karenz geht, wegfallen und der Gap bei den Pensionsansprüchen verringert werden.
Apropos Vatertag: Was ist für Sie das Schöne am Vater-Sein?
Die unbedingte Liebe, die dir entgegengebracht wird und die du beschützen willst. Die freudvollen erwartungsvollen Augen, die dich fragen, was der neue Tag bringen wird. Erleben zu dürfen, wie Kinder die Welt wahrnehmen, hinterfragen und manchmal auch auf den Kopf stellen. Und eigentlich sind es all jene Momente, die ich nur mit einem „Mah“ bezeichnen kann. Wenn zum Beispiel etwas kaputtging, stand mein älterer Sohn erwartungsvoll vor mir, hielt mir den Gegenstand vor die Nase und sagte „Paparieren“. Dieses Wort hat sich lang gehalten, es hat mich jedes Mal mit einer Wärme erfüllt. Das war unglaublich schön. Und wenn ich noch den Gegenstand retten konnte, kam: „Papa Held!“
Wie schon der Muttertag hat auch der Vatertag seinen Ursprung in den USA. Nachdem dort bereits Mütter ihren eigenen Feiertag hatten, wollte Sonora Smart Dodd auch ihren Vater offiziell hochleben lassen.
Der Bürgerkriegsveteran zog seine sechs Kinder alleine groß, als seine Frau verstarb. Die älteste Tochter Sonora suchte 1910 um einen „Father’s Day“ im Bundesstaat Washington an. Schnell fand der Festtag immer mehr Anhänger und so etablierte sich der dritte Juni-Sonntag in den USA zum Ehrentag der Väter. Seit 1972 gilt er dort sogar als offizieller Feiertag.
Auch in Deutschland wurde der sogenannte Herrentag Ende des 19. Jahrhunderts immer populärer, der dort allerdings stark mit Christi Himmelfahrt in Verbindung steht.
Herrenpartien mit BierMännergruppen zogen an dem christlichen Feiertag auf die Felder, baten um eine gute Ernte und tranken dabei reichlich Bier. Die feucht-fröhlichen Herrenpartien fanden schließlich auch in den Städten Anklang.
Heute wird der Vatertag in Deutschland nach wie vor an Christi Himmelfahrt gefeiert.
Die Trinkfreude der Nachbarn entging auch dem Wiener Werbeprofi Helmut Herz durch diverse Zeitungsberichte nicht. Er wollte die Textilbranche aus der Krise führen, indem er den Vatertag auch hierzulande einführte – allerdings familiärer und kauforientierter.
Als Reklameleiter von „Gloriette Hemden“ machte er im Radio und mittels Plakaten Werbung für das Familienfest und gründete ein Vatertagskomitee, sodass der Vatertag 1955 erstmals in Österreich gefeiert wurde. Seither wird immer am zweiten Sonntag im Juni begangen.
Der Festtag entwickelte sich tatsächlich zum kommerziellen Erfolg. Etwa zwei Drittel des Umsatzes vom Muttertag erreicht der Vatertag seit dem Jahr 2009.
Dem KURIER erzählte Herz lachend: „Es gibt Schätzungen, dass der Vatertag für Österreichs Wirtschaft bis zu 100 Millionen Euro jährlich bringt. In 60 Jahren habe ich so schon mehr Arbeitsplätze geschaffen als Herr Stronach.“