Leben/Essen & Trinken

Festessen zum hl. Martin: Mährisches Gansl

Wenn das kein Grund für den Genuss eines Martinigansls ist: Einer alten mährischen Volksweisheit zufolge muss jeder, der zum Namenstag des heiligen Martin keine gebratene Gans isst, das ganze nächste Jahr über Hunger leiden.

Und wie bei so vielen Legenden findet man auch in dieser einen wahren Kern in der Vergangenheit. Das Martinsfest am 11. November markierte das Ende der Feldarbeit und den unweigerlichen Beginn der kalten und kargen Winterszeit. Da machte es durchaus Sinn, nochmals ordentlich zuzugreifen. Noch dazu, wo gleichzeitig die traditionelle vorweihnachtliche Fastenzeit begann und diese vierzig Tage Zurückhaltung erforderte. Und hier sind auch schon die Gänse mit im Spiel, mit mehrfachem Nutzen. Die Gänse vor dem Winter zu schlachten, ersparte den Bauern sie durchfüttern zu müssen.

Auch wenn sich die Bedingungen und religiös geprägten Traditionen mittlerweile etwas verändert haben: Die Bedeutung der Sankt-Martins-Gans ist für unsere mährischen Nachbarn heute noch ebenso groß wie in früheren Jahrhunderten. Auf jeden Fall  verweist der Gänseschmaus ganz deutlich noch immer auf einen  Feiertag, der sehr lebensfroh und fröhlich begangen wurde.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Man könnte sogar glauben, Mähren sei die Heimat des Martinigansls. Was sich zwar nicht belegen lässt, aber von stolzen Bewohnern der Region durchaus so gesehen wird. Wer etwa rund um den 11. November, etwa das malerische mährische Städtchen Mikulov besucht, wird einem Gänsebraten nicht entkommen. Kaum ein Gasthaus, das keine Spezialitäten dieses Geflügels auf seiner Karte hat. Man könnte fast sagen, die ganze Stadt duftet zu dieser Zeit nach Gansl.

Vorbereitung: 20 min am Vortag
Zubereitung: 240 min
Portionen: 4 

1 Gans mittlerer Größe, circa  4 Kilogramm  
3 Äpfel und 1 Birne oder 4 Äpfel
mehrere Zweige Rosmarin
Wasser zum Ablöschen
Kümmel, Salz

- Die Gans waschen, innen und außen gut mit Salz und Kümmel einreiben und einen Tag an einem kühlen Ort abliegen lassen. Etwa drei Stunden vor dem Braten bei Zimmertemperatur ruhen lassen
- Backrohr auf 130  Grad vorheizen, die Gans mit der Brust nach unten in einen Bräter legen. Bräter bis zu einem Viertel mit Wasser füllen
- Zudecken und rund drei Stunden braten. Gelegentlich mit einem Messer oder Spieß die Haut einstechen, damit das Fett abfließen kann. Während der Bratzeit immer wieder mit Wasser und/oder Fett übergießen und wenden
- Nach drei Stunden Bratzeit Äpfel und Rosmarin im Inneren der Gans und  im Bräter verteilen und weitere vierzig Minuten braten. In den letzten zwanzig Minuten - Temperatur auf 170 Grad erhöhen und den Deckel abnehmen, damit die Haut knusprig wird
- Die Gans vor dem Servieren noch etwas ruhen lassen, dann zerteilen

„HAARIGE“ KNÖDEL
350 g Erdäpfel roh, fein geraspelt
150 g  Erdäpfel in der Schale gekocht, geschält
1 Ei  
250 g griffiges Mehl  
1 Handvoll krause Petersilie gehackt
Salz, 50 ml Öl

- Gekochte und rohe Erdäpfel in eine Schüssel geben. Ei, Mehl, Salz und  Petersilie hinzufügen und das Ganze zu einem glatten Teig kneten und ruhen lassen
- In einem Topf Salzwasser zum Kochen bringen, mit einem nassen Löffel aus dem Teig kleine Knödel formen und ins Wasser legen. Vorsichtig umrühren, damit die Knödel nicht am Boden ankleben. Acht Minuten kochen
- Knödel abseihen, mit etwas Öl beträufeln, damit sie nicht zusammenkleben.  Leicht durchmischen und servieren

 

Tradition und ein bisschen Innovation

Was die Rezepturen betrifft, brät man in Mähren, aber auch in anderen Regionen Tschechiens das Gansl noch immer recht traditionell – und im Übrigen ähnlich wie in Ostösterreich. Nördlich der Thaya greifen unsere Nachbarn allerdings gern zu Kümmel als Würze und bereiten das Federvieh mit Kraut zu. Jan Rimpler, Chefkoch im Kochstudio Gastro-Zentrum   im Örtchen Moravany nahe Brünn,  verfeinert seine Gänse mit Honig und das Weißkraut mit Sanddorn, was der Beilage eine feine, fruchtig-säuerliche Note gibt. Und auch die  klassischen böhmischen Knödel erhalten mit einem Hauch von Lebkuchen eine unerwartete Geschmacksnuance. In altböhmischen Rezepten füllt man die Gans hingegen gern mit Äpfeln und serviert diese als essbare Dekoration mit.

Und dann spielen klarerweise auch die Beilagen eine gewichtige Rolle. Wobei so ein mährisches Gansl durchaus seine Verwandtschaft mit einem österreichischen zeigt: Knödel, (Sauer-)Kraut und reichlich Bratensaft gehören hier wie da dazu.

Gans und Wein
Das Sankt-Martins-Fest  ist auch für Weinbauern ein markanter Tag: Es endet die Weinlese und auch der erste Wein ist bereits gereift. Verkostet wird er nach alter Tradition am 11. November um 11 Uhr. Daraus entstanden große Gansl-Festessen, die mit dem Verkosten des jungen Weins kombiniert werden

Regionaler Anbau
Südmähren  ist die wärmste Region Tschechiens – und auch jene mit den meisten Weinbergen

Tipps
Velké Bílovice ist die größte Weinbaugemeinde in Tschechien mit rund achthundert Hektar Weinbergen, die von tausend Winzern bewirtschaftet werden. Verkostungen gibt es etwa im Labyrinth aus Kellergässchen. Zum Fest des Heiligen Martin findet in den „Blauen Bergen“ in Velké Pavlovice das Festival der offenen Weinkeller statt