Neue Sonderausstellung im Mozarthaus Vienna: Plagiatsvorwürfe gegen Mozart?
Von Florian Lieke
Waren Sie schon einmal im Mozarthaus Vienna? Ich habe das geschichtsträchtige Gebäude in der Domgasse 5 im 1. Bezirk schon einige Male besucht. Dabei sind mir immer bereits vor Betreten des Museums die unterschiedlichsten Werke von Wolfgang Amadé Mozart durch den Kopf geschwirrt – von der berühmten Arie „Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“ bis hin zum letzten Satz der Klaviersonate Nr. 11, auch bekannt als „Türkischer Marsch“. Doch beim letzten Mal war alles anders.
Im Gegensatz zu meinen bisherigen Besuchen war es nun ein Song der deutschen Musikgruppe Die Prinzen: „Alles nur geklaut“. Jetzt fragen Sie sich mit Sicherheit, warum? Das lässt sich schnell erklären: Nachdem ich von der neuen Sonderausstellung „Cherubino alla vittoria!“ im Mozarthaus Vienna erfahren habe, setzte ich mich sofort mit dem dahinterstehenden Programm auseinander. Die wesentliche Zusammenfassung: Erstmalig gezeigte Dokumente und wissenschaftliche Thesen sollen einen möglichen Aufschluss rund um die Entstehung der Militärarie aus „Le Nozze di Figaro“ geben. Demnach könnte ausgerechnet Mozart – einer, wenn nicht sogar der größte Komponist aller Zeiten – das Thema der Arie von einem österreichischen Militärmarsch abgekupfert haben.
Mit vielen Fragezeichen und großer Neugier fieberte ich also der neuen Ausstellung entgegen. Hat der gebürtige Salzburger tatsächlich Musikelemente gefladert? Und überhaupt: Welche Rolle spielte das Thema Plagiate zu dieser Zeit? Am 27. Jänner 2023 war es endlich so weit: Wir waren bei der Eröffnung der Sonderausstellung dabei und können nun verraten, was es mit den Vorwürfen auf sich hat und worauf Sie sich sonst noch freuen dürfen.
Unbekannter Militärmarsch gibt mögliche Aufschlüsse über Entstehung der Figaro-Arie
Mozarts „Le Nozze di Figaro“ wurde 1786 im Burgtheater am Michaelerplatz uraufgeführt. Erst vor kurzem wurde allerdings ein zeitgenössischer österreichischer Militärmarsch entdeckt, dessen Thema eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Schlussmarsch der Militärarie aus der berühmten Oper aufweist. Auch nach Rücksprache mit diversen Fachexpert:innen war klar: Hier handelt es sich um bisher unbekannte Erkenntnisse und um eine auffällige thematische Übereinstimmung.
Können wir also von einem Plagiat sprechen? Jein, denn hierzu fehlt der genaue Hintergrund. Auch die Literatur rund um den berühmten Salzburger gibt in diesem Fall keine konkreten Aufschlüsse. Zu Zeiten Mozarts spielte dieses Thema allerdings auch noch keine wesentliche Rolle. Es war zudem nicht ungewöhnlich, dass sich Komponist:innen an bereits bekannten Melodien bedienten, um beispielsweise eine gewisse Stimmung zu erzeugen.
Aus diesem Grund geht auch Thomas Aigner, stellvertretender Direktor der Wienbibliothek im Rathaus und Kurator der neuen Sonderausstellung, davon aus, dass Mozart den Militärmarsch bewusst einsetzte, um bei seinem Publikum einen Bezug zwischen Bühnenhandlung und eigenem Leben herzustellen.
Mozart hat, die Richtigkeit obiger These vorausgesetzt, den Militärmarsch nicht eins zu eins übernommen, sondern mit einigen wenigen Kunstgriffen, die anschaulich dargestellt werden, überhaupt erst ‚bühnentauglich‘ gemacht.
Die Originale sowie die verblüffende Ähnlichkeit der beiden Musikstücke können ab sofort im Mozarthaus Vienna bestaunt werden.
Wer mehr über das Thema Plagiate und die dahinterstehende Entwicklung im musikalischen Kontext erfahren möchte, bekommt im Rahmen der Sonderausstellung ebenfalls spannende Einblicke. Berühmte Komponisten, die dabei im Fokus stehen: Johann Strauss (Sohn), Carl Michael Ziehrer oder Carl Czerny.
Widerhall der Militärarie in nachfolgenden Werken
Die Sonderausstellung beleuchtet allerdings nicht nur die These rund um die Entstehung der Figaro-Arie. Das berühmte Werk entstand zu einer Zeit, in der Kriege – vor allem innerhalb Europas – allgegenwärtig waren. Besonders der Russisch-Österreichische Türkenkrieg machte den Habsburgern schwer zu schaffen. Besucher:innen bekommen deshalb einen Einblick in die militärischen Konflikte zum damaligen Zeitpunkt. Dabei lassen sich erschreckenderweise einige Parallelen zur aktuellen Situation in der Ukraine erkennen: Auch bei diesem Krieg wurde das Gebiet rund um die Krim besetzt und führte letzten Endes zur Eskalation. Das Leid und die Angst der Bevölkerung hebt Aigner mithilfe verschiedener Zitate hervor. Und auch hier wird klar: Die Worte könnten aus der heutigen Zeit stammen.
Sagt ihm die klägliche Wahrheit: daß aus jeder Familie wenigstens ein oder zwei Mann verunglückt werden, und daß alle Vortheile, die wir durch sie dann erkaufen, den traurig bitteren Verlust nicht ersetzen.
Daneben erfahren Sie mehr über den Widerhall von Mozarts Arie in nachfolgenden Werken sowie die besondere Bedeutung von Musik im Militär. Wussten Sie zum Beispiel, dass man mit bestimmten Musikstücken den Zapfenstreich – also die Nachtruhe – einläutete? Oder, dass man den Feind mit Militärmusik einschüchtern wollte? Eines steht jedenfalls fest: Ein Besuch im Mozarthaus Vienna lohnt sich jetzt noch mehr! Die Sonderausstellung ist im regulären Preis enthalten.
Noch nicht überzeugt?
Kein Problem! Bei unserer Schnellfragerunde hat uns Kurator Thomas Aigner verraten, was die Ausstellung so besonders macht und welche Gründe für einen Besuch sprechen: