Chronik/Wien/WOHNKURIER

Kathrin Gaál: „Der Wohnungsmarkt ist zukunftsfit“

KURIER: In Wien gibt es einen regelrechten Bauboom. Welche Maßnahmen und Ideen stehen dahinter?

Kathrin Gaál: Wien verändert sich. Die Stadt erlebt Aufbruch, Bewegung und Zuzug. Die Wiener Bevölkerung ist mittlerweile die jüngste von ganz Österreich. Bis 2028 überschreiten wir planmäßig die Zwei-Millionen-Grenze. Und Wien lässt die Menschen mit diesem Wandel nicht allein. So entstehen allein bis Ende 2020 rund 14.000 geförderte Wohnungen und noch einmal 4.000 Wohnungen im Gemeindebau Neu. Inklusive der dafür notwendigen Infrastruktur.

Welche Wohnprojekte wurden im Jahr 2019 bezogen bzw. beendet? Was waren Ihre Highlights des Jahres 2019?

Noch ist das Jahr nicht vorbei. Ich möchte von den vielen tollen Projekten, die wir gerade entwickeln oder bereits vorgestellt haben, auch kein einzelnes hervorheben. Aber es sind echte Perlen dabei. Und dass der erste Gemeindebau Neu, der Barbara-Prammer-Hof, mit November bezugsfertig ist, das ist natürlich schon eine sehr schöne Premiere und ein echter Höhepunkt.

Was sind derzeit besondere Schwerpunkte beim Wohnbau und warum werden diese gesetzt?

Mir es besonders wichtig, dass wir uns beim Bau von neuen Wohnungen an den konkreten Bedürfnissen der Menschen orientieren. Wir bauen für Alleinerziehende, für Jungfamilien, für ältere Menschen und auch für Menschen mit besonderen Bedürfnissen. Alleinerziehende Menschen sind überdurchschnittlich oft Frauen, denen wir natürlich auch leistbaren und lebenswerten Wohnraum anbieten wollen. Das gelingt zum Beispiel durch spezielle Gemeinschaftsräume, die als erweitertes Wohnzimmer und Treffpunkt für mehrere Alleinerziehende dienen. Alle, die Kinder haben, wissen, wie wichtig ein entsprechendes soziales Netz ist.

Auf welche Projekte können sich die Wiener im Jahr 2020 freuen?

Im kommenden Jahr werden wir unsere Offensive für leistbaren und lebenswerten Wohnraum fortsetzen, es werden weitere Gemeindebauten Neu fertiggestellt, wir werden im Mai das Jubiläumsjahr 100 Jahre Gemeindebau beenden und ich darf noch ein paar Überraschungen in Aussicht stellen.

Was sind die Vorzüge der Gemeindewohnungen Neu?

Die Gemeindewohnungen Neu bieten den Mietern besonders vorteilhafte Konditionen. Zu den Vorzügen zählen 7,50 Euro Miete pro Quadratmeter, keine Eigenmittel, keine Kaution, keine Befristung und 100 Prozent Vergabe durch Wiener Wohnen. Alles fair geregelt nach transparenten Vergabekriterien.

Welche Herausforderungen und Besonderheiten gibt es im Sektor Bauen und Stadterneuerung in Wien aus Ihrer Sicht?

Wachstum bedeutet Veränderung. Und wenn sich Gewohntes verändert, vor allem vor der eigenen Haustür, wird das niemals nur gute Laune und Unterstützung auslösen. Baustellen und neue Wohnbauten können für Ärger sorgen. Gleichzeitig kann ohne Bauarbeiten aber nichts Neues entstehen. Die Baustelle von heute ist die funktionierende Infrastruktur von morgen: die neue Schule oder die Wohnung, das neue Büro oder die Parkanlage, die neue U-Bahn oder der Sportplatz. Um diesen großen Wert des Bauens für die Wiener zu verdeutlichen, hat die Stadt gerade erst jüngst die Initiative „Wien baut vor“ gestartet.

In Wien sind die Wohnungspreise im europäischen Vergleich niedrig. Wie schwierig ist es angesichts des Immo-Booms, das zu halten?

Wohnen ist heute ein globales Spekulationsgeschäft. Banken, Fonds und Versicherungen investieren in Wohnraum, um möglichst viel Geld zu verdienen. Lebenswerte Wohnungen sind damit in vielen Großstädten ein Luxus geworden. In Wien haben wir uns ganz bewusst für einen anderen Weg entschieden. Seit 100 Jahren halten wir die öffentliche Hand schützend über den Wiener Wohnungsmarkt. Damit auch die nächste Generation von dieser Politik profitieren kann, haben wir etwa jüngst die Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“ und ein neues SMART-Wohnbauprogramm beschlossen.

Wien ist Vorzeigestadt beim kommunalen Wohnbau. Andere Städte wollen das kopieren. Ist das Konzept so einfach übertragbar?

So einfach ist das nicht. Ein wichtiger Teil des Wiener Erfolgsgeheimnisses ist, dass wir unsere Wohnungen auch in den 1980er und 1990er Jahren nicht privatisiert haben und dafür vielfach kritisiert worden sind. Heute zeigt sich, dass diese Entscheidung goldrichtig gewesen ist. Denn wenn die Wohnungen einmal weg sind, hast du als Stadt nur noch einen sehr kleinen Hebel zur Mietpreis-Regulierung in der Hand.

Die Politikerin startete ihre Karriere als Bezirksrätin, danach wurde sie von 2005 bis 2018  zur Abgeordneten des Wiener Landtags und  zum Mitglied des Gemeinderats der Stadt Wien. Seit 24. 5. 2018 ist Kathrin Gaál Amtsführende Stadträtin für Wohnen, Wohnbau, Stadterneuerung und Frauen in Wien.

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