Willi Resetarits: "Wien bekennt sich zur Sozialstadt"
Von Bernhard Ichner
Am 2. März findet im Wiener Rathaus der 25. Flüchtlingsball zu Gunsten des Integrationshauses statt. Zum Jubiläum gibt Willi Resetarits eines seiner selten gewordenen Kurt-Ostbahn-Konzerte. Im KURIER-Gespräch erklärt der Ehrenobmann des Integrationshauses, warum der Ball ein politisches Statement ist, was er vom „Wien-Bashing“ der Bundesregierung hält und warum er den Rücktritt von FPÖ-Innenminister Herbert Kickl fordert.
KURIER: Ist der
Flüchtlingsball eine reine Tanzveranstaltung oder ein politisches Signal?
Willi Resetarits: Er ist definitiv eine Tanzveranstaltung, aber bei Weitem nicht nur: Zum Flüchtlingsball zu kommen ist ein Statement – für Integration und ein respektvolles Zusammenleben verschiedener Menschen in Österreich. Wobei Integration ein Geben und Nehmen von beiden Seiten ist. Es geht darum, Flüchtlingen auf Augenhöhe zu begegnen und auch darum, von einander zu lernen. Außerdem brauchen wir Geld fürs Integrationshaus.
Ist der Flüchtlingsball sozusagen die Gegenveranstaltung zum Akademikerball?
Nein. Uns geht es nicht darum, gegen irgendwas zu sein. Wir wollen nicht bloß auf gewisse Umstände reagieren, sondern wir wollen ganz bewusst agieren. Wir tun was.
Zum Beispiel?
Wir setzen uns gegen die Kürzung der Mindestsicherung für anerkannte Flüchtlinge ein. Dass es von der
Bundesregierung immer heißt: „Keine Mindestsicherung für Asylwerber“ ist ja ein Fehler. Oder eine absichtliche Behauptung – man weiß es nicht. Asylwerber kriegen gar keine Mindestsicherung. Außerdem fordern wir Integrationsmaßnahmen ab dem ersten Tag, statt Kürzungen im Bildungsbereich. Wir wollen ein Bleiberecht abseits des Asylwesens – für Leute, die schon lange hier sind. Die vielleicht hier geboren und ausgebildet wurden. Da haben wir auch Verbündete in der Wirtschaft. Weil ohne Zuwanderung würde die Bevölkerungszahl sinken. Und wir wünschen uns natürlich, dass NGOs in der Flüchtlingsbetreuung angehört werden. Wir haben da enorme Expertise, genau wie Caritas, Diakonie, Volkshilfe oder Rotes Kreuz. Alles keine verdächtigen Linksradikalen.
Bis dato übernahm immer der Wiener Bürgermeister den Ehrenschutz für den Ball. Ist Ihnen die Anwesenheit von Politikern auf dem Ball wichtig?
Wir schätzen das schon sehr. Es gibt da ein Commitment – darum kommen zu uns oft GemeindepolitikerInnen. Um den Ehrenschutz haben wir übrigens noch bei Bürgermeister Michael Häupl angesucht, der uns für die Zeit nach seiner Regentschaft das Rathaus zugesichert hat. Jetzt müssen wir seinen Nachfolger, Michael Ludwig, erst fragen, ob ihm das überhaupt recht ist. Aber ich hoffe schon. (Wie man auf KURIER-Nachfrage im Büro des Stadtchefs mitteilt, übernimmt Ludwig gern den Ehrenschutz; Anm.)
Apropos Politiker. Aktuell fordern Künstler wie Josef Hader, Elfriede Jelinek oder Peter Turrini den Rücktritt von Innenminister Herbert Kickl. Sie auch?
Selbstverständlich. Das Demokratieverständnis des Innenministers ist ... ausbaufähig. Um es diplomatisch auszudrücken.
Bei den Ostbahn-Konzerten im Vorjahr vernahm man auch manch politisches Statement von der Bühne. Ist der Kurtl heute politischer als früher?
Der Kurtl ist ein politisch denkender Mensch, wie ich. Es gibt halt immer so Zeiten – so wie 1991 als man Skinheads auf der Straße gesehen hat und die
FPÖ unter Jörg Haider ihr Ausländervolksbegehren eingebracht hat. Da hat sich was aus offener Ausländerfeindlichkeit und Rechtsradikalismus zusammengeballt. Deshalb hat der Kurtl das Lied „Moch kan Aufstand“ aufgenommen. Und ich hab' den Eindruck, dass auch jetzt so eine Zeit ist, in der wir die Zeichen erkennen müssen. Das geht insbesondere von einer Regierungspartei aus – aber die anderen sind auch keine Waserln. Da passieren Sachen, die an die Anfänge des Rechtsradikalismus in der Zwischenkriegszeit erinnern; zarte Anzeichen, dass sich punkto demokratiepolitische Errungenschaften was zum Schlechteren wendet. Da muss man sagen: „Obacht, Leute!“
Die Wiener Stadtregierung beklagt zurzeit ein Wien-Bashing durch Bundespolitiker. Zurecht?
Ja. Das gab es in der Zwischenkriegszeit auch: Die schwarzen Bundesländer gegen das rote
Wien. Aber ich sag’s ganz deutlich: Ich bin da auf der Seite von Wien. Ich bin prinzipiell zwar begeisterter Österreicher, aber Wien ist schon sehr leiwand.
Was meinen Sie konkret?
Die Frage ist ja: Baut man gute soziale Standards noch aus oder baut man sie ab? Wien bekennt sich da zum Sozialstaat bzw. zur Sozialstadt, während die Bundesregierung beim Sozialen abbaut. Natürlich kann man der Stadt zum Vorwurf machen, dass viele sozial Schwache zuziehen – aber darüber darf man sich nicht wundern, weil Wien eben besser ist. Ja, ich bin schon gern ein Wiener.
Zurück zum Ostbahn. Mit den beiden Stadthallen-Konzerten im Jänner, dem Flüchtlingsball und den beiden Konzerten auf der Kaiserwiese im August spielt der Kurtl heuer so oft wie seit 2003 nicht mehr. Geht er Ihnen zunehmend ab?
Es geht eher darum, dass der Kurtl heuer 70 wurde – wie ich. Darum haben wir uns die beiden Stadthallen-Konzerte ausgemacht. Und der Flüchtlingsball wird 25, da spielt der Kurtl natürlich auch gern. Nächstes Jahr werden wir 71 – da singen wir dann vielleicht Friedhofslieder und fahren mit dem 71er zum Zentralfriedhof. Man wird sehen.
Fünf Ostbahn-Konzerte im Jahr werden also eher die Ausnahme bleiben?
Ja.
Unterkunft, Beratung und Sprachkurse
Wenn das Wiener Integrationshaus am 2. März zum 25. Flüchtlingsball bittet, dann ist das für Organisator Niki Heinelt ein bisschen wie ein Klassentreffen. Denn beim Jubiläumsball sind viele Künstler und Helfer dabei, die schon 1995 die Premiere in den Sofiensälen miterlebt haben. Neben Kurt Ostbahn treten Russkaja, Mary Broadcast feat. Slavko Ninic, Harri Stojka oder Tini Trampler & das dreckige Orchestra auf. Insgesamt sorgen zehn Bands für Stimmung.
Willi Resetarits, der als Ehrenobmann im Integrationshaus „auf dem Statler-und-Waldorf-Balkon“ (von dem in der Muppet-Show die bissigen Kommentare zweier älterer Herren ertönen; Anm.) sitze, sich aber hüte „ständig hineinzukeppeln“, sondern sich primär ums Sponsoring kümmert, tritt um 21.30 Uhr im Festsaal als Kurt Ostbahn auf. Eröffnet wird der Ball um 21 Uhr.
Bekleidung beliebig, aber erwünscht
Karten um 45 Euro sind bei der Bank Austria sowie über Wienticket erhältlich. Der Erlös des Flüchtlingsballs kommt dem Integrationshaus zugute, wo rund 150 Mitarbeiter Asylsuchende und Flüchtlinge betreuen. Diese erhalten nicht nur Unterkunft, sondern auch rechtliche sowie psychosoziale Beratung. Zudem werden sie bei Ausbildung und Integration in den Arbeitsmarkt sowie beim Spracherwerb unterstützt. Um Geld zu sparen, werden Auf- und Abbau des Balls genau wie die Gastronomie von ehrenamtlichen Helfern erledigt.
Vor dem Ball klingelt das Telefon im Integrationshaus übrigens noch öfter als sonst. Primär, weil sich Ballgäste nach dem Dresscode erkundigen, erzählt Heinelt. Dabei ist die Antwort denkbar einfach: „Bekleidung beliebig, aber erwünscht.“