Eine Tradition in Bedrängnis: So geht es mit den Fiakern weiter
Von Anna-Maria Bauer
Aufgeschoben bedeutet nicht aufgehoben.
Nachdem Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) am Samstag seine Gesprächsbereitschaft gegenüber den Fiakern bekräftigte, demonstrierten die Kutscherinnen und Kutscher am Dienstag zwar nicht am Rathausplatz. Ihre Forderungen bleiben aber aufrecht.
Forderungskatalog
Konkret verlangen sie, dass die Standplätze am Stephansplatz aufgestockt, die Plätze vom Michaelerplatz nicht in Seitengassen verlegt werden, oder auch, dass das Projekt Gummi-Hufbeschläge nicht weiter vorangetrieben wird.
Fiaker-Sprecherin Ursula Chytracek hat den entsprechenden Forderungskatalog nun im Rathaus abgegeben.
Dort heißt es: Man werde die Forderungen „sichten und dann weiterschauen“.
Das wiederum treibt eine andere Gruppe zu Demonstrationen: Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) sieht sich mehr denn je in der Verantwortung, auf das „Leid der Fiakerpferde“ aufmerksam zu machen.
35-Grad-Marke
Falls am Samstag die 35-Grad-Marke geknackt wird, werden sich die Aktivisten bei allen Standplätzen einfinden, um zu kontrollieren, ob die Fiaker den Heimweg antreten. Die Pferde dürfen bei Temperaturen ab 35 Grad nicht mehr im Einsatz sein.
Die Fiaker gaben am Freitag aber bereits bekannt, am Samstag zumindest am Nachmittag daheim zu bleiben. Das teilte Ursula Chytracek, die Sprecherin der Fiaker in der Wirtschaftskammer Wien, am Freitag mit. Personen, die eine Fahrt reserviert haben, wurden informiert.
Nachmittags im Stall
„Aufgrund der angekündigten Hitze wurden bereits bestellte Fuhren von Samstagnachmittag auf Vormittag umdisponiert. Unsere Pferde werden am Nachmittag bei den zu erwartenden 35 Grad also in den Ställen stehen. Denn es ist uns Fiakern wichtig, im Sinne unserer Pferde, diese Regelung einzuhalten“, versicherte die Kammervertreterin.
Unternehmer und Fahrer würden genau auf die Temperaturentwicklung an heißen Tagen achten, beteuerte sie.
Ganzen Tag in der Stadt
Für den VGT-Aktivisten Georg Prinz ist Fiakerei dennoch Tierquälerei: Schließlich müssten die Pferde in der Stadt leben, bekämen nicht genug Auslauf, seien den ganzen Tag zwischen Autos, Lkw und Bussen unterwegs und müssten eine Kutsche ziehen; oft bei hohen Temperaturen.
Einander zuhören
Angesprochen auf die Vorwürfe des VGT muss Ursula Chytracek seufzen. Die Aktivisten würden nie zuhören, würden die Einladung, sich einmal einen Stall anzusehen, nicht annehmen. Stattdessen würden sie mit Unwahrheiten mobilisieren.
„Ja“, fährt Ursula Chytracek fort, „mein Stall befindet sich in der Stadt – allerdings auf einem mehr als 4.000 Quadratmeter großen, begrünten Areal.“ Hier stehen 38 Pferde; sechs davon seien Pensionisten, die hier ihren Lebensabend verbringen und nachmittags auf die Koppel kommen. Auch die anderen Pferde sind an freien Tagen (zwei bis drei Mal die Woche) vormittags auf der Koppel.
Diese Erläuterungen ändern nichts an Georg Prinz’ Einstellung: „Pferde gehören nicht in die Stadt, sondern auf die Wiese.“
Arbeit und eine Aufgabe
Diese Aussage ist wiederum Ursula Chytracek zu kurz gedacht: „Ich sehe es anders: Wir geben den Pferden eine Aufgabe, eine Arbeit.“
Das tue ihnen gut. „Wenn ihnen langweilig wird, bekommen sie Verhaltensstörungen.“ In der Natur legen Pferde mitunter am Tag 18 Kilometer im Schritt oder im Trab zurück.
Chytracek fährt fort: „Sie sind bei uns rund um die Uhr betreut. Ja, natürlich verdienen wir mit der Fiakerei unser Geld.“ Aber es ginge um so viel mehr. „Die meisten Kutscher verbringen mehr Zeit mit den Pferden als mit der Familie. Da entsteht eine innige Beziehung. Unsere erste Sorge ist immer: Was machen wir mit den Pferden?“
Eine Frage, die schlussendlich von der Politik geklärt werden muss.
Fiaker in Zahlen
26 Betriebe gibt es laut MA 65 in Wien. Sie sind mit 151 Gespannen und 302 Pferden unterwegs.
43 Verstöße gab es heuer. Davon wurde einmal ein tierschutzrechtlicher Aspekt verletzt.
151 Verstöße wurden 2018 verbucht. Davon waren elf Zuwiderhandlungen gegen den Tierschutz.