Wiener pfeift mit der Weltelite um die Wette
Von Bernhard Ichner
Was tut man als leidenschaftlicher Geiger, wenn man zu wenig Zeit für sein Hobby hat? Man pfeift auf das Instrument und sieht sich nach künstlerischen Alternativen um. So wie Sirus Madjderey, der letztlich im Internet fündig wurde. Weil er es neben Start-up-Geschäftsführung und Business-Coaching nicht mehr schaffte, sechs Stunden pro Woche für den Musikunterricht aufzubringen, verlegte sich der Wiener aufs Kunstpfeifen.
Die Vorteile lägen auf der Hand: „Man kann überall üben – auch unter der Dusche. Man muss kein Instrument herumschleppen und es erst stimmen. Und Lehrer, die Kunstpfeifen unterrichten, gibt’s sowieso nicht“, sagt „Sirus The Whistler“ (der Pfeifer, Anm.).
Trotzdem ist der Wiener ganz gut geworden. Sehr gut sogar. Nach fünf Jahren Kunstpfeiferei mit täglich drei Stunden Training gehört er zur Weltelite. Dieser Tage scheiterte der Autodidakt mit seiner im Stephansdom eingepfiffenen Version von Leonard Cohens Halleluja nur knapp am Finaleinzug bei der Kunstpfeif-WM.
Youtube statt Bühne
Eigentlich verfolgt „Sirus The Whistler“, wie sich der Musiker (und Zauberkünstler) nennt, den Plan, die Pfeiferei hauptberuflich zu betreiben. 2020 sollte sein Jahr werden, zahlreiche Auftritte – mit Band oder allein – waren geplant, unter anderem bei Castingshows. Und auch ein Platz im Casting-Pool des Cirque du Soleil nährte die Hoffnung des Wieners, bald von seiner Kunst leben zu können.
Doch dann kam Corona. Und Shows gab’s plötzlich keine mehr.
Ganz auf Sirus The Whistler verzichten muss die Kunstpfeif-Community dennoch nicht. Auf youtube sind seine Videoclips zu sehen. Etwa das neue Lindsey-Stirling-Cover „Crystallize“. Aber auch Interpretationen klassischer Meisterwerke, von Mozart bis Bach.
Pfeifen im MRT-Gerät
Und wer wissen möchte, was beim Pfeifen in Madjderey vorgeht, hat im Internet ebenfalls die Möglichkeit dazu. Wobei das wörtlich zu verstehen ist: Der Kunstpfeifer überzeugte die Forscher am Max-Planck-Institut im deutschen Göttingen davon, ihn im Rahmen eines wissenschaftlichen Experiments quasi zu durchleuchten. „Darum hab’ ich einen Vormittag pfeifend in einem MRT-Gerät verbracht“, erzählt er.
Mit dem Ergebnis, dass man nun genau weiß, was beim Pfeifen oder auch beim Singen im menschlichen Körper vorgeht. Die erhellenden Aufnahmen sind hier zu sehen:
Motivationsschub
Der erste, der Madjdereys Pfeiferei als Kunst erkannte, war 2016 der französische Regisseur Alaa Abi Haidar, der auf Soundcloud über dessen Übungsaufnahmen gestolpert war. Für seine Reisedokumentation „The Art & Science of Traveling“ bat er den Wiener um eine A-cappella-Version eines Schostakowitsch-Stücks. Also nur gepfiffen, ohne instrumentelle Begleitung.
Für Sirus ein Motivationsschub sondergleichen. „Schließlich war das kein Freund, der mir einen Gefallen tun wollte, sondern ein objektiver Zuhörer. Da war für mich der Punkt erreicht, an dem mir klar war, dass Pfeifen eine Kunstform ist“, erinnert er sich.
Seitdem übt er fast täglich: Kleine Tonfolgen, ganze Lieder, Popmusik und Klassik und natürlich Techniken, die die Kunstfertigkeit steigern. Trillern zum Beispiel oder das anspruchsvolle Warbling, im Zuge dessen die Zunge während des Pfeifens wiederholt den Gaumen antippt.
Gewürdigt wurden die Anstrengungen bei der Kunstpfeif-WM 2018 in Tokyo. Da schaffte es Sirus The Whistler mit einer Kombination aus Pfeiferei und Zauberei auf Platz drei der Vorausscheidung.
Infos: www.sirusthewhistler.com