Wien-Wahl: Warum die Neos nicht vom Fleck kommen
Eigentlich wollten die Neos ihre Liste für die Wien-Wahl bereits am 28. März fixieren. Dann kam Corona und warf, neben vielem anderen, auch die pinken Pläne über den Haufen. Jetzt ist es aber soweit: Am heutigen Montag startet die öffentliche Online-Vorwahl und damit die finale Phase der Listenerstellung.
Bis 23. Juli können alle Interessierten mit Hauptwohnsitz in Wien ihre Favoriten unter den 67 Bewerbern wählen. Am 24. Juli folgt das Erweiterte Landesteam, bevor am 25. Juli alle Parteimitglieder im Rahmen der Landesversammlung ihre Punkte vergeben. Am Ende wird addiert – und fertig ist die Landesliste.
Für die Liberalen kommt die Vorwahl zu einer günstigen Zeit, sorgt sie doch für Aufmerksamkeit. Die sehr willkommen sein dürfte: In der aktuellen KURIER-OGM-Umfrage liegen die Neos bei 6 Prozent und damit praktisch genau bei ihrem Ergebnis von 2015 (6,2 Prozent). Zum Vergleich: Bei der Nationalratswahl 2019 holten sie in Wien 9,9 Prozent (bundesweit: 8,1), bei der EU-Wahl wenige Monate zuvor gar 10,2 Prozent (bundesweit: 8,4).
Das Potenzial für die Zweistelligkeit ist in der Hauptstadt also offensichtlich vorhanden. Warum trotzdem so schwache Umfrage-Ergebnisse?
Bund vs. Land
Während es die Neos im Bund immer wieder schaffen, Themen prominent zu besetzen, gelingt ihnen das auf Landesebene nicht im selben Ausmaß. Zwar sind sie auch in Wien hochaktiv, leisten gute Oppositionsarbeit und kommunizieren ihre Positionen, kommen damit aber oftmals nicht durch. Dazu kommt auch Pech: So wurde die Untersuchungskommission zu parteinahen Vereinen, an sich ein aufgelegter Elfmeter für die Transparenzverfechter, weitgehend von der Corona-Pandemie überdeckt.
Krisenverlierer
Nicht das einzige Problem im Zusammenhang mit der Pandemie. Wie überall auf der Welt kommt hier der „rally ’round the flag“-Effekt zu Tragen, demgemäß sich die Bevölkerung in Krisenzeiten hinter der politischen Führung schart. Noch dazu, wenn die Zufriedenheit mit der Krisenbewältigung so hoch ist wie in Wien. Zusätzlich „nützt die Polarisierung durch die Angriffe auf Wien, etwa durch ÖVP-Innenminister Karl Nehammer, auch eher Rot-Grün“, analysiert Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.
Zuspitzung
Dominierte 2015 der „Kampf um Wien“ zwischen Michael Häupl und Heinz-Christian Strache den Wahlkampf, arbeitet vor allem die SPÖ bereits an einer erneuten Zuspitzung: Erstmals könnte eine Mehrheit gegen die SPÖ möglich sein, sollte das Team Strache den Einzug in den Gemeinderat verpassen. Größter Profiteur dieses abermaligen Kampfes ums rote Wien wäre, wie schon 2015, die SPÖ. Die Neos drohen ins Abseits zu geraten.
Der Spitzenkandidat
Christoph Wiederkehr mag sympathisch sein, ein guter Redner – ein großer Charismatiker ist er jedoch nicht. Das zeigen auch die Zahlen: Nur drei Prozent würden ihn direkt zum Bürgermeister wählen, bei den Frauen bilanziert der 30-Jährige überhaupt mit einer pinken Null. Wie sich zeigt, wird der Spitzenkandidat jedoch immer wichtiger (siehe: Kurz, Kogler, Doskozil, Kaiser). Auch Wiederkehrs Vorgängerin Beate Meinl-Reisinger besaß bereits 2015 überregionale Strahlkraft.
Wollen die Liberalen das Ruder doch noch in Richtung deutlicher Zugewinn herumreißen, müssen sie ein Aufregerthema besetzen. Doch woher nehmen? Es ist schwer, den pinken Forderungen nach besserer Bildung und Transparenz zu widersprechen. Die Wählerschaft damit zu emotionalisieren, jedoch ebenso.
Angesichts dieser Ausgangsposition findet Stainer-Hämmerle die aktuellen Werte „gar nicht schlecht – obwohl man sich in Wien natürlich mehr erwarten könnte“.