Chronik/Wien

Sterbehilfe und Kopftuchverbot: Höchstrichter entscheiden heute

Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat es sich nicht leicht gemacht. Seit Juni beraten die Höchstrichter bereits über das derzeit gültige Verbot der aktiven Sterbehilfe in Österreich. Am Freitag um 17 Uhr soll die Entscheidung nun bekannt gegeben werden.

Vier Antragsteller, darunter zwei Schwerkranke, halten das Verbot sowie jenes betreffend der Mitwirkung am Suizid für verfassungswidrig und haben daher die Aufhebung dieser beiden Bestimmungen des Strafgesetzbuches beantragt.

Nach Paragraf 77 und 78 des Strafgesetzbuches ist aktive Sterbehilfe (Tötung auf Verlangen) sowie Mitwirkung am Suizid verboten. Beides wird mit Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft. Die Antragsteller argumentieren, dass durch die geltende Rechtslage leidende Menschen gezwungen werden, entweder entwürdigende Verhältnisse zu erdulden oder - unter Strafandrohung für Helfer - Sterbehilfe im Ausland in Anspruch zu nehmen.

Lange Beratungen

Der Fall war bereits im Juni Gegenstand von Beratungen des VfGH – die Entscheidung wurde vertagt. Zur weiteren Klärung gab es im September eine öffentliche mündliche Verhandlung, bei der die Antragsteller und Vertreter der Regierung ihre Argumente vorbringen konnten.

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Anders als in Deutschland ist in Österreich nicht nur die "Tötung auf Verlangen" strafbar. Auch wer andere beim Suizid unterstützt, muss mit sechs Monaten bis fünf Jahren Haft rechnen. Die Richter konzentrierten sich zuletzt vor allem auf die zweitere Bestimmung - also auf das Verbot der "Mitwirkung am Selbstmord“.

Die Regierung führte in der Verhandlung im September vor allem das "Missbrauchspotenzial einer liberalisierten Sterbehilferegelung" gegen die Aufhebung ins Treffen. Das Verbot der aktiven Sterbehilfe diene dem Schutz des Lebens anderer und entspringe der Schutzpflicht des Staates gegenüber vulnerablen Personen, argumentierte die Regierung.

Die Antragsteller sehen mit dem Verbot der Sterbehilfe dagegen diverse Grundrechtsbestimmungen verletzt - darunter das Recht auf Familienleben, die Religionsfreiheit und die Achtung der Menschenwürde. Zwei der vier Beschwerdeführer begründeten ihren Antrag mit schweren, unheilbaren Krankheiten.

Ein weiterer Antragsteller ist Arzt und argumentierte, er sehe sich häufig mit dem Wunsch von Patienten nach Suizidhilfe konfrontiert, könne dem aber nicht nachkommen, ohne sich straf- und disziplinarrechtlichen Konsequenzen auszusetzen.

Häufig landeten die beim VfGH angefochtenen Delikte übrigens nicht vor Gericht: die Statistik Austria vermerkt seit 2012 nur zwei Verurteilungen wegen "Mitwirkung am Selbstmord" und keine Verurteilung wegen "Tötung auf Verlangen". Einer der Antragsteller verweist allerdings darauf, schon selbst rechtskräftig verurteilt worden zu sein, weil er seine schwer kranke Gattin beim Suizid unterstützt habe.

Entscheidung zum "Kopftuchverbot"

Schon eine Stunde früher, also um 16 Uhr, wird die Entscheidung eines weiteren umstrittenen Themas verkündet: Das Verhüllungsverbot in Volksschulen - das sogenannte "Kopftuchverbot". Seit einer Novelle des Schulunterrichtsgesetzes 2019 ist es Volksschülern untersagt, "weltanschaulich oder religiös geprägte Bekleidung" zu tragen. Konkret geht es um das Kopftuch für Volkssschülerinnen.

Eltern von zwei Kindern wollen das nicht akzeptieren. Sie sehen diese Vorschrift als unverhältnismäßigen Eingriff in das Recht auf Religionsfreiheit. Das Tragen des Kopftuchs sei Teil der Glaubenspraxis im Islam. Außerdem verletzte die Vorschrift den Gleichheitsgrundsatz - das Tragen der jüdischen Kippa oder die Patka der Sikhs ist davon nämlich nicht betroffen.