Chronik/Wien

Sigrid Pilz will wieder Patientenanwältin werden

Mit ihrer harschen Kritik an Missständen in einzelnen Arzt-Ordinationen und an den Auswüchsen der Zwei-Klassen-Medizin wurde Wiens Patientenanwältin Sigrid Pilz zum roten Tuch für die Ärztekammer. Zuletzt machte sie sich mit ihrer Forderung nach scharfen Corona-Maßnahmen ebenfalls nicht nur Freunde.

Pilz könnte ihren Gegnern nun weitere fünf Jahre erhalten bleiben. Die gelernte Sozialwissenschafterin und ehemalige grüne Gemeinderätin bewirbt sich nach Ablaufen ihrer zweiten Amtszeit ein weiteres Mal für diesen Posten. Das verrät sie dem KURIER, nachdem nun die Ausschreibung vorliegt.

Für ihre nächste Amtszeit hat die 64-Jährige bereits eine Reihe von Plänen: „Zentraler Punkt ist eine stärkere Einbindung der Patienten – etwa, indem man ihre Gesundheitskompetenz stärkt“, sagt sie.

Weiters plädiert sie für den Ausbau von Einrichtungen, die sich um die Folgen der Covid-Pandemie kümmern – also Behandlungsmöglichkeiten für Long-Covid-Patienten oder Reha-Einrichtungen. „Wichtig ist, dass es dabei zu keiner Konkurrenz zu bestehenden Strukturen kommt.“

Ein weiteres Anliegen ist Pilz die Entlastung der Spitäler durch den Ausbau des niedergelassenen Bereichs – etwa durch Primärversorgungseinheiten.

Aufdeckerin

An Erfahrung sollte es Sigrid Pilz jedenfalls nicht mangeln: Von 2001 bis 2012 war sie Gemeinderätin. Als grüne Gesundheitssprecherin war sie maßgeblich an der Aufdeckung von Missständen im Pflegeheim Lainz beteiligt. Um Missstände kümmerte sie sich auch in ihrer neuen Funktion – vor allem, wenn es um solche im niedergelassenen Bereich ging.

Für Aufsehen sorgte etwa der von ihr ans Licht gebrachte Fall einer Wiener Abtreibungsärztin: Bei mehreren Patientinnen war es über Jahre hinweg zu massiven Komplikationen gekommen. Scharf geißelte Pilz zudem immer wieder die privaten Nebenbeschäftigungen von Ärzten in öffentlichen Spitälern.

Zuletzt standen Ärzte im Fokus ihrer Kritik, die unter den Augen der Standesvertretung Methoden wie Homöopathie anbieten, deren Nutzen wissenschaftlich nicht erwiesen sei. Dies, kritisierte Pilz, sei mitverantwortlich für den zuletzt relativ großen Erfolg von Impfgegnern, wie etwa der MFG.

Konflikte mit Ärztekammer

Ihr Lieblingsgegner, die Ärztekammer, antwortete ihrerseits mit scharfen Attacken. Das Kräftemessen ging sogar so weit, dass die Wiener Ärztekammer im Jahr 2013 – quasi als Konkurrenz zu Pilz – den eigenen Posten eines Patientenombudsmanns schuf, der mit dem ehemaligen WGKK-Obmann Franz Bittner besetzt wurde.

Funktion
Aufgabe der  Pflege- und Patientenanwaltschaft ist die Unterstützung und  Durchsetzung der Rechte von Patienten im Gesundheits- und Pflegebereich

Beispiele
Prüfung von Schadensfällen nach medizinischen Behandlungen, Beratung im Zusammenhang mit einer Patientenverfügung, Anlaufstelle für rechtliche Fragen rund um ELGA

Statistik
Von  1992 bis Ende 2020 wurden in insgesamt 4.571 Schadensfällen Entschädigungen von  31,8 Millionen Euro erreicht. Dazu kommen  die Hilfen im Rahmen der  Härtefallregelung  (5,9 Mio. €) und des Patientenentschädigungsfonds (27,4 Mio. €)

All das führte dazu, dass sich Pilz – gemeinsam mit dem ähnlich umtriebigen niederösterreichischen Patientenanwalt Gerald Bachinger – in den vergangenen Jahren einen hohen Bekanntheitsgrad aufbauen konnte, während die Patientenanwälte in den anderen Bundesländern sehr dezent vor sich hinwerken.

Bei ihren Parteikollegen kam das selbstbewusste Auftreten an. Und so war sie im Vorjahr heiße Kandidatin für die Nachfolge des glücklosen Rudolf Anschober als Gesundheitsminister. Letztlich schlug sie dieses Angebot aber aus.

Derzeit ist Pilz auch Mitglied des ORF-Stiftungsrats, der sich Ende Mai neu konstituiert. Dem Vernehmen nach gilt sie als aussichtsreiche Kandidatin für den Vorsitz-Posten, sollte der ursprüngliche grüne Favorit Lothar Lockl dafür nicht mehr in Frage kommen. Lockl kam zuletzt wegen diverser Beratertätigkeiten und möglichen Unvereinbarkeiten unter Druck.

Politische Brisanz

Pilz’ nach 2012 und 2017 bereits dritte Bewerbung als Patientenanwältin birgt unterdessen ebenfalls eine gewisse politische Brisanz. Die entscheidende Frage ist, ob sie als Grüne auch unter der rot-pinken Koalition weitermachen kann. Bis 1. Mai läuft die Bewerbungsfrist. Bis dato ist noch offen, ob und welche weiteren Kandidaten mit Pilz ins Rennen gehen werden.

In Rathauskreisen gibt man sich derzeit noch bedeckt: Jeder, der wolle, könne sich bewerben, heißt es etwa im Neos-Umfeld. Einen eigenen Regierungskandidaten werde es nicht geben. Schließlich, sagt man, sei der pinke Anspruch auf Transparenz bei Postenbesetzungen mehr als ein Lippenbekenntnis.

FPÖ fordert Hearing

Häufig in Konflikt geraten war Pilz in den vergangenen Jahren auch mit der FPÖ. Deren Gesundheitssprecher Wolfgang Seidl kritisiert, dass Pilz’ bisherige Bestellungen reinem Postenschacher geschuldet gewesen seien. Er fordert nun ein Hearing vor dem Gesundheitsausschuss im Gemeinderat.

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„Zukünftig braucht es eine kompetente Persönlichkeit, die sich ohne Wenn und Aber für die Anliegen der Patientinnen und Patienten einsetzt.“

Auf solche Forderungen angesprochen , gibt sich Pilz gelassen. Sie hätte kein Problem, sich einem solchen Hearing zu stellen. „Aber es ist nicht meine Entscheidung, ob es ein solches gibt.“