HTL-Schüler chattete mit Attentäter von Bratislava und rief zu Anschlägen auf
Von Anja Kröll
Sie geben sich in Chats selbst Namen wie Teuton, Captain oder v00rm. Die Mitglieder der sogenannten Feuerkrieg Division (FKD). Eine besonders gefährlich, gewaltbereite, internationale vernetzte Gruppe von Rechtsextremisten, die sich in verschlüsselten Nachrichten über ihr rechtes Gedankengut austauscht.
Chat-Räume, in denen folgende Dinge besprochen werden: Wie baue ich eine Rohrbombe? Wie gelingt eine Waffe aus dem 3-D-Drucker? Wie können Chats noch besser verschlüsselt werden? Wie verübe ich einen Anschlag?
Einer von ihnen dürfte auch ein Wiener HTL-Schüler, gewesen sein, wie am Freitag bekannte wurde. Sein Chatname: unbekannt.
Die Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) hat den Österreicher als mutmaßliches Mitglied der „Feuerkrieg Division“ ausgeforscht, wie das Innenministerium mitteilte.
Der damals 17-Jährige war bereits im Jahr 2020 bei internationalen Ermittlungen ins Visier geraten. Damals wurde eine aus Estland agierende Gruppe der FKD zerschlagen, der auch der Wiener angehört haben soll.
Zugriff auf Messenger-Dienste gefordert
Doch der Polizei gelang es 2020 nicht, den Burschen mit letzter Sicherheit zu überführen. Wieder einmal sollte es die geltende österreichische Rechtslage sein, durch die den Ermittlern die Hände gebunden waren.
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Denn sobald Täter in Messenger-Diensten wie Signal, Whatsapp oder Telegram kommunizieren, enden die Befugnisse der heimischen Behörden. DSN-Direktor Omar Haijawi-Pirchner fordert bereits zum wiederholten Male mehr gesetzliche Möglichkeiten zur Überwachung von Extremisten. Er will Zugriffe auf Apps wie Messenger Dienst, Mikrofone und Bewegungsdaten. Bisher blieben die Vorschläge politisch unbeantwortet.
Im konkreten Fall des Wiener HTL-Schülers sollte eine Ausforschung daran scheitern, dass heimische Provider den Ermittlern zunächst keine Informationen über den jungen Burschen lieferten. Den finalen Treffer sollte erst ein Provider aus Neuseeland zur Verfügung stellen. Nicht im Jahr 2020, sondern erst 2023.
Aufruf zu Anschlägen
Dabei soll der Bursche in den Chats eindeutig zu rechtsterroristischen Anschlägen (außerhalb Österreichs, offenbar in Amerika oder England, Anm.) aufgerufen haben, sowie die Verbreitung bzw. Anleitung zum Bau von Bomben oder Waffen aus dem 3D-Drucker geteilt und andere Mitglieder in Datenverschlüsselung unterrichtet haben.
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Am 17. Mai war es dann so weit: Bei einer von der Staatsanwaltschaft Wien angeordneten Hausdurchsuchung gelang der DSN die Sicherstellung von einschlägigem Beweismaterial. Die Operation fand mit Unterstützung des Landesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung Wien sowie der Anti-Terroreinheit Cobra an drei Adressen statt. Darunter auch eine in Floridsdorf.
Das sichergestellte Beweismaterial bestand unter anderem aus Schusswaffen, Hieb-und Stichwaffen sowie Schreckschusswaffen, Gegenständen mit NS-Bezug und diversen Datenträgern.
Verdächtiger hatte Kontakt zum Attentäter von Bratislava
Der Bursche befindet sich auf freiem Fuß. Gegen ihn wurde ein Waffenverbot ausgesprochen. Zuvor soll er über einen Waffenschein der Klasse C verfügt haben. Die Entscheidung der Justiz überrascht. Denn der HTL-Schüler soll in Chatgruppen offenbar auch Kontakte zum Attentäter von Bratislava gehabt haben.
Der erst 19-Jährige hatte im Oktober 2022 vor einem als Treffpunkt der LGBTQIA-Szene bekannten Lokal zwei junge Männer erschossen und eine Frau schwer verletzt. Anschließend veröffentlichte er in digitalen Netzwerken Hassbotschaften und eine Art Manifest mit homophoben, antisemitischen und rechtsextremen Inhalten, ehe er sich selbst tötete.
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Über welche Inhalte sich die jungen Männer ausgetauscht haben, ist nicht bekannt. Die Feuerkrieg-Division, eine Nachahmergruppe der rechtsterroristischen Atomwaffen Division, ist aber bekannt als Anlaufstelle für extrem junge Rechte. So wurde einst ein erst 13-jähriger Anführer verhaftet.
Auswertung läuft
Die Ermittlungen der DSN dauern derzeit jedenfalls noch an. Wichtige weitere Ermittlungsschritte sind insbesondere die forensische Auswertung der sichergestellten Datenträger.
660 Anzeigen im Vorjahr
Innenminister Gerhard Karner teilte per Aussendung mit: „Die DSN hat einmal mehr gezeigt, wie konsequent und intensiv seit langem gegen jede Form von Extremismus vorgegangen wird. Alleine im vergangenem Jahr wurden mehr als 660 Personen wegen rechtsextremistischer Straftaten zur Anzeige gebracht, mehr als 100 Hausdurchsuchungen wurden vorgenommen und 37 Festnahmen wurden vollzogen.“
Besteht der Verdacht einer NS-Wiederbetätigung, können alle Hinweise – auch anonym – bei der NS-Meldestelle der DSN eingebracht werden: ns-meldestelle@dsn.gv.at
Diese Meldestelle dient der Generierung von staatsschutzrelevanten Hinweisen betreffend NS-Wiederbetätigung. Bei Gefahr im Verzug oder sonstigen Notfällen ist immer der Notruf unter den Nummern 133 oder 112 zu wählen, heißt es seitens des Ministeriums.
Omar Haijawi-Pirchner, Direktor der DSN: „Dieser Fall zeigt, dass Radikalisierung und die Anonymität des Internets eine gefährliche Kombination darstellen, welche die Ermittlerinnen und Ermittler vor extreme Schwierigkeiten stellt. Ich danke meinen Kolleginnen und Kollegen für die intensive, schwierige Ermittlungsarbeit.“
Auch wenn der Chatname des verdächtigen HTL-Schülers aus Wien nicht bekannt ist. Jene zwei Männer, die durch seinen 19-Jährigen Internetfreund beim rechtsextrem motivierten Anschlag in Bratislava starben, hatten Namen. Sie hießen: Juraj und Matus.