Landeskongress: Grünes Doppel gegen die SPÖ
Wirklich erfolgreich war das Konzept bisher nie: Für Doppelspitzen sind politische Parteien schlicht nicht gemacht. Es braucht rasche Entscheidungen und klare Linien – und spätestens bei der nächsten Wahl müssen die Funktionäre auf einen Spitzenkandidaten (oder eine Spitzenkandidatin) eingeschworen werden. Auch die Wähler brauchen eine Identifikationsfigur, Bekanntheitswerte sind in der Politik eine harte Währung.
Die Wiener Grünen lassen sich von alldem nicht beirren: „Politik ist keine One Man Show“ plakatieren sie – und bewerben ihr Führungsduo, das im Vorjahr von der glücklosen Birgit Hebein übernommen hat.
Die Quereinsteigerin Judith Pühringer und der Polit-Profi Peter Kraus – der sein Handwerk bei der ersten grünen Vizebürgermeisterin in Wien, Maria Vassilakou, gelernt hat – teilen sich bei den Grünen die Parteiführung.
Das wirkt charmant – und passt irgendwie zum Stil der Partei. Aber kann es auch zum Erfolg führen?
Innerhalb der Partei ist man mit den beiden zufrieden: „Ich habe es selten erlebt, dass die Partei so geschlossen ist“, sagt ein langgedienter Funktionär, der anonym bleiben will. „Die beiden arbeiten perfekt zusammen“, sagt ein anderer. Nicht einmal in internen Chatgruppen würden gröbere Kontroversen ausgetragen. Ungewöhnlich für eine Partei, die berüchtigt ist für interne Richtungskämpfe.
Die große Bewährungsprobe für die beiden – sprich: eine Wahl – steht freilich noch aus. „Noch brauchen sie Zeit. Sie müssen daran arbeiten, jeweils ein stärkeres Profil zu gewinnen, um jeweils unterschiedliche Zielgruppen anzusprechen. Das wird noch kommen“, sagten Insider.
Niedrige Umfragewerte
Die Werte sind tatsächlich ausbaufähig: Bei einer – fiktiven – Bürgermeister-Direktwahl würden 4 Prozent der Wähler Pühringer ihre Stimmen geben, 3 Prozent hingegen Kraus. Das ergab im März eine OGM-Umfrage im Auftrag des KURIER.
Noch interessanter ist die Betrachtung jener Befragten, die sich als Grün-Wähler deklarieren: Hier würden 21 Prozent für Pühringer votieren, 13 Prozent für Kraus. Die meisten würden ihr Kreuz bei SPÖ-Chef Michael Ludwig machen.
Wasser auf den Mühlen
Als sich Pühringer und Kraus am Wochenende in einer Landesversammlung der Parteibasis stellten, war von Umfragewerten freilich wenig die Rede. Vielmehr ging es darum, die rund 100 Delegierten auf eine gemeinsame Oppositionslinie einzuschwören.
In den Attacken fokussiert man derzeit klar auf eine Partei: die Wiener SPÖ. Warum das (zunehmend) gut funktioniert, hat mehrere Gründe.
Zum einen ist der Ärger vieler Grüner darüber, dass der einstige Koalitionspartner sie 2020 aus der Regierung gekickt hat, immer noch nicht verraucht. Die Kritik ist also authentisch.
Kernthema Klimaschutz
Zum anderen scheitert die SPÖ gerade an den grünen Kernthemen Klima- und Umweltschutz. Vor allem bei der Stadtstraße, wo die SPÖ junge Aktivisten verprellt hat, geht man auf Konfrontation. Dass ein roter Funktionär die Klimaschützer als „Heisln“ bezeichnet hat, ist Wasser auf den grünen Mühlen.
Die SPÖ „verliert meinen Respekt“, formulierte es Pühringer auf der Landesversammlung. Ludwig sei „ein Kapitän, der sehenden Auges auf einen Eisberg, einen Wirbelsturm und ein Seemonster zusteuere.“ Und stur auf dem Kurs bleibe, weil er sich irgendwann einmal für ihn entschieden habe. (Zugegeben: Kein ganz unpassendes Bild.)
Zurück in die Koalition?
Zu ihrer alten Form als akribische Aufdeckerpartei – die vor 2010 Missstände im Umfeld der roten Alleinregierung aufdeckte – haben die Grünen freilich noch nicht zurückgefunden. „Es gab damals auch mehr Skandale“, ist so mancher Grüner überzeugt. Andere sind froh, wenn man es sich mit der SPÖ nicht ganz verscherzt. „Wir sollten irgendwann wieder miteinander regieren.“ Schwieriger Spagat.
Die Grünen möchten 2025 zurück in die Stadtregierung, das ist kein Geheimnis. Umso schärfer kritisiert man die rot-türkise Annäherung in Wien: „Hinterzimmerpolitik“ nannte das Peter Kraus zuletzt im KURIER-Interview.
In der eigenen Partei wollen Kraus und Pühringer übrigens „durchlüften“, die Verärgerungen der Ära Hebein ausräumen und die Partei neu aufstellen. Das kündigten sie 2021 an. Ob das nachhaltig gelingt, wird sich erst weisen.