Es wird eng: Die große Parkplatzsuche in Wien
Von Anna-Maria Bauer
„Na, ich fahr’ ned weg!“, ruft die 75-jährige Ernestine S. dem Autofahrer zu. Dann putzt sie weiter ihr Auto. „Seit 14 Tagen steh’ ich jetzt schon da“, sagt sie zum KURIER. Da, das ist Am Kanal, Ecke Weißenböckstraße; jenem Grätzel in Simmering, in dem gerade nicht mehr das Parkpickerl notwendig ist. „60 Jahre leb’ ich da. Wir hatten immer Parkplätze. Aber jetzt? Alles voll! Ich trau mich nimma wegfahren.“ Sie deutet auf die gegenüberliegende Straßenseite. Fast jedes dritte Auto stammt nicht aus Wien, es sind Pendler aus Bruck an der Leitha, Wiener Neustadt, der Slowakei oder Ungarn.
Ernestine S. ist nicht die Einzige, die beim KURIER-Lokalaugenschein Donnerstagmittag klagt. „Es ist sehr ärgerlich“, sagt Robert Kornjatky. „Ich muss jetzt mit dem Bus zum Zentralfriedhof, um mein Auto abzuholen.“
Mit der Einführung des Parkpickerls lediglich in der Zone A von Simmering (wie es die Bewohner bei der Befragung gewünscht hatten) ist eingetreten, was Verkehrsexperten prognostiziert hatten: Engpässe im übrigen Teil des Bezirks. Der typische Verdrängungseffekt.
Mit jedem weiteren Bezirks-Parkpickerl schrumpfen die Stellplätze für die Pendler oder Wiener aus anderen Bezirken. 2016 gab es in der Stadt schon 220.000 gebührenpflichtige Stellplätze. Dazu kommen mehr als Zehntausend in Favoriten, Teilen Simmerings und bald auch in Döbling.
Gespräch in Simmering
In Simmering hat Bezirksvorsteher Paul Stadler ( FPÖ) reagiert. Am Donnerstag gibt es ein Gespräch mit Magistratsabteilungen. Dort werden die nächsten Schritte geklärt. Für ihn ist ein Pickerl für ganz Simmering „der einzige gangbare Weg. Fleckerlteppich will ich keinen.“
In Hietzing sind Mittwochabend einige Pro-Parkpickerl-Bewohner auf die Straße gegangen.
Bei Wienerlied-Musik und Süßspeisen sprachen sie mit Passanten über die – ihrer Meinung nach – „unerträgliche“ Parkplatzsituation und sammelten Unterschriften. Auf der gegenüberliegenden Seite hielten Gegendemonstranten Schilder mit den Zahlen der Befragung hoch. In allen Bezirksteilen hatte sich 2017 ein Großteil der Hietzinger gegen die Öffnung ausgesprochen.
Verkehrsexperte Harald Frey empfiehlt im KURIER-Interview dennoch ein Parkpickerl für Hietzing. Wenn im Sommer das Parkpickerl in Döbling in Kraft tritt, wird die Situation noch einmal enger werden.
Autos in Garagen
Doch: Muss der Parkraum in Wien wachsen? „Die Tendenz sollte sein, den öffentlichen Raum vom Parkplatz zu befreien und ihn dort zu organisieren, wo er sinnvoll ist“, sagt Harald Frey, Verkehrsexperte der TU Wien. „Etwa in den Garagen. Dort gibt es auch noch Kapazitäten.“
Für Auto-Pendler aus Niederösterreich oder dem Burgenland wird das Problem damit freilich nicht gelöst. Und die 10.490 Plätze in den 16 Wiener Park-and-Ride-Anlagen reichen für sie auch nicht.
Der ÖAMTC hat einen Vorschlag, der diesbezüglich Abhilfe schaffen könnte: „Wir fordern ein Zonenmodell für ganz Wien“, sagt ÖAMTC-Experte Nikolaus Authried. „Teures und kurzes Parken in der City, länger und billiger am Stadtrand. Dann können Pendler am Stadtrand wieder ganztags parken.“
Christoph Werderits aus Neusiedl am See hat Glück: „Mein Dienstgeber hat eine Tiefgarage mit vergünstigten Konditionen, davor musste ich den Parkschein alle drei Stunden verlängern.“ Kostenpunkt 16 Euro. Täglich.
Für Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) ist das Ziel aber ohnehin der Umstieg auf öffentlichen Verkehr vor der Stadtgrenze. Auch in Anbetracht der Tatsache, dass Wien stetig wächst.
Doch in den Park-and-Ride-Anlagen in Mödling, Stockerau, Baden oder Gänserndorf stößt man derzeit an die Grenzen, wie der Gänserndorfer Bürgermeister Rene Lobner (ÖVP) sagt. „Darum investiert das Land auch in neue Anlagen.“
Diese Investitionen können nur in Partnerschaft zwischen Wien und Niederösterreich passieren, betont Ludwig Schleritzko, NÖ-Landesrat für Verkehr: „Wien hat sich von 2012 bis 2015 an der Errichtung von 3730 zusätzlichen Stellplätzen beteiligt. Das waren 2,7 Mio. Euro.“