Wiener Anrainerparken: Verfassungsrechtler sieht Rechtswidrigkeit

Symbolbild
Raschauer: "Jede Wette: Das hält vor dem VfGH nicht". Es fehle etwa auch die Erhebung wichtiger Daten.

Mit 1. Dezember werden Anrainerparkplätze in Wien auch für den Lieferverkehr und Sozialdienste untertags geöffnet. Die Bezirke Innere Stadt und Josefstadt wehren sich weiter mit Händen und Füßen dagegen und haben sich dafür Unterstützung von Verfassungsrechtler Bernhard Raschauer geholt. "Jede Wette: Das hält vor dem Verfassungsgerichtshof nicht", lautete sein Fazit am Donnerstag.

Raschauer, der von den beiden ÖVP-geführten Bezirken mit einem Gutachten beauftragt worden war, sieht die entsprechende Verordnung der Stadt aus mehreren Gründen als nicht rechtskonform an, wie er in einer Pressekonferenz erläuterte. Erstens fehle die Erhebung wichtiger Daten - etwa bezüglich Folgewirkungen auf die Parkplatzsituation für Anrainer durch die Öffnung. Angesichts des bevorstehenden "Systemwechsels" brauche es aber eine derartige Grundlage.

Zweitens "besteht ein Mangel an der inhaltlichen Bestimmtheit". Denn die Verordnung mache nicht zweifelsfrei klar, für welche Bereiche oder Straßenabschnitte die Neuerung genau gilt.

Figl und Mickel bekräftigten Ablehnung

Beim dritten Punkt führt der Jurist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs (VfGH) ins Treffen. Dieser habe Ende 2016 festgehalten, dass es das Ziel von Anrainerparkzonen sei, der Wohnbevölkerung ausreichend Parkplätze in der Nähe ihrer Wohnung zu verschaffen und den Parkplatzverkehr zu reduzieren. Die bisher und aktuell noch geltende Regelung - also ohne die künftig vorgesehenen Ausnahmen für Lieferverkehr etc. - sei als "erforderlich" beurteilt worden. "Wenn die Wirkung einer höchstgerichtlich als erforderlich anerkannten Maßnahme nachträglich (durch die Öffnung, Anm.) reduziert wird, so indiziert dies per se die Gesetzeswidrigkeit der Änderung", heißt es auf Seite 6 des Gutachtens.

Die beiden ÖVP-Bezirkschefs Markus Figl (Innenstadt) und Veronika Mickel (Josefstadt) bekräftigten heute ihre Ablehnung der Parkplatzöffnung, die an Werktagen zwischen 8.00 und 16.00 Uhr gelten wird. Beide verwiesen auf das Funktionieren der jetzigen Regelung und befürchten steigende Stellplatznot für die eigenen Bezirksbewohner. Außerdem werde man die vorgesehenen Zusatzschilder, die die Erlaubnis für Lieferverkehr und Sozialdienste kennzeichnen, weder bezahlen noch aufstellen, zeigten sich Figl und Mickel einmal mehr kämpferisch. Andere Bezirke mit Anrainerparkzonen werden dies sehr wohl tun.

Laut Verfassungsrechtler Raschauer hat die Tafelfrage aber sowieso keine Auswirkung auf die Rechtmäßigkeit der Verordnung. Seiner Beurteilung nach stehen die Chancen nämlich in allen betreffenden Bezirken sehr gut, verhängte Strafen erfolgreich bekämpfen zu können: "Wer den Weg zum Gericht nicht scheut, wird gewinnen."

Kritik von Walter Ruck

Mickel selbst teilte mit, mit der Volksanwaltschaft bereits im Gespräch zu sein, um eine Verordnungsprüfung einzuleiten. Der zweite Weg, die neue Regelung zu Fall zu bringen, wäre, Bestrafungsfälle vor den VfGH zu bringen. Insofern appelliere man an Vassilakou, die Verordnung "noch rechtzeitig" zurückzunehmen.

Kritik mussten die beiden Bezirksvorsteher indes von Wiens schwarzem Wirtschaftskammerpräsident Walter Ruck einstecken. "Interessant ist, dass die anderen Bezirke den Sinn und das große Ganze in dieser Maßnahme sehen", zeigte Ruck in einem "Presse"-Interview am Donnerstag wenig Verständnis für die Ablehnung seiner beiden Parteifreunde. Tagsüber seien viele Anrainerparkplätze sowieso unbenutzt. Sie könnten nun von Handwerkern und Zuliefern genutzt werden. Der Kammerchef hatte die Öffnung mit Vassilakou vor geraumer Zeit paktiert.

Mickel konterte in der Pressekonferenz, in ihrem Bezirk gebe es schon jede Menge Ladezonen für die Wirtschaftstreibenden. Figl monierte, rund 1.500 Anrainerparkplätze in der City stünden dann etwa 20.000 parkberechtigten Unternehmern aus ganz Wien entgegen.

Raschauer prophezeite Ruck überhaupt ein böses Erwachen. Denn die in der Verordnung gemeinten Ausnahmefahrzeuge seien jene, die die Buchstaben "KT" für Kleintransporter auf der Nummerntafel stehen haben. "Das sind Paketzulieferer und dergleichen, aber das ist nicht der Servicetechniker, den der Herr Ruck meint", richtete der Jurist dem Präsidenten aus.

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