Chronik/Wien

Einsteiger, Umsteiger, Aufsteiger: Die neue Wiener Stadtregierung

Auf den ersten Blick hat sich mit Rot-Pink personell nicht viel geändert. Mit Christoph Wiederkehr gibt es nur ein neues Gesicht in der Stadtregierung. Die Neubesetzung des Verkehrs- und Umweltressorts sorgt für die meisten Diskussionen. 

Christoph Widerkehr: Am Ziel

Vom frustrierten Salzburger Schüler zum Wiener Bildungsstadtrat (und natürlich Vizebürgermeister): So könnte man Christoph Wiederkehrs bisherigen Lebensweg stark verkürzt darstellen.

Aus einem bürgerlichen Elternhaus stammend, fand der heute 30-Jährige seine politische Heimat früh im Liberalismus, zählt Heide Schmidt und Guido Westerwelle zu seinen politischen Vorbildern und ist einer der ersten pinken Verantwortungsträger, der nie bei einer anderen Partei war. 

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Wiederkehr gilt als harter Arbeiter und führte die Wiener Neos entgegen aller Unkenrufe zu ihrem besten Wahlergebnis  – und letztendlich in die Stadtregierung. In den kommenden fünf Jahren kann er nun in seinem Wunschressort beweisen, dass er auch umsetzen kann, was er gebetsmühlenartig forderte: eine signifikante Verbesserung der Situation der Wiener Schulen und Kindergärten.

Neu ist das Thema Bildung für ihn nicht: Wiederkehr war früher Bildungssprecher der Wiener Neos und arbeitete in dieser Funktion auch eng mit Parteigründer Matthias Strolz zusammen. 

Jürgen Czernohorszky: Der Umsteiger

Nur ungern trenne sich Jürgen Czernohorszky von seinen bisherigen Aufgaben, ist aus seinem Umfeld zu vernehmen. War doch der 43-jährige gebürtige Burgenländer mit Leib und Seele Bildungspolitiker.

Wie so viele sammelte er erste Erfahrungen in der Studentenpolitik, ehe er 2001 in den Gemeinderat wechselte. 2015 wurde er Stadtschulratspräsident, bald darauf Bildungsstadtrat. 

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Der Penzinger Bezirksparteichef gehört zum linken Parteiflügel und gilt als enger Vertrauter von Andreas Schieder, der 2018 im Duell um den Parteivorsitz gegen Michael Ludwig angetreten war. Wohl um dem unterlegenen Lager die Hand zu  reichen, durfte Czernohorszky dennoch im Regierungsteam bleiben. 

Erfahrungen für sein neues Ressort, Umwelt und Klima, konnte er im Gemeinderat als stv. Vorsitzender des Umwelt-Ausschusses sammeln.

Aus dem SPÖ-Regierungsteam sticht er mit seinem jugendlichen Auftreten hervor. Die zum Anzug getragenen Sneakers sind fast schon zu einem Markenzeichen geworden. Er nutzt intensiv die sozialen Medien, um jüngere Wähler anzusprechen.  

Ulli Sima: Die "Neue" in Hebeins Ressort

Es sei keineswegs ihr Wunsch gewesen, das Verkehrs- und Stadtplanungsressort zu übernehmen, ist aus dem Umfeld von Ulli Sima zu vernehmen. Nach 16 Jahren als Umweltstadträtin (kein aktuelles Regierungsmitglied ist länger als sie im Amt) steht die 52-jährige gebürtige Kärntnerin nun aber vor völlig neuen Aufgaben.

Sie übernimmt im Wesentlichen das Ressort der Grünen Birgit Hebein und soll dort beweisen, dass man in Wien keine Grünen braucht, um grüne Politik zu machen. Das passt insofern recht gut, weil sie schon vor der Wahl in Sachen Klimapolitik gerne mit Hebein in  den Wettstreit trat. 

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Begonnen hat Sima ihre Karriere sinnigerweise bei den Grünen und bei Global 2000, ehe sie zur SPÖ wechselte. Vielleicht liegt in dieser etwas untypischen Laufbahn der Grund dafür, dass sich Sima keinem Flügel der Wiener SPÖ klar zuordnen lässt.

Als Stadträtin konnte sie sich dennoch einen  beachtlichen Bekanntheitsgrad erarbeiten – etwa durch  Restriktionen für Hundehalter oder das Alkoholverbot am Bahnhof Praterstern. Aber auch durch einen gewissen Hang zur Selbstinszenierung: Ob ihr Bild auf den Info-Tafeln der Stadtwanderwege bleiben wird, ist noch nicht geklärt.

Kathrin Gaal: Die neue Vizebürgermeisterin

Sie gehört zu den Aufsteigern im SPÖ-Regierungsteam: Gemäß Wahlergebnis haben die Roten Anspruch auf einen zweiten Vizebürgermeister-Posten. (Den ersten hat man an Neos-Chef Wiederkehr verschenkt.) Ein Amt, mit dem Michael Ludwig seine enge Vertraute Kathrin Gaal belohnt.

Dabei stand die SPÖ-Wohnbaustadträtin in den vergangenen Jahren  vielleicht nicht so sehr  im Rampenlicht wie manche ihrer Regierungskollegen. 

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Die 44-jährige Tochter des früheren SPÖ-Nationalrats Anton Gaal  steht seit 2011 an der Spitze der SPÖ Favoriten – ein Bezirk, der lange trotz seiner großen Bevölkerungszahl  bei den Spitzenposten der Landespartei unterrepräsentiert war.

Michael Ludwig änderte das, als er die Parteiführung übernahm. Er holte Gaal 2018 bei seinem Amtsantritt  in das SPÖ-Regierungsteam. 

Dort trat sie Ludwigs Nachfolge im Wohnbau-Ressort an und führte im Wesentlichen seinen Kurs fort. Unspektakulär, aber auch ohne Pannen.

Die wohl wichtigste Neuerung in ihrer Amtszeit war die Einführung der Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“  – eine Verpflichtung, dass bei Neuwidmungen grundsätzlich zwei Drittel der Fläche für geförderte Objekte reserviert werden müssen. Daneben ist sie auch für die Frauenagenden zuständig. 

Peter Hacker: Nach der Krise ist vor der Krise

Manche lieben ihn dafür, andere können mit seinem Stil nichts anfangen. Aber nur wenige lässt Peter Hacker kalt. Mit seinen oft flapsigen Sprüchen und dem  polternden Auftreten gegen die Bundesregierung in der Corona-Krise wurde der Gesundheitsstadtrat auch über die Stadtgrenzen hinaus bekannt.

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Einen Namen machte er sich aber bereits während der Flüchtlingskrise 2015, als der damalige Chef des Fonds  Soziales Wien städtischer Flüchtlingskoordinator wurde. Seit dem Ausbruch der Pandemie muss er schon wieder den Krisenmanager spielen. Das gelang nicht immer ohne Pannen.

Ist die Pandemie vorbei, muss er sich wieder verstärkt um die Reform der kränkelnden Wiener Spitäler kümmern – die nächste Mammut-Aufgabe.

Peter Hanke: Ein Manager als Zukunftshoffnung

Schon bisher war Peter Hanke als Finanzstadtrat und Verbindungsmann zur Wirtschaft und zu konservativen Kreisen eine der zentralen Figuren in Michael Ludwigs Team.

Jetzt wird der frühere Wien-Holding-Chef weiter aufgewertet: Er erhält die Stadtwerke von Ulli Sima in sein Ressort – inklusive der öffentlichkeitswirksamen Wiener Linien.

Ob er an der frechen Selbstinszenierung der Verkehrsbetriebe etwas ändern wird, wird eine der  spannenden Fragen. Hanke ist das seriöse Gesicht der Wiener SPÖ, offensichtlicher Populismus ist seine Sache nicht.  

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Einen Namen gemacht hat sich Hanke mit dem Nulldefizit, das er (bevor Corona kam) in der Stadt erreicht hat. Nicht erst dadurch gilt er auch für den Bund als mögliche Zukunftshoffnung der SPÖ. 

Veronica Kaup-Hasler: Die Parteifreie

Veronica Kaup-Hasler, 1968 in Dresden geboren, kennt die Nöte der Künstlerschaft. Denn sie war u.a. Dramaturgin (bei den Wiener Festwochen) und Intendantin (des Steirischen Herbstes). Und ihr gelingt der Spagat: Sie ist quasi die Interessensvertreterin der Szene – in der Funktion der Kulturpolitikerin.  

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Michael Ludwig ging sicher ein Wagnis ein, als er 2018 Kaup-Hasler  zur Kulturstadträtin machte. Denn die parteifreie, der Sozialdemokratie nahe stehende Kaup-Hasler, die mit losem Mundwerk verblüfft, kann Politik nicht wirklich. Aber sie lernte sehr schnell.

Und sie ersparte dem Bürgermeister den Groll, den die Künstler im ersten Lockdown gegen die damalige Kulturstaatssekretärin Ulrike Lunacek (Grüne) hegten. Daher darf Kaup-Hasler weitermachen.