Begegnungszonen in Wien: Kein Ort der politischen Begegnung
Wenn eine grüne Vizebürgermeisterin persönlich ausrückt, um eine umgebaute Straße zu eröffnen, muss es um ein besonderes Projekt gehen. Das war bei Maria Vassilakou so. Und das hat sich auch bei ihrer Nachfolgerin Birgit Hebein nicht geändert: Sie wird heute vor versammelter Presse den Schlussstein der neuen Rotenturmstraße legen.
Der Abschnitt zwischen Schweden- und Stephansplatz wurde seit Juni in eine Begegnungszone umgebaut. Das heißt: Es gibt keine separate Fahrbahn mehr, sondern eine Ebene für Autolenker, Radfahrer und Fußgänger. Mit Bäumen und Brunnen, aber kaum Parkplätzen.
Das entspricht dem Kern grüner Verkehrspolitik. Kein Wunder, dass sich Hebein gerne mit dem Prestigeprojekt ablichten lässt.
Kein Foto für Figl
Nicht auf den Bildern sein will dagegen Markus Figl, ÖVP-Vorsteher in der Inneren Stadt. „Ich gehe dort bewusst nicht hin“, ließ er wissen. Denn Vassilakou habe die Begegnungszone „durchgedrückt“, ohne echte Einbindung der Bevölkerung.
Figl fürchtet weiters negative Effekte auf die Nebenstraßen. Durch die Sperre der Rotenturmstraße während des Umbaus wurde der Verkehr über den Bauern- und Fleischmarkt sowie den Laurenzerberg umgeleitet. „Die Anrainer befürchten, dass sich diese Route als Schleichweg etabliert, wenn die Rotenturmstraße als Begegnungszone runtergebremst ist“.
Diese Debatte veranschaulicht: Begegnungszonen sind nach wie vor ein politischer Spaltpilz. Dass sie auch die Bevölkerung bewegen, zeigt die KURIER-Bezirksumfrage. In der Inneren Stadt wären 50 Prozent der Befragten weitere Begegnungszonen „sehr wichtig“.
In allen befragten Bezirken liegt dieser Wert über 50 Prozent. In der Josefstadt ist er mit 63 Prozent am höchsten.
Nur in der Brigittenau gibt es Gleichstand: Hier halten je 49 Prozent das Thema für sehr wichtig oder nicht wichtig. (Falls Sie noch nicht mitgemacht haben: Bis Ende November haben Sie Gelegenheit dazu.)
Der KURIER hat nachgefragt, wie die Bezirksvorsteher zu Begegnungszonen stehen – und wo demnächst welche entstehen.
1. Bezirk
„Begegnungszonen sind nicht das Allheilmittel“, teilt das Büro von Markus Figl (ÖVP) mit. Grundsätzlich habe man nichts dagegen einzuwenden, aber: „Jede Gasse muss individuell betrachtet werden.“ Eine weitere Begegnungszone ist für den Michaelerplatz in Diskussion.
2. Bezirk
„Begegnungszonen bringen eine enorme Aufwertung des öffentlichen Raums“, heißt es aus dem Büro von Uschi Lichtenegger (Grüne). Man teile das Anliegen, den Verkehr auf diese Weise zu beruhigen.
Neue Zonen seien derzeit nicht geplant. Pläne für die Praterstraße will Lichtenegger im März vorstellen.
3. Bezirk
„Wo sie vernünftig sind, bin ich für Begegnungszonen“, sagt Erich Hohenberger (SPÖ). Rund um den Rochusmarkt sei das der Fall. Dort wird bis Mitte 2020 in einem Teil der Erdbergstraße eine solche Zone entstehen.
Wenn 2024 die Mehrzweckhalle in Neu Marx fertig ist, will Hohenberger auch die Nottendorfer Gasse umbauen.
4. Bezirk
„Die Verkehrsberuhigung hat für mich in einem innerstädtischen Bezirk absoluten Vorrang“, sagt Lea Halbwidl (SPÖ). Sie arbeitet gerade daran, dass die Schelleingasse im Bereich des Südtiroler Platzes bald formal als Begegnungszone ausgewiesen wird. Niveaugleich umgebaut ist sie bereits.
5. Bezirk
Susanne Schaefer-Wiery (SPÖ) sieht das Ergebnis der KURIER-Umfrage „äußerst positiv“. Die U2-Erweiterung lasse derzeit zwar wenig Spielraum für Umbauten. In Teilen der Reinprechtsdorfer Straße und in der Rüdigergasse strebe man dennoch eine Verkehrsberuhigung an. In welcher Form, ist noch offen.
6. Bezirk
In Mariahilf wird nächste Woche eine Begegnungszone fertig: die Otto-Bauer-Gasse.
„Wir werden in diese Richtung weiterarbeiten“, heißt es aus dem Büro von Markus Rumelhart (SPÖ). Seit Längerem kursiert die Idee für eine Begegnungszone bei der U-Bahn-Station Kettenbrückengasse, aber dafür fehlt das Okay des Marktamts.
7. Bezirk
„Begegnungszonen sind die Zukunft“, sagt Markus Reiter (Grüne). Bis Sommer 2020 wird die Neubaugasse in eine solche umgebaut. Und: Reiter lässt aktuell eine Begegnungszone in der Zollergasse planen.
8. Bezirk
Deutlich aufgeschlossener als ihr Parteikollege Figl ist Veronika Mickel-Göttfert (ÖVP) gegenüber Begegnungszonen. Sie sehe Potenzial dafür vor der Mittelschule Pfeilgasse. Einen Plan gibt es bereits, nun hoffe man auf finanzielle Unterstützung von Hebein.
9. Bezirk
„Begegnungszonen machen Straßen zu dem, was sie sind: öffentlicher Raum“, sagt Saya Ahmad (SPÖ). Nach Ende der Arbeiten an der U5 will sie in der Garnisongasse (von der Universitäts- bis zur Schwarzspanierstraße) eine solche Zone umsetzen.
20. Bezirk
Sehr reserviert gibt sich das Büro von Hannes Derfler (SPÖ): „Bei uns gibt es keine Straße, die man sinnvollerweise in eine Begegnungszone umbauen kann“.