Chronik/Österreich

Weihnachten einmal anders feiern

Aller Hektik zum Trotz: Für den Großteil der Menschen ist Weihnachten auch heute noch das Fest der Liebe und der Familie.

Zumindest, wenn man den Zahlen glaubt. 75 Prozent der Österreicher gaben in einer aktuellen Umfrage an, dass sie Weihnachten vor allem mit „Familie“ verbinden (siehe Grafik), „Stress“ und „Streit“ liegen – deutlich abgeschlagen – auf den hinteren Plätzen.

Doch auch wenn die Sehnsucht nach Familie, Ruhe und Besinnlichkeit besonders zur Weihnachtszeit groß zu sein scheint, verbringen immer mehr Österreicher die Weihnachtstage unkonventionell. Und das nicht unfreiwillig, sondern aus eigener Entscheidung.

Denn eines zeigt sich: Anders Weihnachten zu feiern, muss nicht gleichbedeutend sein mit Einsamkeit. Ganz im Gegenteil. Es heißt lediglich, dass man mit alten Traditionen bricht. Das können kleine Umbrüche sein, oder es ist etwas gewagter – wie Weihnachten am Strand oder einfach mal ganz ohne Familie (oder zumindest das, was man gemeinhin unter Familie versteht).

Wie es gefällt

Der KURIER begab sich auf die Suche nach jenen, die Weihnachten anders feiern als mit Familie und Festmahl. Und er wurde fündig: Es meldeten sich Menschen, die heuer erstmals ohne (die ganze) Familie, dafür am Strand feiern. Manche feiern heuer in der WG anstatt im Haus der Eltern, andere fahren spontan ins Hotel und wieder andere schwören dem Weihnachtsfest komplett ab. Was sie alle eint? Sie gestalten Weihnachten so, wie es ihnen am besten und schönsten erscheint.

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Eine eigene Tradition

Eigentlich mag sie Traditionen  ja sehr gerne. Und daher geht es, wenn Michaela Reisinger dieser Tage den Christbaum aufputzt, bei ihr vielleicht sogar traditioneller zu als bei manch anderen.
Geschmückt wird mit alten Holzfiguren, „einem Sammelsurium an Dingen, die sogar meine Omas ausgemistet haben“, wie die 32-Jährige erzählt. („Von zu viel Glitzer und vor allem Plastik am Baum halte ich gar nichts.“)  Den Heiligen Abend verbringt sie dann auch gemütlich zu Hause, mit Geschenken unter dem Baum und gebratener Ente.

Jedoch: Die Familie ist zu diesem Fest nicht geladen. Reisinger feiert – zum wiederholten Mal – mit ihrem Mitbewohner Yacine. Obwohl, an dieser Stelle würde Reisinger widersprechen. „Ich feiere sehr wohl mit meiner Familie. Aber mein Familienbegriff ist wohl etwas breiter“, sagt sie.
Ein Patchwork-KindIn den vergangenen Jahren habe sie immer stärker „das Bedürfnis gehabt, zu Weihnachten dort zu sein, wo ich mich wirklich zu Hause fühle“. Mit den Menschen,  „die dieses Zuhause  erst  zum Zuhause machen“. Und das sei  eben ihr Mitbewohner, mit dem sie sich seit knapp zehn Jahren eine Wohnung teilt.

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Dahinter steht eine Geschichte, die gar nicht so selten ist: Aufgewachsen ist Reisinger in einer Patchwork-Familie, weihnachtliches Termin-Durcheinander inklusive. Irgendwann hatten Mutter und Vater neue Beziehungen, es gab neue Stiefgeschwister, „und am Ende war es auch logistisch nicht mehr schaffbar“. Heute wird „zerstreut“ gefeiert, man trifft sich lieber rund um die Weihnachtstage. „Weihnachten dauert bei mir einfach länger.“

Einfach war es dennoch nicht für alle: „Manchen ist es egal, andere sind  ein bisschen eingeschnappt.“ Sie selbst ist glücklich so. Immerhin haben sie und ihr Mitbewohner damit selbst fast so etwas wie eine Tradition begründet.

Allein, zu zweit und heuer im Hotel

Es war im  Jahr 2006, als Margit Draxls Oma starb. Sie war das letzte verbliebene Mitglied ihrer Familie. Seitdem war Draxl „allein“, wie sie sagt. Und Weihnachten wurde zur Herausforderung. „Wenn du keine Familie hast, dann ist es nicht gerade einfach“, sagt Draxl, Sprecherin der Caritas Österreich. Im ersten Jahr hat sie sich in  die Arbeit gestürzt. Damals war sie noch Fernsehjournalistin  und bot eine Nachtreportage aus der Gruft an.  Arbeiten und Gutes tun – das schien eine gute Idee zu sein. Um zwei  Uhr Früh vom Job nach Hause zu kommen und gar nicht zu feiern, habe sich aber als nicht  so großartige Idee erwiesen.

Danach war Draxl bei Freunden eingeladen oder   allein zu Haus. Während Weihnachten bei Freunden  und deren Familien  besonders nett und locker gewesen sei („die Freunde fanden’s auch gut, weil die haben deshalb erst gar nicht zu streiten begonnen“), sei der Plan vom gemütlichen Weihnachtsabend zu Hause nicht aufgegangen: Entspannen auf der Couch, essen, wonach einem gerade ist  –  das klingt gut, aber:    „Es war hart“, erzählt Draxl.  „Man kriegt den Blues. Weihnachten macht einen rührselig.“

 

 

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Mittlerweile hat Draxl den richtigen Weg für sich gefunden. Nach dem vorjährlichen Weihnachten  zu Hause mit Ehemann und erstem  eigenen Christbaum verbringt sie die Feiertage heuer im Hotel: Ganz spontan. Angesichts der Verkühlung, die sie plagt, schienen ein paar Tage Erholung eine ganz plausible Variante.  Margit Draxl möchte anderen, die auch nicht dieses klischeehafte, perfekte Familien-Weihnachten feiern, Mut machen, es so zu feiern, wie sie es für am besten halten. „Es gibt so viele, denen es genauso geht“, sagt sie.   „Wir leben unterm Jahr unser Leben auch so, wie wir es wollen. Warum nicht auch zu Weihnachten?“   

Hannes allein zu Haus

Hannes liegt nicht viel an Weihnachten. Das war schon immer so, aber seit er selbst entscheidet, wie er diesen Abend verbringt, hat er die Feierlichkeiten Jahr für Jahr reduziert.
Heuer wird er gar nicht richtig feiern. „Warum ich Weihnachten nicht feiere, hat viele Gründe“, sagt Hannes.  Die „Schonung der Ressourcen“ sei aber der triftigste Grund. „Ich bin jedes Jahr am Verzweifeln, weil ich mit ansehen muss, wie immer die gleichen Dinge gekauft und verschenkt werden und dabei sehr oft wirklich nicht benötigt werden und dann nur herumliegen.“

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Dem Stress, den sich so viele Menschen rund um Weihnachten antun – Geschenke kaufen, verpacken und hoffen, dass sie gefallen – wollte er sich nicht mehr aussetzen.   
Auch mit dem Zwang, just an diesen Tagen im Jahr feiern zu müssen, könne er nichts anfangen. „Dass mir die Tradition oder meinetwegen die Religion sagt, wann ich meine Liebsten treffen muss, kann ich nicht nachvollziehen. Das will ich immer noch selbst entscheiden, auch wenn das für sie nicht immer leicht zu verstehen ist“, sagt Hannes.

Aus all diesen Gründen wird Hannes den Heiligen Abend heuer allein zu Haus verbringen und das machen, worauf er Lust hat. Was das ist, wird sich  im Laufe des 24. Dezember weisen.

Ein letztes Mal noch richtig jung sein

Wenn sich Christoph Wiesner und seine Freunde dieses Jahr die Weihnachtsgeschenke überreichen, dann tun sie das bei erwarteten 25 Grad – und vielleicht mit etwas Sand zwischen den Zehen. Der 31-jährige DJ ist mit sechs seiner engsten Freunde dieses Jahr kurz vor Weihnachten nach Costa Rica aufgebrochen.

Für Wiesner ist die Reise besonders, sie hat fast etwas von einem kleinen Abschied: „Es ist, als ob es die letzte Reise wäre, bevor wir alle seriös werden, heiraten und Kinder kriegen.“ Seine Schwester ist gerade schwanger. „Künftig wird es also wichtiger, dass wir alle zum Fest in Wien sind.“
 

 

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Dieses Jahr hat sich Wiesner einen Teil seiner Familie einfach mitgenommen.  Zu seinen Freunden zählt auch sein Bruder. „Weihnachten in unbekannter Umgebung zu erleben, aber dennoch  umgeben von engen Vertrauten, das ist spannend“, sagt er.

Die Mama ist zu Hause geblieben. „Sie findet es natürlich schade, dass wir beide nicht da sind. Aber sie freut sich gleichzeitig für uns, dass wir das erleben dürfen.“
Und: Ganz entgehen lassen wollte sich die Familie das gemeinsame Fest natürlich nicht. „Wir haben dieses Jahr etwas geschummelt und einfach schon drei Tage vorher mit meiner Mama gefeiert. Ausnahmsweise.“

- Julia Schrenk, Christoph Schwarz