Chronik/Österreich

Richter meint: Rapid ist keine Religion

Die „Förderung von Integration“ und die „Sicherung des friedlichen Zusammenlebens“ sind die Ziele des Anti-Gesichtsverhüllungsgesetzes – besser bekannt als Burkaverbot. Und genau dieses trifft jetzt auch Fußballfans. Und zwar jene, die sich vermummen.

Allerdings: In zwei Fällen mit Rapid-Anhängern entschied der Richter zugunsten der Fans. Denn der Gesetzgeber habe damit eigentlich die religiöse Verschleierung verhindern wollen. Sprich: Rapid ist keine Religion.

Die beiden Fälle, die im Landesverwaltungsgericht Wien verhandelt wurden, haben keinen direkten Zusammenhang.

Gesetz nicht anwendbar

In einem Fall schwenkte ein vermummter Fan eine Fahne im Stadion. Mithilfe der Videoüberwachung wurde der vermeintliche Täter ausgeforscht. Doch vor Gericht blieben Zweifel, ob es sich um den Beschuldigten handelt.

Im zweiten Fall war klar, wer der Vermummte war. Rapid- und Austria-Fans waren in Wien-Favoriten aneinandergeraten. Die Fäuste flogen. „Der Fan war nicht in die Schlägerei verwickelt“, betont Helmut Mitter von der Rechtshilfe Rapid.

Allerdings: Der Mann war mit einer Sturmhaube vermummt. Die Polizei zeigte ihn an. Der Fan wehrte sich – und ging zu Gericht. Dort bekam er recht.

Denn: Das Gesetz sei hier nicht anwendbar. Der Richter selbst habe laut Mitter in der Verhandlung eine Präzisierung vom Gesetzgeber gefordert. Beide Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Mehrere Anzeigen

Für die Rechtshilfe sind diese Entscheidungen trotzdem ein Meilenstein. „Wir haben schon von Anfang an befürchtet, dass man dieses Gesetz auch bei Fußballfans anwenden wird“, sagt Mitter. Und das würde man in diesem Jahr voll zu spüren bekommen.

Die beiden Fälle, die gerade in Wien vor Gericht gelandet sind, seien nur die Spitze des Eisbergs. „Ich weiß allein von fünf derartigen Verfahren mit Rapid-Fans. Ganz aktuell zum Beispiel in St. Pölten.“

Die Mehrheit der betroffenen Fußballanhänger würde es aber nicht auf ein Gerichtsverfahren ankommen lassen. „Die meisten zahlen die Strafe einfach“, glaubt Mitter.

Verstöße gegen das Burkaverbot werden mit Strafen bis zu 150 Euro geahndet. In der Praxis bereite das Burkaverbot keine Probleme, betont Manfred Reinthaler, Leiter der Pressestelle der Wiener Polizei. 28 Anzeigen gab es im Jahr 2019. Nur zwei betrafen Fußballfans.

Auch Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk sieht das Gesetz ausreichend präzise formuliert. Und er hegt Zweifel an der Auffassung des Gerichts: „Das Gesetz ist klar geregelt. Im Gesetzestext spielen religiöse Gründe keine Rolle. Darüber wurde vorab eine ausführliche Debatte geführt – anderen Falls hätten wir auch ein Problem mit religiöser Diskriminierung.“

Und Funk erinnert an Amtshandlungen mit „vermummten“ Besuchern von Weihnachtsmärkten oder von gesundheitlich beeinträchtigen Personen mit Mundschutz.