Prozess gegen mutmaßliche Schlepper in Linz gestartet
Von Petra Stacher
Zwei Rollwagen werden in den Gerichtssaal am Linzer Landesgericht geschoben. Stapelweise liegen Akten darauf. Nach der Reihe werden sie in das Regal geschlichtet, das extra für diesen Fall hinter dem Richter aufgestellt wurde. Am anderen Ende des Gerichtssaals nehmen derweil die Angeklagten – teilweise in Handschellen – Platz. 13 an der Zahl.
Es ist der erste Verhandlungstag des Schlepper-Prozesses in Linz. Eigentlich sollten 14 wegen mutmaßlicher Schlepperei und krimineller Vereinigung vor den Richter treten. Einer schied aus.
Zwischen 23 und 46 Jahre sind die Angeklagten alt. Sie alle lebten zuletzt in Oberösterreich oder Wien. Mit einer Ausnahme besitzen sie die irakische Staatsbürgerschaft. Einer ist Brite und hat einen Lebensmittelhandel in Wien. Er sei laut Staatsanwalt die „gemeinsame Klammer“ in dem „komplexen“ Fall.
Anonymer Hinweis
Schon allein die Aufnahme der Personalien dauert etwa zwei Stunden – die meisten brauchten einen Dolmetscher. Danach begann der Staatsanwalt mit seinen Ausführungen. Die Angeklagten hätten „in unterschiedlicher Zusammensetzung und Intensität“ die vorgeworfenen Straftaten begangen.
Anfang April 2019 wurden die Ermittlungen aufgenommen. Grund dafür sei ein anonymer Hinweisgeber gewesen. Dieser hätte geschildert, wie Flüchtlinge über die Grenze gebracht wurden: Kurz vor der Grenze hätte man die Flüchtlinge aussteigen lassen. Zu Fuß hätten diese die grüne Grenze überquert. Danach wurden sie wieder abgeholt.
Schwierige Ermittlungen
Generell sollen sich die Angeklagten geschickt angestellt haben: Regelmäßig wurden die Autos gewechselt, immer wieder fuhren auch Pkw vor, um Kontrollen auszukundschaften. Die Polizei erstellte mittels Peilsendern Bewegungsprofile. Als die Verdächtigen merkten, dass die Ermittler ihnen auf der Spur waren, löschten sie ihre Chatverläufe, so der Staatsanwalt.
Drei Gruppen kristallisierten sich schließlich heraus. Kennen würden sich die Angeklagten deshalb nur teilweise untereinander. Insgesamt sollen sie aber etwa 100 Leute, die aus dem Irak, Syrien oder dem Iran nach Österreich geflüchtet waren, weiter nach Deutschland gebracht haben. 300 bis 400 Euro hätte jeder der Geflüchteten dafür bezahlt.
Der "Banker"
Das Geld soll der 35-jährige Brite verwaltet haben, den der Staatsanwalt als „Banker“ bezeichnet. Rund 97.000 Euro wurden bei ihm sichergestellt. Die Staatsanwaltschaft legt ihm zur Last eine fünfstellige Summe mittels des sogenannten Kafala-Systems an einen möglichen Hintermann verschoben zu haben.
Beim Kafala-System handelt es sich um ein im arabischen Raum übliches Zahlungssystem, das keinerlei Regularien unterliegt und sich daher auch nur schlecht nachvollziehen lässt.
Laut seinem Verteidiger besaß er das Geld jedoch, um frisches Obst und speziellen Alkohol für seinen Laden zu kaufen – man bezahlte das üblicherweise bar. Im Gegensatz zu vielen anderen bekenne sich sein Mandant deshalb nicht schuldig. Die Einvernahmen stehen noch aus.
18 Verhandlungstage sind vorerst für den Prozess anberaumt. Erst am 24. Juni wird das Urteil erwartet. Bei Schuldsprüchen im Sinne der Anklage drohen den Männern Strafen zwischen einem und zehn Jahren.