Chronik/Österreich

Der Spionageskandal rund um Egisto Ott: Was bisher geschah

Es war der Karfreitag 2024, der das Sicherheitsgefüge in Österreich verändern sollte.

Um 6.15 Uhr vor drei Wochen marschieren 31 Beamte der Spezialeinheit Cobra, des Bundeskriminalalmts, des Landeskriminalamts Oberösterreichs und Kärnten, sowie der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst vor einem Haus in der kleinen Kärntner Gemeinde Paternion auf. Mit einem Haftbefehl gegen einen, der einst einer von ihnen war: Ex-Verfassungsschützer Egisto Ott.

Dem 61-Jährigen wird unter anderem vorgeworfen, für den russischen Geheimdienst FSB spioniert und sensible Informationen an Politiker geleakt zu haben. Alles im Auftrag des einstigen Wirecard-Vorstands Jan Marsalek, der von Moskau aus die Fäden gezogen haben soll. Teil des möglichen Spionagenetzwerks soll auch der ehemalige Vorgesetzte von Ott im Verfassungsschutz, Martin Weiss, gewesen sein. Er ist untergetaucht in Dubai.

Marsalek hält sich vermutlich in Moskau auf. Zu seiner Flucht soll ihm Weiss 2020 verholfen haben.

Der KURIER gibt einen Überblick, was seither ans Licht der Öffentlichkeit kam.

Der Fall um das mögliche Spionagenetzwerk ist einer voller Zeitsprünge. Und einer der zeigt - neu, ist all dies, was nun ans Licht kommt, bei Weitem nicht.

Verbindungsbeamter in der Türkei

Alles beginnt im Fall von Egisto Ott irgendwann zwischen 2010 und 2012. Ott ist in dieser Zeit Polizeiattache in der Türkei. Die CIA beobachtet, dass sich der Kärntner offenbar auffällig oft mit russischen Geheimdienstlern trifft. Und meldet dies der damaligen Arbeitsstelle von Ott: dem Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT). Doch dort fehlen die letzten Beweise, um gegen Ott vorzugehen.

Dies ändert sich offenbar im Jahr 2017. Ott soll sich damals elf Dokumente, unter denen auch solche, die als "Geheim" klassifiziert waren, von seiner Dienst-Email-Adresse, an seine private geschickt haben. In der Zeit von 2013 bis 2017 sollen so insgesamt 2.400 Mal Infos aus dem Amt abgeflossen sein. Ott wird suspendiert.

Bootsausflug mit Folgen

2017 ist auch das Jahr der Innenministerium-Handys. Am 10. Juli 2017 fallen bei einem Bootsausflug des Innenministeriums die drei Handys des nunmehrigen Bundespolizeidirektors Michael Takacs, des Ex-Kabinettschef Michael Kloibmüller und von Gernot Maier, Direktor des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, in einen Seitenarm der Donau. Takacs bringt die Handys zur Reparatur ins BVT. Zu seinem Bekannten Anton H. Dieser legt die Geräte in Reis ein und vermeldet dann, dass nichts mehr zu retten sei. Doch in Wahrheit gibt H. die Handys offenbar an seinen alten Bekannten Ott weiter.

Die Suspendierung von Ott wird schließlich aufgehoben. Ott wechselt daraufhin vom BVT in die Sicherheitsakademie. Wie sich herausstellt, soll Ott sowohl in seiner Zeit beim BVT, als auch in der Sicherheitsakademie Hunderte illegale Abfragen zu möglichen Feinden Russlands gemacht haben.

Abfragen und Konvolut

Er soll etwa, gemeinsam mit einem weiteren Mann aus dem Landesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (LVT), auch Informationen über den Aufenthaltsort eines abtrünnigen Ex-FSB-Agenten auf einer kroatischen Yacht ermittelt haben. Das war im Jahr 2017. Der LVT-Mann wurde suspendiert und ist mittlerweile in Pension.

Ende 2017 soll Ott auch jenes Konvolut verfasst haben, dass schließlich im Februar 2018 zur berühmt-berüchtigten Razzia im BVT führt.

Im Jänner 2021 wird Ott sogar in U-Haft genommen. Ein halbes Jahr zuvor war Marsalek offenbar mit Hilfe von Weiss die Flucht von einem Flugplatz in Bad Vöslau nach Moskau gelungen. Deshalb wird Weiss im Jänner 2021 kurzzeitig festgenommen. In seiner Befragung gibt er zu, im Auftrag von Marsalek Personenabfragen bei Ott bestellt zu haben. 

Es kommt zu einer Hausdurchsuchung bei Ott und der U-Haft. Doch nach sechs Wochen darf Ott wieder gehen. Polizist ist er nun keiner mehr.

Abfrage zu Grozev

Dennoch kann er am 24. März 2021 in das Meldeamt von Spittal an der Drau spazieren und die wohl spektakulärste Personenabfrage im Auftrag der Russen durchführen. Er lässt sich, obwohl ihm die Dienstmarke abgenommen wurde, mit einer eben solchen, die Meldeadresse des Investigativjournalisten Christo Grozev ausheben. Grozev war maßgeblich an der Aufdeckung des Giftanschlags auf Kreml-Kritiker Alexej Nawalny beteiligt.

All dies wird bekannt, als der britische Geheimdienst im Jahr 2023 Chats zwischen Marsalek und dem Kopf eines bulgarischen Spionagerings abfängt. Und an die österreichischen Kollegen weiterleitet. 

Daraus geht hervor, dass die drei Innenministerium-Handys erst im Juni 2022 von einer Wohnung in Wien-Floridsdorf von einem Boten des Spionagerings abgeholt und offenbar direkt in die Lubjanka, den Sitz des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB in Moskau gebracht wurden.

Ott tut sich darin aber offenbar auch hervor, indem er Verbesserungsvorschläge für russische Auftragsmörder weitergibt. Etwa wie im Fall des Tiergarten-Mordes von Berlin. 

Am Karfreitag 2024 kommt es schließlich zu vier Hausdurchsuchungen in Wien und Kärnten. Auch ein Verwandter Otts wird kurzfristig in Haft genommen, dann aber wieder entlassen. Ott befindet sich seit Ostersonntag in U-Haft. Diese wurde erst in dieser Woche um ein Monat verlängert.

Geheim-Laptops

Bei den Hausdurchsuchungen wurden auch zwei sogenannte SINA-Laptops bei Ott gefunden. Einer versteckt unter einem Elektro-Herd. Mit diesen SINA-Laptops können Dateien gespeichert und verschickt werden, die als geheim eingestuft werden. Ein dritter SINA-Laptop soll seinen Weg von der Wohnung in Floridsdorf bereits zum russischen FSB gefunden haben. Welche Informationen sich darauf befanden und aus welchem Land er stammte, ist bis heute unklar.

Egisto Ott weist übrigens alle Schuld von sich.