Chronik/Österreich

Hinweise auf Amtsmissbrauch im Verkehrsministerium

Was für einen Sinn macht es, einen fertigen Bericht zum Absturz eines Polizei-Hubschraubers mit vier Toten an eine private Firma außer Haus zur Bearbeitung zu schicken? Noch dazu an ein Unternehmen, das laut Rechnungshof in "finanzielle Unregelmäßigkeiten" in Millionenhöhe verwickelt sein dürfte. Sollte so vielleicht ein unliebsames Ergebnis ausgebügelt werden?

Diesen Fragen gehen seit einigen Wochen die Staatsanwaltschaft Wien und das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung nach. Grund ist ein interner Mailverkehr des Verkehrsministeriums, der dem KURIER zugespielt wurde. Ausgangslage ist der bis heute nicht restlos aufgeklärte Absturz eines Polizei-Hubschraubers im März 2011 in den Tiroler Achensee. Vier Insassen starben vermutlich wegen mehrerer riskanter Manöver des Piloten. Der Leiter der Flugpolizei im Innenministerium, Werner Senn, versucht seither, die Ursache einem möglichen Vogelschlag oder einem Anfall des Piloten anzukreiden. Doch alle bisher bekannten Hinweise schließen diese beiden Möglichkeiten eigentlich aus.

Alle Inhalte anzeigen
Eine zentrale Rolle spielt dabei die vorangegangene Untersuchung des Verkehrsministeriums. Diese schloss zunächst Vogelschlag und Krankheit als Ursachen defintiv aus, brachte dafür Beweise ans Tageslicht und belegte ein riskantes Flugmanöver des Piloten. Es gibt auch Zeugen, die im Vorfeld Tiefflüge und absturzähnliche Manöver beobachtet hatten.

Mail vom Chef der Bundesanstalt

Alle Inhalte anzeigen
Nachdem der Bericht der Untersuchungsstelle des Verkehrsministeriums im März 2012 fertig gestellt wurde, kommt es zu dem brisanten Mailverkehr, der nun ein gerichtliches Nachspiel zur Folge haben könnte. Der Leiter der für den Bericht zuständigen Bundesanstalt für Verkehr, Gerald Pöllmann, verlangt darin plötzlich, dass zwei Untersucher (K. und V.) den Bericht eben an jene dubiose Privatfirma weiterleiten, die insgesamt 21 Millionen Euro Steuergelderkassiert hat. Dabei hat diese keine hoheitlichen Aufgaben und darf so einen Bericht eigentlich gar nicht fertigstellen. Und die Firma hatte bei den Untersuchungen zuvor gar nicht mitgewirkt.

Verbotene Weisung?

Der Leiter der Bundesanstalt für Verkehr darf vermutlich so eine Weisung nicht erteilen, weshalb nun ein möglicher Amtsmissbrauch untersucht wird. Dennoch drohte Pöllmann per Mail dem Untersucher K. bei Nicht-Weiterleitung des Berichts an die Privatfirma eine Disziplinaranzeige an. Noch spannender ist dabei, dass die zuständige Sektionschefin Ursula Zechner als weitere Adressatin zu finden ist. Sie lädt anschließend zu einem "klärenden Gespräch" ein, wie sie in der Antwort kundtut. Was dort besprochen wird, ist bis dato unklar.

Alle Inhalte anzeigen
Nur eine Woche zuvor war allerdings das Gesetz geändert worden, wonach die Abstürze von Polizei-Hubschraubern vom Verkehrsministerium nicht mehr untersucht werden. Geschrieben wurde die Gesetzesänderung offenbar direkt in der Skandal-Agentur selbst.

Nach dem "klärenden Gespräch" passiert jedenfalls eigenartiges. Der fertige Untersuchungsbericht wird zum "technischen Gutachten" herabgestuft. Die laut Mail zuvor geplante Veröffentlichung des Berichts findet nicht statt. Dabei soll es eine zweistellige Zahl an Sicherheitsempfehlungen an die Flugpolizei gegeben haben, die in dem Gutachten nicht mehr vorhanden sind. Der brisante Bericht landet danach in den Ministeriumschubladen. Erst im Vorjahr als der KURIER die Hintergründe aufdeckt, taucht er wieder auf und sorgt führ gehörige politische Wellen.

Beteiligte schweigsam

Der Leiter der Bundesanstalt für Verkehr, Gerald Pöllmann, ist für eine Stellungnahme derzeit nicht erreichbar. Im Kabinett von Verkehrsminister Jörg Leichtfried will man zu den aktuellen Entwicklungen keine Stellungnahme abgeben. Laut KURIER-Informationen wurde vom Leichtfried-Büro selbst die Anzeige gegen Pöllmann verfasst. Der Leiter der Flugpolizei, Werner Senn, hat mehrere Anfragen aus den vergangenen Monaten unbeantwortet gelassen.

Der Flug-Skandal

Im vergangenen Herbst führen Recherchen von KURIER und Neos-Abgeordneten Rainer Hable zum Aufdecken des vermutlich größten Skandals des Verkehrsministeriums in der bisherigen Geschichte. Über Jahre hinweg dürften Untersuchungsberichte zu tödlichen Flugzeugabstürzen und Bahnunfällen geschönt worden sein. Der Fall Achensee ist nur einer von vielen Facetten, die UNO stufte die österreichische Untersuchungsstelle auf das Niveau von Ländern wie Botswana, Armenien oder Vietnam.

Alle Inhalte anzeigen
In der Folgelöste Verkehrsminister Jörg Leichtfried die Bundesanstalt für Verkehr auf. DerLeiter, Gerald Pöllmann, ist suspendiert, der Leiter der Untersuchungsstelle musste seinen Arbeitsplatz räumen. Gegen ihn (und die Hubschrauberfirma Reidinger) wurden zuletzt zumindestErmittlungen der Staatsanwaltschaft Welswegen eines tödlichen Absturzes in OÖ eingestellt.

Doch im Hintergrund tobt längst der Kampf um Nachfolge- und Versorgungsposten. So dürfte es kein Zufall sein, dass der KURIER derzeit von unterschiedlichen Seiten mit neuen internen Dokumenten versorgt wird. Derzeit interimistischer Chef ist jedenfalls Gerhard Rauniak. Er stammt aus dem Kabinett von Jörg Leichtfried, der Ex-Panzer-Kommandant gilt als Favorit für den Chefposten.