Chronik/Österreich

Mehr als die Hälfte der Wiener Schüler besucht Ganztagsschule

Von den 17 Klassenzimmern der Ganztagsvolksschule Dreyhausenstraße im 14. Bezirk sind nur drei belegt. Als die neu gebaute Schule im September eröffnet wurde, sind zuerst einmal, logisch, drei erste Klassen eingezogen.

Die Schule in der Dreyhausenstraße ist eine von elf verschränkt ganztägig geführten Wiener Pflichtschulen, die in diesem Schuljahr neu dazugekommen sind; damit sind nicht nur Neubauten, sondern auch Adaptierungen oder Zubauten gemeint. Das selbst gesteckte Ziel von zehn Neueröffnungen im Jahr hat Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) damit heuer übererfüllt.

Rund 40 Millionen Euro lässt die Stadt sich das im Jahr kosten. Mit „verschränkt ganztägig“ ist gemeint, dass der Schultag nicht streng in Unterricht am Vormittag und Betreuung am Nachmittag getrennt ist. Vielmehr sind Unterricht und Freizeit über den ganzen Tag verteilt.

Bildungsgerechtigkeit

Das hat unter anderem den Vorteil, dass auf die Bedürfnisse der Kinder besser eingegangen werden kann. „Wenn man merkt, dass sie ein Konzentrationsloch haben, kann man sagen: Wir hören auf und gehen in den Turnsaal“, erklärt Schuldirektor Thomas Oberleitner. In seiner Schule gibt es neben einem Schwerpunkt auf Bewegung auch sogenannte Freizeitkurse, in denen die Kinder Schach oder Kochen lernen können.

Stadtrat Wiederkehr ist überzeugt davon, dass die verschränkte Ganztagsschule ein „wesentlicher Hebel ist, um die Bildungsgerechtigkeit zu verbessern“. Auch bei der Integration von nicht deutschsprachigen Kindern sei diese Schulform hilfreich.

Den Eltern erleichtert die Ganztagsschule nicht nur die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sie schafft auch finanziell Erleichterung. Es gibt kein Schulgeld, auch das Mittagessen ist gratis. „Bei zwei Kindern sind das mehr als 2.000 Euro im Jahr“, sagt Wiederkehr.

Derzeit gibt es in Österreich insgesamt 224 derartige Schulen, 103 davon (88 Volksschulen, 15 Mittelschulen) stehen in Wien. Rechnet man die „offenen“ Ganztagsschulen dazu (das sind die mit konventioneller Nachmittagsbetreuung), sind es sogar über 200. Mehr als die Hälfte der Wiener Pflichtschüler wird ganztägig betreut (zum Vergleich: In NÖ sind es 22 Prozent).

Reich und arm

Die Penzinger Bezirksvorsteherin Michaela Schüchner (SPÖ) freut sich über die neue Schule in ihrem Bezirk deshalb besonders, weil sie selbst Lehrerin an einer Ganztagsschule war und von dem Konzept überzeugt ist.

„Es profitieren nicht nur Kinder aus sozial schwachen Familien davon, sondern auch solche, die aus reichen Familien kommen“, sagt Schüchner. „Sie alle lernen in der Schule das Zusammenleben in einer Gesellschaft.“