Chronik/Österreich

Artensterben in Flüssen: Kritik an "subventionierter Umweltzerstörung"

"Für lebendige und klimafitte Flüsse, gegen subventionierte Naturzerstörung“: Unter diesem Motto warnt eine Allianz aus 40 Umweltorganisationen sowie Stimmen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft vor einem ungezügelten Ausbau der Wasserkraft auf Kosten der Allgemeinheit.

Konkret fordert die von WWF Österreich und Umweltdachverband gestartete Allianz in einem aktuellen Appell an Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) wirksame Naturschutzkriterien im geplanten Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz (EAG).

Laut Regierungsprogramm soll Österreich bis 2030 100 Prozent seines Strombedarfs mit Erneuerbarer Energie, etwa aus Wasserkraft, decken. Im März hatte Gewessler angekündigt, das EAG solle zu Jahresbeginn 2021 in Kraft treten, die Begutachtung ist noch für den Sommer geplant.

Fortgesetztes Artensterben

"Wir alle wissen, dass wir einen viel zu hohen Energieverbrauch haben und die natürlichen Ressourcen gnadenlos auf Kosten künftiger Generationen ausbeuten", heißt es in dem Appell. Darum dürften Erneuerbare Energien anders als bisher nur mehr konsequent naturverträglich ausgebaut werden, würden wir doch "einen nie dagewesenen Schwund der Artenvielfalt" erleben.

Die am stärksten vom Artensterben betroffenen Ökosysteme seien aufgrund "jahrzehntelanger Fehlentwicklungen" in oder entlang unserer Flüsse zu finden. Laut einer Studie der Universität für Bodenkultur (BOKU) sind nur noch 15 Prozent der Flüsse ökologisch intakt. Bereits 60 Prozent der heimischen Fischarten gelten als gefährdet, stark gefährdet oder sogar vom Aussterben bedroht.

Einer der Hauptfaktoren dafür sei der "extrem hohe Ausbaugrad der Wasserkraft“, sagt der Präsident des Umweltdachverbands, Franz Maier.

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Dennoch sind zusätzlich zu den mehr als 5.200 bestehenden Wasserkraftwerken hunderte neue Projekte geplant. Aus diesem Grund fordern die Umweltschützer, keine neuen Kraftwerke in Schutzgebieten sowie an den letzten ökologisch intakten Flussstrecken zu subventionieren.

Kleinstkraftwerke "besonders problematisch"

Dasselbe gelte für Kleinstkraftwerke, also Anlagen mit einer Leistung von weniger als 1 Megawatt. "Dieser Bereich liefert weniger als 5 Prozent des Stroms, macht aber 86 Prozent aller Anlagen aus, die ins Netz liefern. Befeuert von schlechten finanziellen Anreizen, stellt jedes einzelne dieser Kleinstkraftwerke einen massiven Eingriff in die Natur dar", kritisiert Gewässerökologe Steven Weiss von der Universität Graz.

Modernisierungen bestehender Anlagen, von denen fast 80 Prozent die geltenden ökologischen Mindestanforderungen verfehlen, müssten daher bei der Fördervergabe vor Neubauten gereiht werden.

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"Gerade in der Klimakrise brauchen wir intakte Flüsse als Schutzschilder gegen Dürreperioden, Überhitzung und Artensterben. Daher muss die Bundesregierung sicherstellen, dass der notwendige Ökostrom-Ausbau in Zukunft konsequent naturverträglich erfolgt. Neue Kraftwerke in Schutzgebieten sowie in den letzten unberührten Flusslandschaften müssen tabu sein“, fordert WWF-Programmleiterin Hanna Simons.

Verbrauch reduzieren

Österreich habe einen viel zu hohen Energieverbrauch, deshalb reiche es nicht aus, nur auf Ausbau zu setzen. "Stattdessen müssen wir massiv Energie sparen und das Steuersystem komplett ökologisieren, um die Abhängigkeit von Öl und Gas stark zu verringern“, sagt Simons.

Sowohl die Klimakrise als auch das Artensterben sei existenzbedrohend, heißt es in dem Appell. Darum müssten bei sämtlichen Lösungen Klima- und Naturschutz Hand in Hand gehen, "damit Lösungsansätze für die Klimakrise nicht zu einem Brandbeschleuniger für das Artensterben werden".

Zu den Unterstützern zählen neben zahlreichen Umweltorganisationen auch renommierte Persönlichkeiten aus der Wissenschaft, darunter die Klimawissenschaftlerin Helga Kromp-Kolb, der Klimaforscher Herbert Formayer oder der Politikwissenschaftler Ulrich Brand. Dazu kommen engagierte Prominente wie Skispringlegende Toni Innauer und Schauspieler Gregor Seberg.