Am Brenner lebt die Grenze auf
Von Christian Willim
Der ganz große Zug der Deutschen an den Gardasee oder weiter südlich ans italienische Mittelmeer steht noch aus. In den größten Bundesländern – Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg – haben die Schulferien noch nicht begonnen. Der Start der Urlaubssaison in anderen Landesteilen war in den vergangenen Tagen am Brenner schon zu spüren.
Die Parkplätze in dem unansehnlichen Grenzort sind bestens gefüllt. Es sind vor allem deutsche Reisende, die durch die Straßen flanieren. Sei es bei einem Zwischenstopp oder im Zuge eines Shopping-Ausflugs während eines Südtirol-Urlaubs.
Ihnen allen bleibt – zumindest vorerst – erspart, was Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) am Mittwoch für den Fall von nationalen Grenzalleingängen Deutschlands angedroht hatte: Die Wiedereinführung von Kontrollen am Brenner. Dann „würden 100.000 deutsche Touristen auf ihre Heimreise warten“, warnte Platter.
Köchelnder Streit
Die von Deutschlands Innenminister Horst Seehofer (CSU) in den Raum gestellte Abweisung von Flüchtlingen an der bayerisch-österreischen Grenze hat dieser am Donnerstag in Wien zwar abgeblasen. Nur um tags darauf aber dem Spiegel zu erklären, dass die Diskussionen wieder von vorne losgehen könnte, wenn keine Rückübernahmeabkommen mit Italien und Griechenland zustande kommen: „Dann müssten wir darauf zurückgreifen, direkt an der Grenze abzuweisen.“
Bei den deutschen Urlaubern kommt das Gezerre nicht gut an. „Die kochen das jetzt wegen der bayerischen Landtagswahlen hoch. Es sollten alle an einem Strang ziehen“, sagt Pia Martin aus dem Schwarzwald, die bei der Autobahnraststätte am Brenner eine Pause bei der Heimreise von Italien einlegt.
Neben dem Parkplatz der Raststätte wurden in den vergangenen Tagen bereits Vorarbeiten für die Aktivierung des vor zwei Jahren installierten Grenzmanagements getroffen. Unter einem Flugdach steht nun ein Container für die Polizei. Asfinag-Mitarbeiter haben dort auch Beton-Barrieren zur Lenkung des Verkehrs aufgestellt.
Schengen ausgesetzt
Auf der Fahrt Richtung Tirol müssen sich Reisende von Montag bis Freitag auf Wartezeiten einstellen. Denn im Zuge von informellen EU-Ministertreffen in Innsbruck wird Schengen aus Sicherheitsgründen temporär ausgesetzt. Am Donnerstag tagen die EU-Innenminister im Congress-Zentrum der Landeshauptstadt. Die Migration, auch entlang der Brenner-Route, wird dabei im Zentrum stehen. Am Freitag kommen dann noch die EU-Justizminister in Innsbruck zusammen. Zum Schutz der Politiker werden Kontrollen am Brennerpass zwischen Italien und Tirol durchgeführt (aber auch an der Grenze zu Deutschland bei Kufstein).
Und damit gibt es einen Vorgeschmack auf das Szenario, das bei einer weiteren Zuspitzung der Grenzdebatten auf Dauer am Brenner droht.
20 Jahre ist es her, dass die Grenzbalken zwischen dem nach dem Ersten Weltkrieg zerrissenen Nord- und Südtirol am Brenner abgebaut wurden. Der Grenzort verlor dadurch an Bedeutung. Das spätere Ende von Lira und Schilling zugunsten des Euro beendete Währungsvorteile im Shoppingtourismus. Die Zeiten florierender Geschäfte waren damit vorbei.
In jüngerer Zeit hat ein Outlet-Center im Grenzort wieder für Belebung gesorgt. Was die Wiedereinführung von Kontrollen für den Ort bedeuten würde, ist nicht klar. Dass es riesige Staus geben würde, ist fix.