Chronik/Österreich

Abschiebung: Kritik und Demo vor Afghanistan-Flug

„Schlafen kann er nicht mehr, Angst und Depressionen quälen ihn“, erzählt sein Therapeut,  auch die Panik, was ihn in der Heimat, aus der er 2015 geflohen ist, erwartet.

Seit drei Monaten sitzt Mohamad (Name von der Redaktion geändert, Anm.) nach zwei negativen Asylbescheiden in Schubhaft. „Ich verstehe nicht warum, ich habe mich so bemüht“, lässt er über seinen Therapeuten ausrichten. Tatsächlich könnte der 31-Jährige als Muster-Flüchtling gelten.

Er arbeitete als Saisonarbeiter, wurde Sanitäter beim Roten Kreuz, übersetzte am Gemeindeamt seiner Heimatgemeinde. Doch Asyl bekam er nicht. Aus Angst vor der Abschiebung wollte er in ein Nachbarland und versuchte Österreich zu verlassen – dabei wurde er erwischt.

„Kaltschnäuzigkeit“

Mohamad ist einer von jenen Afghanen, die am 15. Dezember in einer Chartermaschine aus Schweden nach Kabul gebracht werden sollen. Doch immer mehr NGOs und Asylhelfer kritisieren den geplanten Abschiebeflug. Bisher, so heißt es, seien die Termine wegen der Corona-Pandemie weitgehend verschoben worden – was teils auch zu monatelanger und laut Asylexperten unverhältnismäßig langer – Schubhaft geführt hat.

„Wir sind sprachlos, mit welcher Kaltschnäuzigkeit Innenminister Nehammer plant unter den momentanen Umständen Abschiebungen nach Afghanistan wieder aufzunehmen,“ sagt Lukas Gahleitner von der Asylkoordination. Zuletzt habe sich die Sicherheitslage weiter verschlechtert - trotz Friedensverhandlungen der radikalislamischen Taliban und der afghanischen Regierung.

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In den vergangenen Wochen waren bei zwei Angriffen auf Bildungszentren sowie einem Raketenangriff in Kabul mehr als 50 Menschen getötet worden. Dazu kommt, dass es zuletzt auch in der von der schiitischen Minderheit der Hazara bewohnten Region Bamiyan Anschläge gegeben hat, die zuvor jahrelang als relativ sicher galt. Experten sehen das als Hinweis für das weitere Erstarken der Terrororganisation Islamischer Staat.

Opfer von Banden und Pandemie außer Kontrolle

„Wir haben auch Kontakt zu Abgeschobenen. Nicht viele können wieder Fuß fassen“, erklärt Herbert Langthaler von der Asylkoordination. Vielen bliebe nur ein Leben im Verborgenen, da sie Opfer krimineller Banden werden, die in Europa-Rückkehren potenzielle Erpressungsopfer sehen.

Zur gefährlichen Sicherheitslage komme jetzt auch noch der Höhepunkt der zweiten Welle der Corona-Pandemie hinzu. „Afghanistan-Kenner sagen, es gibt kaum Spitäler, keine medizinische Versorgung am Land und keine Testungen. Noch dazu ist jetzt die kälteste Jahreszeit dort“, kritisiert Doro Blancke von dem in Gründung befindlichen Verein „Flüchtlingshilfe - Refugee Assistance - Doro Blancke“.

Zu dessen Vorstand werden unter anderem der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler, die Leiterin der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie des LKH Graz Süd-West Katharina Purtscher und Asylexperte Chritsoph Riedl von der Diakonie gehören. Obfrau ist Heidrun Primas, Leiterin vom Forum Stadtpark.

Protest vor Botschaft

Mit einer Petition an den afghanischen Flüchtlingsminister Noor Rahman Akhlaqi wollen Unterstützer nun verhindern, dass die Menschen am 15. Dezember zurückgebracht werden können. Mehr als 1.600 haben schon unterzeichnet. Für Donnerstag, 10. Dezember, ist eine Demo vor der Afghanischen Botschaft geplant.

Auch andere Abschiebflüge wie jener nach Moskau vergangene Woche sollen während der Pandemie vorübergehend eingestellt werden, fordert die Asylkoordination.