Chronik/Oberösterreich

„Mein Berufswunsch war Landwirtschaftsministerin“

Karin Doppelbauer ist Bauerstochter aus der Ortschaft Aschau in Kallham (Bez. Grieskirchen). Die Landwirtschaft, die biologisch geführt wird, hat sie verpachtet. Die 44-Jährige leitet den Bereich Salessupport für das Großkundengeschäft des Computerkonzerns Dell für Europa, Mittlerer Osten und Afrika. Sie ist seit 2017 Nationalratsabgeordnete und betreut die Bereiche Landwirtschaft, Budget und Konsumentenschutz. Sie ist Gründungsmitglied der Neos und führt die Landesliste für die Wahl am 29. September an.

KURIER: Es ist Wahlkampf und die Neos melden sich in Oberösterreich wieder zu Wort. Monatelang war wenig bis gar nichts zu hören. Was ist los?

Karin Doppelbauer: Wir sind in Wahrheit die einzige Opposition in Oberösterreich. Dadurch, dass wir nicht im Landtag sind, sind wir nicht so kraftvoll wie das in anderen Bundesländern der Fall ist. Es gibt viel Arbeit für uns, aber Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Wir werden schauen, dass wir das bei der Landtagswahl 2021 ändern werden.

Der Einzige, der durch seine Aktivitäten überregional auffällt, ist der Linzer Gemeinderat Lorenz Potocnik. Gehört er noch den Neos an?

Er ist aus der Partei ausgetreten, wir sind aber in guter Verbindung.

Potocnik startet eine Bürgerinitiative gegen den Bau der Linzer Ostumfahrung. Ist das auch die Neos-Position?

Damit habe ich mich noch nicht auseinandergesetzt.

Was wollen Sie als Spitzenkandidatin der Neos für Oberösterreich erreichen?

Das neue Gesetz zur Parteienförderung, das die Roten und Blauen im Nationalrat durchgebracht haben, wird nichts von dem verhindern, was im Ibiza-Video besprochen worden ist. Pamela Rendi-Wagner vertraut dem Rechnungshof nicht, die Kontrollen durchzuführen. Das ist demokratiepolitisch eine furchtbare Aussage. Auch strengere Strafen bei Verstößen wurden verhindert.

Gerade für Oberösterreich ist wichtig, dass wir eine starke EU haben.Deshalb die Vereinigten Staaten von Europa.

Das dritte Thema ist Bildung. Wie bilden wir die Kinder aus, damit sie zukünftig eine Chance haben? Ich komme gerade von einem Training meiner Firma in Texas. Dort hat uns ein Consultant erklärt, dass es 60 Prozent der Jobs, die es 2030 geben wird, heute noch nicht gibt. Sie entstehen neu. Unser Bildungssystem ist viel zu starr. Wir müssen alternativer werden. Seit es die Neos gibt, fordern wir die Abschaffung der kalten Steuerprogression. ÖVP und FPÖ haben die Abschaffung versprochen, aber passiert ist nichts. Wir haben ein CO2--Steuerkonzept vorgelegt. Die Arbeit soll steuerlich entlastet werden, unser Konzept ist aufkommensneutral. Wir würden ein eigenes Klimabudget machen.

Wie viele Prozentpunkte wollen Sie in Oberösterreich bei der Wahl erreichen?

Am liebsten wären uns zwei Nationalratsmandate. Dass sind um die sechs Prozent. Der Listenzweite ist der Linzer Gemeinderat Felix Eypeldauer. Er ist ein politisches Talent.

Ihr Konzept der Vereinigten Staaten von Europa ist ein zentralistisches, was auf die Entmachtung der Nationalstaaten hin aus läuft.

Die Dinge sollen dort gelöst werden, wo sie zu lösen sind. Eine -Steuer macht dann wirklich Sinn, wenn man sie europaweit einführt. Der Apfel aus Neuseeland ist billiger ist ein hier produzierter. Mit der -Steuer wird der Transport mitbepreist. Dann sind unsere Äpfel günstiger als die aus Neuseeland.

Wie soll die Kompetenzaufteilung zwischen Brüssel, Nationalstaaten und Bundesländern erfolgen?

Wir haben ein umfassendes Konzept. Kommission und Parlament werden gestärkt.

Und wer wird geschwächt?

Brauchen wir wirklich einen österreichischen EU-Kommissar in Brüssel? In der vergangenen Bundesregierung gab es keinen einzigen Oberösterreicher. Es geht darum, wo die Arbeit am besten erledigt wird und wer was am besten kann.

Nehmen wir als Beispiel Ihre Domäne, die Landwirtschaft.

Die Landwirtschaft ist das einzig vergemeinschaftete Budget in der EU. Ein Teil der Gelder wird in nachhaltige Landwirtschaft investiert. Hier war Franz Fischler sehr erfolgreich. Die erste Säule, wo mit Hektarförderungen gearbeitet wird, gehört aber massiv umgebaut, in Richtung nachhaltige Förderung. Es wird immer über die Förderungen für die Landwirtschaft geschimpft. Die USA haben massive Agrarförderungen, ebenso Japan. Im gesamten asiatischen Raum gibt es immer mehr Subventionen. Die Europäer sind die einzigen, die den nachhaltigen Weg teilweise gegangen sind. Es sollte nur das gefördert werden, was der Gesellschaft dient wie Wasser- oder Bodenschutz, Diversität, Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und nachhaltiges Wirtschaften. Das heißt aber nicht, dass jeder ein Biobauer sein muss.

Wie stehen Sie zum Mercosur-Handelsabkommen? Die Bauernvertreter lehnen es wegen geplanten Rindfleischimporte als existenzgefährdend ab.

Diese Kritik kann ich nicht nachvollziehen. Denn Rindfleisch und Soja werden jetzt auch schon importiert. Die Mengen verändern sich nicht. Ich bin prinzipiell ein großer Fan von Freihandelsabkommen, denn damit werden die wirtschaftlichen Verflechtungen gefördert. Im Abkommen ist auch festgehalten, dass Brasilien das Klimaabkommen von Paris einhält. Es ist ein wirklich gut verhandeltes Abkommen. Ich habe aber großes Bauchweh wegen des neuen brasilianischen Präsidenten, weil nun massiv Regenwald abgeholzt wird.

Sollen die Neos nach dem 29. September in die Bundesregierung gehen?

Ich habe Neos nicht mitgegründet, um ewig in der Opposition zu bleiben. Opposition ist ein wirklich zermürbendes Geschäft, wenn man aus der Wirtschaft kommt und gewohnt ist, Dinge umzusetzen. Das ist schon auch wahnsinnig frustrierend. Ich glaube aber auch, dass wir nicht die Wunschpartner von Sebastian Kurz sind.

Sie wären prädestiniert für das Nachhaltigkeits- und Landwirtschaftsministerium.

Ich habe als Siebenjährige den Berufswunsch Landwirtschaftsministerin angegeben.

Das kann ja Realität werden.

Dann würde ich mich sehr freuen.

Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner, Neos-Förderer der ersten Stunde, fürchtet, dass die Neos als kleiner Partner in einer Regierung untergehen werden.

Diese Gefahr gibt es immer, aber zu Tode gefürchtet ist auch gestorben. Ich traue uns zu, dass wir eine ganz starke Ansage sind. Ja, wir sind klein und es gibt uns noch nicht so lange. Aber wir sind verdammt gut.

Warum ist der Boden für die Liberalen in Österreich so hart?

Ich weiß nicht, ob die Liberalen irgendwo in den Himmel wachsen. Es gibt uns erst seit 2012. Es gibt uns immerhin noch, viele andere aber nicht mehr. Wir könnten populistischer sein, dann hätten wir vielleicht zwei, drei Prozent mehr. Wir wollen sachorientierte Politik machen, das ist der anständigere Weg.