Oö. Landtagspräsident: "Niveau im Nationalrat wirkt auf viele abstoßend“
Von Josef Ertl
Maximilian Hiegelsberger ist seit vergangenem Herbst Erster Präsident des oberösterreichischen Landtages. Der 56-jährige ÖVP-Politiker war von 2002 bis 2010 Bürgermeister von Meggenhofen (Bez. Grieskirchen) und von 2010 bis 2021 Agrarlandesrat und Landesobmann des Bauernbundes. Seine Frau führt den Bauernhof, der auf Ackerbau spezialisiert ist.
KURIER: Sie sind nun seit rund einem Dreivierteljahr Landtagspräsident. Was machen Sie da?
Maximilian Hiegelsberger: Das fragen mich immer wieder viele Leute. Das, was man als Regierungsmitglied macht, wird öffentlich sichtbar. Das, was den Landtag und seinen Präsidenten ausmacht, eher wenig.
Ich bin wieder zu meinen Wurzeln zurückgekehrt, denn eigentlich ist es eine Form von Bürgermeisterei. Es geht darum, dass sich die Parteien in einem gewissen Ausmaß untereinander verstehen und dass man in schwierigen Situationen Vereinbarungen treffen kann. Denn am Ende zählen die Resultate für die Menschen im Land.
Es gibt weltweit Probleme in der Umsetzung der liberalen Demokratien. Wir werden im Landtag das Projekt „Werkstatt für Demokratie“ für die jungen Menschen ausbauen. Zusätzlich werden wir 2023 an den pädagogischen Hochschulen einen Lehrgang für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit starten.
Das Verhalten der Parteien im Nationalrat stößt bei vielen auf Ablehnung. Das Klima in Oberösterreich ist anders, obwohl auch hier harte Oppositionspolitik gemacht wird.
Es geht dort oft nur um das Schlechtmachen der Regierung. Ich will das parteipolitisch gar nicht bewerten. Debatten im Deutschen Bundestag laufen beispielsweise völlig anders ab. Ich finde es schade, dass man sich in Österreich auf ein Niveau begibt, das für viele abstoßend ist. Es ist uns in Oberösterreich gelungen, dass das nicht passiert. Ich bin als Präsident bei Debatten im Landtag auch sehr hart gegenüber persönlichen Untergriffen.
Sie waren elf Jahre Agrarlandesrat und Obmann des Bauernbundes, Ihr Wechsel im Herbst auf den Präsidentensessel war doch überraschend. Für Sie selbst auch?
In der Politik kann man oft nicht planen. Es war mein Einstieg vor 12 Jahren überraschend, es war auch der Ausstieg überraschend.
Wie haben Sie sich bei Ihrer Ablöse bzw. Umstieg gefühlt?
Eigentlich sehr gut. Ich war ja elf Jahre in der Regierung. Es sind mir einige Projekte gelungen. Zum Beispiel die Durchgängigkeit im Bildungsbereich.
Was heißt das?
Wer die Landwirtschaftsschule besucht, kann heute Aufbaukurse für die Matura absolvieren. Und dann die Fachhochschule oder die Universität besuchen. Es gibt nun sowohl ein Bachelor- als auch ein Masterstudium für Agrarinnovation und Agrarmanagement in Oberösterreich. Darauf bin ich stolz.
Die Landwirtschaft ist mit immer strengeren Auflagen konfrontiert. Die Vollspaltenböden in der Schweinehaltung werden nun verboten, die Sie vehement verteidigt haben.
Es haben sich zwei Themen verfestigt, auch durch enormen finanziellen und politischen Diskurs von Nichtregierungsorganisation (NGO). Das sind die Vollspaltenböden, die als Synonym für schlechte Tierhaltung stehen. Und das Spritzmittel Glyphosat steht für die Zerstörung von Natur. Beides ist falsch, weil es keine Pauschalierungen geben darf. Es kann in beiden Fällen nicht differenziert werden.
Es gab eine europaweite Umfrage über die Wissenschaftsfreundlichkeit der Bevölkerung. Am besten schnitten die Portugiesen mit 80 Prozent ab, Österreich liegt mit 32 Prozent auf den hinteren Plätzen. Diese Skepsis wird bei den angesprochenen Themen sichtbar.
Ein weiterer Widerspruch ist, dass jene, die höhere Standards für die Tiere fordern, dieselben sind, die verlangen, dass die Preise nicht erhöht werden dürfen. In Schweden ist der Anteil der Eigenproduktion nach dem Verbot der Vollspaltenböden auf 60 Prozent gesunken. Dieser Weg wird auch uns beschieden sein, wir werden uns von der Eigenproduktion verabschieden müssen. Außer das Preisniveau steigt. Man muss das gesamthaft sehen. Denn es geht nicht nur um die wertvollen Fleischteile, sondern auch um das Verarbeitungsfleisch. Die Frage ist, ob man dieses Verarbeitungsfleisch im europäischen Markt so absetzen kann, dass es einkommens- und gewinnbringend sowohl für die Verarbeitung als auch für die Landwirtschaft ist.
Es ist zu erwarten, dass die heimische Schweinefleischproduktion zurückgehen wird.
Ja, das ist zu erwarten. Wenn es einen gesellschaftlichen Umbruch gibt, muss man das akzeptieren. Es müssen sich aber die Märkte mitentwickeln.
Wo sehen Sie die Chancen für die Landwirtschaft?
Die Corona-Krise hat gezeigt, dass wir bei der Ernährung und bei der Energie am verwundbarsten sind. Daher unternehmen wir enorme Anstrengungen, in der Energie resilienter zu werden. Aber wo sind die Anstrengungen für die Ernährungssicherheit? Bewegen wir uns hier in dieselbe Sackgasse wie bei der Energie?
Daher ist für mich eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung, auch in der Gastronomie, ein Überlebensthema für alle. Wir wollen keinem Wirt vorschreiben, welche Lebensmittel er einsetzt. Der Konsument soll jedoch wissen, was er isst. Wir haben die Auswirkungen beim Besuch in der Schweiz gesehen. Wenn in der Mensa Schweizer Hendl angeboten wird, wird es dreimal so oft verkauft wie Huhn aus Polen.
Ein österreichisches Hendl ist wegen der strengeren Richtlinien dann teurer als ein importiertes.
Wir haben keine Massentierhaltung, wir haben diese Betriebe nicht. Dazu kommt, dass 80 Prozent des Futters aus dem eigenen Betrieb stammt. Das gibt es europaweit sonst nirgends. Wir sind in der Tierhaltung flächengebunden. Wir waren immer schon anders aufgestellt. Dennoch müssen wir mit den Weltmarktpreisen konkurrieren. Das gefährdet unsere Struktur, die sich verändern wird. Wir können den Status quo nicht beibehalten, sondern wir geben den Betrieben die Möglichkeit, sich zu entwickeln.