Chronik/Oberösterreich

Stelzer: 150 Millionen Euro für die neue Digitaluniversität

Thomas Stelzer (54) ist seit 2017 Landeshauptmann von Oberösterreich (ÖVP).

KURIER: Corona, Landtagswahl, Rücktritt von Kurz. Sind Sie erleichtert, dass das alte Jahr zu Ende gegangen ist?

Thomas Stelzer: (lacht) Es war sicher ein Ausnahmejahr. Es gab schöne Herausforderungen. Die Aussicht auf das neue Jahr ist eine spannende.

Sie haben bei der Wahl ein Plus von 1,2 Prozentpunkten (37,61 %) verzeichnet. Zu guten Zeiten zeigten die Umfragen allerdings 40 Prozent an.

In einem normalen Wahljahr steht die Wahl im Mittelpunkt. 2021 war es Corona, mit allen Überraschungen. Zum Beispiel das überproportionale Anwachsen zu einer Welle. Ich freue mich über den Wahlausgang, weil zwei neue Parteien in den Landtag eingezogen sind. Wir sind mit dem Phänomen der Impfkritiker konfrontiert.Unter diesen Bedingungen ein so starker Erster zu werden, ist ein Ergebnis, das sich in die großen Ergebnisse der Volkspartei einreihen wird.

Sie haben sich für die Fortsetzung der Koalition mit der FPÖ entschieden. Sie haben der SPÖ das Sozialressort weggenommen, was Ihnen die Kritik einträgt, dass Sie mit 37 Prozent der Wählerstimmen über 90 Prozent des Landesbudgets bestimmen.

In den vergangenen Jahren ist stets mehr Geld für das Sozialressort verlangt worden, wir haben auch immer mehr Mittel zur Verfügung gestellt. Wir möchten für dieses Thema, das uns sehr wichtig ist, Verantwortung übernehmen. Landesrat Wolfgang Hattmannsdorfer kommt aus diesem Bereich. Ich glaube, wir können hier sehr erfolgreich agieren.

Was ist Ihre Erwartungshaltung an Hattmannsdorfer bzw. an das Sozialressort?

Es ist hier am Jahresende immer Geld übrig geblieben, oft im zweistelligen Millionenbereich, obwohl es immer geheißen hat, es ist zu wenig Geld da. Man kann hier noch zielgerichteter im Interesse jener agieren, die es brauchen. Es stehen einige Fragen an: Wie bekommen wir mehr Menschen in diese Berufe? Wie laufen die Verhandlungen mit dem Bund, damit wir Geld bekommen?

Ihre Entscheidungen haben zu Verhärtungen geführt. Die SPÖ ist nun in Fundamentalopposition, das Landesbudget wurde – außer von den Regierungsparteien – von allen anderen Fraktionen abgelehnt, SPÖ und Neos haben Sie zum Rücktritt aufgefordert.

Ich setze auf Zusammenarbeit. Das gilt auch für die Beziehung zur Sozialdemokratie. Ich bin in einem guten Miteinander mit den Sozialpartnern und mit den sozialdemokratischen Bürgermeistern. Ich lade ein, auf die Taten zu sehen. Etwas anderes ist das Nutzen der politischen Bühne im Landtag. Wenn man ein Landesbudget zur Gänze ablehnt, in dem zum Beispiel auch die Gehälter für die Mitarbeiter im Sozialbereich enthalten sind, dann ist das ein Weg, für den sich diese entscheiden. Das müssen wir zur Kenntnis nehmen.

Manche im Gesundheitsbereich hätten sich die Grünen als Koalitionspartner gewünscht, um der Pandemie stärker begegnen zu können. Sie haben sich aber für die FPÖ entschieden, die die Impfpflicht ablehnt und deren Obmann Kickl hier extreme Gegenpositionen vertritt. Nun stehen Sie und Ihre Stellvertreterin Christine Haberlander allein auf der Bühne und dürfen sich die Watschen abholen.

Wir haben uns die Koalition gut überlegt. Wir brauchen für sechs Jahre eine stabile Partnerschaft, mit der man am meisten weiterbringt. In einer Koalition mit den Grünen hätten wir im Landtag lediglich eine Mehrheit von einer Stimme. Bereits bei der konstituierenden Landtagssitzung hat ein Abgeordneter gefehlt. Daran sieht man, dass eine Koalition mit den Grünen schon von der Praktikabilität her sehr schwierig ist. Wir haben die Regierung zu einer Zeit gebildet, in der ganz Österreich überzeugt war, dass es keinen Lockdown mehr braucht. Von Impfpflicht war damals überhaupt keine Rede.

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Es stimmt, dass wir mit der FPÖ in dieser Frage einen konträren Zugang haben. Das ist aber in einer Koalition nichts Unübliches. In der Bundesregierung haben ÖVP und Grüne unterschiedliche Standpunkte beim Straßenbau, so bei der Linzer Ostumfahrung und beim Wiener Lobau-Tunnel. Unterschiedliche Position sind nicht angenehm, ich würde mir bei der Impfpflicht wünschen, dass wir gleicher Meinung sind. Aber bei unterschiedlichen Parteien sind unterschiedliche Standpunkte möglich. Außerdem sagt FPÖ-Obmann Haimbuchner öffentlich, dass er sich impfen lässt und er kein Impfgegner ist.

Sie und Ihr Salzburger Kollege Haslauer sind in öffentlichen Verschiss gekommen, weil sie trotz hoher Ansteckungszahlen und niedriger Impfquoten nicht umgehend den Lockdown verhängt haben. Sie sind beide in Umfrageergebnissen ganz nach unten gerutscht. Das hat Sie beschädigt.

Wenn man Erster ist, wird man für alles verantwortlich gemacht. Damals war die Frage des Lockdowns sehr schwierig zu entscheiden, das Anwachsen der Welle war in der Geschwindigkeit nicht absehbar. Die Welle im Herbst hat uns alle in Österreich von der Dynamik überrascht. Sie hat ihren Ausgang in Salzburg und Oberösterreich genommen. Wir waren aber dann bald wieder im Schnitt der anderen Bundesländer. Ich darf an Ostern erinnern, als es den Lockdown in Ostösterreich gegeben hat.

Wir haben gelernt und rechnen nun immer mit dem Unerwarteten. Wir sind nun ganz vorsichtig und bereiten uns vor. Wir haben Simulationsforscher Nikolas Popper für das Team des Landes engagiert, um einen Seismografen für mögliche Entwicklungen zu haben. Mit der Omikron-Welle stehen wir vor den nächsten Herausforderungen.

Zu den Corona-Sorgen kam der Rücktritt von Bundeskanzler Sebastian Kurz und dann sein kompletter Rückzug. Sie haben stets eine gewisse Distanz zu den Türkisen erkennen lassen und betont, in Oberösterreich regiert die ÖVP. Fühlen Sie sich durch die Implosion der Türkisen bestätigt?

Wir haben mit Kurz als Bundeskanzler viel erreicht, wir sind als ÖVP die klare Nummer-eins-Partei geworden, was zuvor nicht der Fall war. Viele inhaltliche Dinge wie die Steuerreform und die neue Technische Universität in Oberösterreich sind umgesetzt worden. Aber es war ein Führungssystem, an dem es manches kritisch zu sehen gibt. Auch ÖVP-intern.

Zum Beispiel?

Die enge, sehr kleine Führung, die späte Einbindung der Länder. Aber die Sache ist abgeschlossen. Wir können aber als ÖVP in Anspruch nehmen, dass wir mit Karl Nehammer in einer schwierigen Phase einen neuen Bundeskanzler installiert haben. Wir haben gezeigt, dass wir zusammenhalten, wenn es eng wird.

Es sieht so aus, dass in der ÖVP wieder die Landeshauptleute anschaffen, so wie das früher der Fall war. Das kann man an der Besetzung der Ministerposten ablesen.

So eine breite Partei wie die ÖVP ist immer eine Teamleistung. Durch seine Ausnahmepersönlichkeit ist Kurz immer im Fokus gestanden. Aber in einer Partei wie der ÖVP mit starken Interessen- und Ländergruppen kommt es immer darauf an, dass das Miteinander funktioniert und dass sich alle einbringen. Das war in der jetzigen Phase möglicherweise sichtbarer als vorher.

Kommen wir zu den Zukunftsprojekten. Ein Wichtiges ist neue Digital-Universität. Bis Jahresende sollte der Standort fixiert werden.

Ich hatte ein ausführliches Gespräch mit dem neuen Wissenschaftsminister. Die international besetzte Konzeptgruppe, die sich mit den Inhalten beschäftigt hat, ist mit ihrer Arbeit fertig. Das ist eine sehr positive Überraschung. Wir werden das Konzept zu Jahresbeginn präsentieren. Es ist ein völlig neuer Zugang. Gleich zu Beginn des Studiums gibt es viel Praxisbezug. Der Bogen der Uni ist sehr weit, von der Industrie bis zu Kunst und Kultur. Ihr Zuschnitt ist völlig neu. Das Gründungsgesetz soll im ersten Halbjahr im Parlament beschlossen werden. Die Standortfrage ist mit im Gepäck. Zu Studienbeginn im Herbst 2023 wird aber noch kein fertiges Universitätsgebäude stehen.

Wie viel Geld wird der neuen Universität zur Verfügung stehen?

Der Bund stellt vorerst einmal 150 Millionen Euro in Aussicht. In der Gründungsphase sind es 30 Millionen. Es ist eine Universität des Bundes, der Bund hat die Hauptverantwortung für die Realisierung. Wir werden entsprechend mit dabei sein, wenn es um das Grundstück und die Errichtung geht.

Wird die Universität jenes Leuchtturmprojekt, das versprochen wurde?

Das wird es, das ist auch der Anspruch. Es gibt kaum Vergleichbares in Europa. Das muss mit Leben gefüllt werden. Wer forscht hier, wer unterrichtet hier? Gelingt es auch, internationales Publikum bei den Studierenden anzuziehen?

Was hat der Landeshauptmann – neben der Pandemie und der TU – noch im Talon für das neue Jahr?

Wie können wir trotz Pandemie den wirtschaftlichen Aufschwung so festigen, dass wir immer vorne dabei sind? Was bedeutet das für die Infrastruktur? Breitband und öffentlicher Verkehr. Der Industriestandort Oberösterreich wird mehr und mehr in Richtung Klimaschutz gehen, auch in den industriellen Abläufen. Am Ende wollen wir das arbeitsplatzintensive Land bleiben, das wir derzeit sind. Das muss unser Ziel sein.

Welche Neujahrswünsche hat Thomas Stelzer für sich persönlich?

Die gibt es, aber ich werde sie nicht öffentlich ausbreiten. Ich will wieder mehr zusammenführen. Im Herbst war eine prolongierte Wahlkampfstimmung. Wir sollten sie hinter uns lassen, ich will dazu beitragen. Es braucht eine Gesprächsbereitschaft und den Willen, dem anderen zu glauben, dass er positiv wirken will. Es muss dennoch auch eine klare Kante gegenüber Extremen geben. Wer den Staat und demokratische Entscheidungen ablehnt, überschreitet die Grenzen.