Wildtiere raus aus dem Wohnzimmer
Von Patrick Wammerl
Exotische Schlangen oder Skorpione, Vogelspinnen, Komodowarane und sogar Krokodile und Echsen: All diese teils hochgiftigen Lebewesen sind in niederösterreichischen Haushalten bereits seit neun Jahren Tabu – zumindest auf dem Papier. Durch das Niederösterreichische Polizeistrafgesetz wurde 2011 die Haltung einer langen Liste gefährlicher Wildtiere unter Strafe gestellt.
Das scheint dem für Tierschutzfragen zuständigen Landesrat, Gottfried Waldhäusl, immer noch nicht zu genügen, er will die Liste erweitern. Geht es nach dem FPÖ-Politiker, dann sollen noch etliche weitere Tiere auf die Verbotsliste kommen. Weil man mit einer hohen Dunkelziffer illegal gehaltener Exemplare rechnet, will Waldhäusl die Gangart verschärfen und ein „generelles Verbot von Zucht, Handel, Erwerb und Haltung gefährlicher Wildtiere“ im Landtag durchsetzen. Bis nach einer „notwendigen Übergangsfrist“ eine neue Regelung in Kraft treten könnte, will der Landesrat eine Kennzeichnungspflicht an den jeweiligen Haltungsadressen. In Wohnhausanlagen sollen beispielsweise Hinweisschilder „Vorsicht, giftige Tiere“ auf die Gefahr hinweisen.
Basis der bisherigen Regelung ist eine lange Liste an ausgewiesenen Reptilien, Säugetieren und Gliederfüßern, die „wegen der von ihnen ausgehenden Gefahren für die körperliche Sicherheit von Menschen als gefährlich eingestuft und nach dem NÖ Polizeistrafgesetz daher verboten sind“.
Alligator und Co.
Neben Krokodilen und Alligatoren finden sich auf der Liste hochgiftige Klapperschlangen, die Königskobra, der Taipan, Riesenschlangen wie der Netz- oder Felsenpython sowie Raubkatzen, Bären oder auch Hyänen.
Laut dem Büro von Waldhäusl bedarf es allerdings einer dringenden Überarbeitung dieser Verbotsliste. Die Aufstellung wurde von einem Artenschutzexperten neu bewertet und für „anpassungwürdig“ befunden. Auch wenn er das bestehende Halteverbot für völlig ausreichend empfindet, ist auch Reptilien-Experte und Gutachter Georg Jachan (siehe Bericht unten) der Meinung, dass die Liste verbotener Tiere durchaus mangelhaft ist. „Die Indische Cobra wäre demnach in Niederösterreich verboten, die wesentlich gefährlichere Wasserkobra aus dem Kongo aber nicht. Auch der Tigerpython ist nicht verboten, obwohl vor Jahren ein Tier fast seinen Besitzer erdrosselt hätte. Eine Überarbeitung wäre nicht schlecht“, sagt Jachan. Er selbst ist der Meinung, dass der illegale Besitz solcher Exoten in Niederösterreich aber so gut wie ausgestorben ist. „Ich selbst kenne niemanden mehr, der eine Giftschlange hält. Das hat sich aufgehört“, so Jachan.
Rettungseinsätze
Die Politik scheint da anderer Meinung zu sein. Waldhäusl will die Verschärfung zum Schutz von Zivilpersonen und Einsatzkräften. Auch laut dem nö. Landesfeuerwehrverband komme es immer wieder zu brenzligen Situationen bei Einsätzen, wenn Wildtiere Angst bekommen und aggressiv reagieren. Wie Waldhäusl sagt, komme es immer wieder vor, dass Kräfte von Feuerwehr, Rettung oder Polizei keinerlei Wissen darüber hätten, dass sich bei Einsätzen todbringende Tiere in der Nähe befunden haben.
Was die Zahl der in NÖ gehaltenen Wildtiere anbelangt, kann nur spekuliert werden. Durch das Bundestierschutzgesetz werden auch private Tierhalter zur Meldung von Wildtieren (außer Spinnen) mit besonderen Ansprüchen verpflichtet. Allerdings besteht bei der Behörde keine Abmeldeverpflichtung. Daher wisse man bei den offiziellen Stellen nicht, wenn ein Tier nicht mehr privat gehalten wird. Laut dem Büro von Landesrat Waldhäusl, wird alleine die Zahl der Reptilien in Privathaushalten im Bundesland auf eine „mittlere vierstellige Zahl“ geschätzt.
Reptilien-Experte ist für Sachkundenachweis
Wenn ausgesetzte Pythons die Bevölkerung in Angst und Schrecken versetzen, oder hysterische Hausbesitzer friedvolle Blindschleichen für die hochgiftige australische „Brown Snake“ halten, rückt Georg Jachan aus. Der Reptilien-Experte und Gründer des Reptilienheims und „Verein zum Schutz exotischer Reptilien und Amphibien“ in Gföhl im Waldviertel wird in Niederösterreich dann gerufen, wenn die Behörde mit exotischen Tieren nicht weiter weiß. Als Notfallbeauftragter unterstützt Jachan auch die Feuerwehr, wenn diese wegen ausgesetzter oder verirrter Reptilien zu Hilfe gerufen wird.
Den Vorstoß des zuständigen FPÖ-Landesrates Gottfried Waldhäusl in Sachen Verschärfung der Wildtierhaltung hält der Experte für entbehrlich. „Durch das Halteverbot gibt es heute fast niemanden mehr, der eine Giftschlange hält. Die schwarzen Schafe, die es bisher illegal getan haben, werden es auch nach einer Gesetzesänderung tun“, so Jachan. Sein Ansatz sei ein ganz anderer. Ähnlich wie beim Führerschein für Listenhunde tritt der Reptilien-Experte für eine Art Sachkundenachweis für die Haltung exotischer oder gefährlicher Tiere ein. „Wer sich ein solches Tier anschafft und bei sich zu Hause hält, muss nachweisen können, damit auch umgehen zu können. Jeder sollte einen grundlegenden Wissensstand haben, wie die Bedürfnisse des Tieres sind“, erklärt Jachan. Dieses Wissen könne man sich heutzutage ganz leicht über entsprechende Sachbücher oder Recherchen im Internet aneignen.
Aus für Wildtierbörsen
Mit dem im April 2016 in Kraft getretenen Verbot von Reptilien- und Wildtierbörsen durch eine Novelle der Tierschutz-Veranstaltungsverordnung, sei eine wesentliche Verbesserung der Situation eingetreten. „Dort wurden den Besuchern teilweise Reptilien aufgeschwatzt, mit denen sie später völlig überfordert waren. Viele wussten nicht einmal, was für ein Exemplar sie eigentlich gekauft haben“, sagt Jachan.
In der Folge wurden massenhaft Wildtiere wieder ausgesetzt. Seit dem Ende dieser Börsen sei diesbezüglich ein deutlicher Rückgang spürbar. Sollte jemand bei der Betreuung eines Reptils überfordert sein, bietet Jachan seine Hilfe an. Der Schwerpunkt seines Vereins liegt in der Unterbringung von Problem-Reptilien. Darunter versteht man Tiere, deren Haltungsansprüche dem Besitzer beim Kauf nicht bekannt waren oder solche Exemplare, die aus verschiedensten Gründen nicht mehr artgerecht untergebracht werden können. Dafür arbeitet Jachan mit diversen Reptilienzoos zusammen.