Chronik/Niederösterreich/Sankt Pölten

Mutter ertränkte ihre Töchter: Warum in NÖ das Unvorstellbare geschah

"Wissen Sie, wo Sie sind?", fragt der Richter. Ein leises "Ja" ist zu hören. "Und wissen Sie, warum Sie hier sind?", hakt der Vorsitzende nach. "Weil ich meine beiden Töchter getötet habe", antwortet die Frau, die zuvor in Handschellen in den Schwurgerichtssaal des Landesgerichts St. Pölten geführt wurde.

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Die zierliche 37-Jährige, die am 24. Juli 2023 ihre beiden Kinder in einem Pool im Bezirk Tulln ertränkt hatte, sitzt aber nicht als Doppelmörderin auf der Anklagebank. Die Staatsanwaltschaft hat keine Mordanklage erhoben, sondern fordert die Unterbringung der gebürtigen Burgenländerin in einem forensisch-therapeutischen Zentrum.

"Sehr seltenes Phänomen"

An dem Unvorstellbaren, das sich an dem heißen Sommertag in einem Einfamilienhaus abgespielt hatte, gibt es keinen Zweifel. Die Tat wurde von einer Überwachungskamera aufgezeichnet, das siebenjährige Mädchen und ihre sieben Monate alte Schwester befanden sich minutenlang unter Wasser. Danach raste ihre Mutter mit einem Auto gegen einen Baum. Sie wollte sich das Leben nehmen, der Versuch misslang aber.

Der Gutachter sprach von einem „sehr seltenen Phänomen“. Eine Psychose bewirke, dass man den Bezug zur Realität verliere, erläuterte er. Die 37-Jährige leide seit rund 15 Jahren an „furchtbaren Zwangsgedanken“ und Ängsten. 2019 sei sie erstmals in psychiatrische Behandlung gekommen. Die Frau habe an einer Depression gelitten und begonnen, alles in Frage zu stellen. „Das Puzzle, in dem sie gelebt hat, hat sich immer mehr vervollständigt“, meinte der Gutachter.

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Sie sind in einer verzweifelten Lebenssituation und brauchen Hilfe? Sprechen Sie mit anderen Menschen darüber. Hilfsangebote für Personen mit Suizidgedanken und deren Angehörige bietet das Suizidpräventionsportal des Gesundheitsministeriums. Unter www.suizid-praevention.gv.at finden sich Kontaktdaten von Hilfseinrichtungen in Österreich. In Österreich finden Frauen, die Gewalt erleben, u.a. Hilfe und Informationen bei der Frauen-Helpline unter: 0800-222-555, www.frauenhelpline.at; beim Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser (AÖF) unter www.aoef.at; der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie/Gewaltschutzzentrum Wien: www.interventionsstelle-wien.at und beim 24-Stunden Frauennotruf der Stadt Wien: 01-71719 sowie beim Frauenhaus-Notruf unter 057722 und den Österreichischen Gewaltschutzzentren: 0800/700-217; Polizei-Notruf: 133)

Die 37-Jährige habe sich große Sorgen um ihre Töchter gemacht und sich als Versagerin gefühlt. Ihre Medikamente habe sie teilweise nicht genommen, sie sei in einer Tagesklinik behandelt worden. „Das System hat alles aufgeboten, um ihr zu helfen“, sagte der Gutachter. An dem Tag der Tat sei die Möglichkeit der freien Willensbildung nicht mehr gegeben gewesen, die Frau sei nicht zurechnungsfähig gewesen. Ein langer Krankheitsprozess sei „innerhalb kurzer Zeit eskaliert“.

Wie lange die Frau in Behandlung bleiben muss, ist ungewiss. Sie sei "noch immer nicht gesund", weitere Taten könnten deshalb nicht ausgeschlossen werden, heißt es.

Die Beratung der Geschworenen dauerte nicht lange, die Entscheidung stand rasch fest. Die 37-Jährige wird in eine Psychiatrie eingewiesen und soll dort behandelt werden. Der Spruch ist rechtskräftig. "Sie hat im Wahn gehandelt", betonte auch ihre Verteidigerin Astrid Wagner.

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