Borkenkäfer-Drama: „Tote Bäume bitte stehen lassen“
Von Gilbert Weisbier
VonGilbert WeisbierTausende Hektar von Borkenkäfern zerstörter Wald und gleichzeitig die Herausforderung, Millionen Festmeter Holz zu unwirtschaftlichen Bedingungen abzutransportieren: Diese bisher ungekannte Situation für Forstbesitzer, von denen viele noch nicht wissen, ob das alles bewältigbar sein wird, bereitet vielen schlaflose Nächte. Da kommt der Vorschlag, aus der großen Not wenigstens zum Teil eine Tugend zu machen, vielleicht gerade zum rechten Zeitpunkt. „Arbeit einstellen“, lautet der Appell eines Praktikers – zumindest in bestimmten Situationen. Das spare Geld und bringe neue Chancen.
Vergeudet
„Das Fällen von Bäumen, die ohnehin kaputt sind und bei denen die Rinde schon abfällt, ist eigentlich vergeudete Energie. Lassen wir sie stehen“, meint Franz Fischer, Obmann des Waldverbandes Niederösterreich, dem Dachverband der forstlichen Gemeinschaften im Bundesland.
Die Preise für sogenanntes Käferholz seien inzwischen so niedrig, dass der Erlös den Aufwand für das Schlägern und den Abtransport der Bäume gar nicht mehr decken könne.
Fischer denkt aber bei seinem Vorschlag nicht alleine an das Einsparen von Arbeit und Geld, sondern auch an andere Aspekte.
„Wenn Bäume stehen bleiben, geben sie jungen Pflanzen Schatten und schützen sie so vor Wind und dem Austrocknen“, sagt der Waldbauspezialist. „Außerdem werden die kaputten Stämme in kurzer Zeit zum Lebensraum für Insekten. So entstehen ökologische Inseln, in denen sich Konkurrenten der Borkenkäfer vermehren können“, erläutert Fischer seine Idee.
Legal
Dabei gebe es auch rechtlich kein Problem, denn das Forstgesetz verlangt das Entfernen befallener Stämme nur, solange von ihnen noch eine Gefahr für umgebende Wälder ausgeht. Wenn das betroffene Gebiet bereits isoliert in großen Kahlschlägen liegt oder die Käfer die Stämme bereits verlassen haben, falle auch der juristische Druck zum Abtransport weg.
Natürlich müsse man dabei auch Nachteile berücksichtigen. „Tote Bäume fallen irgendwann um, also wird man die beispielsweise entlang von Wanderwegen weg schneiden müssen“, betont er. Außerdem machen kreuz und quer liegende Stämme die Bewirtschaftung einer Parzelle schwierig. Da gelte es, abzuwägen.
Zustimmung erhält Fischer von einem Spezialisten des Bundesforschungszentrums für Wald, nämlich Gernot Hoch, dem Leiter des Instituts für Waldschutz. „Wenn keine Gefahr für Wälder in der Nähe besteht, kann das ein sinnvoller Beitrag sein, um ökologisch wertvolle Totholzbestände zu schaffen und dadurch auch Biomasse in den Wald zurück zu bringen.“
Auch er rät aber dazu, die potenzielle Gefahr, die von stürzenden Stämmen ausgeht, nicht zu vergessen. Und die Auswirkungen auf eine spätere Bewirtschaftung nicht zu vergessen.
Mit erspartem Abtransport toter Bäume sind aber längst nicht alle Probleme der Waldbesitzer gelöst. Sie müssen sehen, wie sie Wiederaufforstung finanzieren – was bei der derzeitigen Ertragslage für Holz schwierig sein dürfte. „Dafür gibt es zum Glück sehr gute Unterstützungsprogramme“, schildert Fischer.
Auswahl
Gleichzeitig ist die Auswahl der Baumarten für die Aufforstung deutlich schwieriger als bisher. Denn noch vor zwanzig Jahren galt die Fichte, die vergleichsweise wenig Pflege braucht, als die Baumart mit dem besten Erlös. Hier hat seit einiger Zeit ein Umdenken eingesetzt. Es gibt inzwischen Beratungsangebote, die Höhenlage, Standort und Boden berücksichtigen und Grundbesitzern helfen sollen, robuste Wälder aufzubauen, die irgendwann auch wieder Ertrag bringen.