Burgenland kämpft um Bruegel-Bild
Von Thomas Orovits
Wenn am 2. Oktober in Wien die „weltweit erste große monographische Ausstellung“ mit Werken von Pieter Bruegel dem Älteren die Pforten öffnet, kann es gut sein, dass auch „Die Predigt Johannes des Täufers“ zu sehen ist. „Das Kunsthistorische Museum ist bemüht, das Gemälde im Rahmen der Ausstellung zu zeigen“, wurde dem KURIER aus dem KHM beschieden. Von den etwas mehr als 40 erhaltenen Gemälden Bruegels befindet sich ein Dutzend im Besitz des KHM, zahlreiche Leihgaben machen Wien während der drei Ausstellungsmonate vollends zum globalen Bruegel-Brennpunkt – mit oder ohne das auf 1566 datierte Predigt-Bild, das sich im Budapester Szépmuvészeti Múzeum befindet, dem Museum der schönen Künste.
Die Frage mit oder ohne Bild stellt sich dieser Tage ganz anders auch in der rund 160 Kilometer vom Kunsthistorischen Museum entfernten südburgenländischen Bezirksstadt Güssing. Denn – man höre und staune – das 95 mal 160,5 Zentimeter große Ölbild auf Holz, das der große niederländische Maler nach Szenen aus dem Matthäus- und Lukas-Evangelium geschaffen hat, soll sich bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg auf der Burg Güssing, damals Hauptresidenz der Fürsten Batthyány, befunden haben. Ja mehr noch, langjährige intime Kenner der verschlungenen juristisch-dynastischen Pfade sind überzeugt, „Die Predigt Johannes des Täufers“ sei immer noch integrales Inventar der ältesten Burg des Burgenlandes, die 1157 als Wehranlage errichtet wurde und 1524 in den Besitz der Familie Batthyány gelangte.
Um diese auf den ersten Blick schier unglaubliche These zu verstehen, muss man ins Jahr 1870 zurückgehen: Damals starb der kinderlose Fürst Philipp Batthyány im seinerzeit westungarischen Güssing (Németújvár). Zuvor hatte er eine Stiftung zum Zwecke der Erhaltung des alten Schlosses (=die Burg Güssing), des Franziskanerklosters und der Familiengruft gegründet. In die Stiftung eingebracht wurden aber neben Schloss und Kloster auch alle „in diesem Schlosse aufbewahrten Gegenstände“, namentlich „Familienportraits, in den Turmlokalitäten befindliche Bilder, Altertümer und andere Effekten“, heißt es in § IV des Testaments. Mit anderen Worten: Alles, was auf der Burg nicht niet- und nagelfest war, gehörte zum Stiftungsbestand – also auch das Bruegel-Bild.
Von der Existenz des Gemäldes, das zwischen 60 und 100 Millionen Euro wert sein soll – wenn es denn auf dem Kunstmarkt gehandelt würde – hat man in der Stiftung und beim Land als deren Aufsichtsorgan erst 2015 erfahren. Seither ist man bemüht, der Spur der Johannes-Predigt zu folgen. Demnach gebe es mehrere Zeugnisse für die Existenz des Bildes auf Burg Güssing. So sollte es 1896 auf der Budapester Millenniumsausstellung gezeigt werden, musste stattdessen aber zum Restaurator. 1912 war es dann bei einer Ausstellung in Szombathely zu sehen. Ebendort soll das Gemälde im Bischofspalast versteckt gewesen sein, als es in den Monaten der ungarischen Räterepublik 1919 konfisziert und nach Budapest gebracht wurde, wo es sich heute noch befindet – im Besitz der Familie Batthyány und unter Schutz des ungarischen Staates.
Klarheit
Der seit einem halben Jahr amtierende Finanz- und Kulturlandesrat Hans Peter Doskozil (SPÖ), der schon den jahrelangen Streit ums Geld mit Esterhazy beendet hat, will auch in dieser Causa abschließende Rechtssicherheit. Die Finanzprokuratur, „Anwalt der Republik“, ist im Auftrag des Landes Burgenland derzeit damit beschäftigt, alle bisherigen Gutachten und Rechtsmeinungen zu den Ansprüchen auf das Bruegel-Bild zu sichten und abschließend eine eigene rechtliche Expertise zu formulieren. Welche Fragen dabei im Mittelpunkt stehen, erläutert Wolfgang Peschorn, Präsident der Finanzprokuratur mit Sitz in Wien, im KURIER-Gespräch: „Gibt es einen Anspruch auf das Bild und wenn ja, wie können Land und Stiftung diesen Anspruch durchsetzen?“ Das voraussichtlich bis Ende des Jahres vorliegende Gutachten der Finanzprokuratur soll Land und Stiftung in die Lage versetzen, eine Entscheidung in der diffizilen Causa zu treffen.
Wie immer dieser über die Jahrhunderte und Landesgrenzen reichende Bilder-Streit endet, mit einer Rückkehr der „Predigt Johannes des Täufers“ auf die Burg Güssing rechnet niemand.
Aber ein allfälliger Rechtsanspruch auf das Bild könnte der Stiftung finanziell abgegolten werden, denn die Erhaltung von Burg und Kloster ist so teuer, dass die Stiftung, in der seit Mitte der 1980er Jahre die öffentliche Hand das Sagen hat, nur die Hälfte der Mittel aufbringen kann, den Rest muss alljährlich das Land zuschießen. Konkrete Zahlen will Stiftungsadministrator Gilbert Lang, der zugleich stellvertretender Amtsleiter im Güssinger Rathaus ist, nicht nennen.
Die Familie Batthyány – deren Stellungnahme bis Redaktionsschluss nicht einlangte – stellt einen Stiftungs-Kurator, eine finanzielle Beteiligung gebe es aber nicht. Lang: „Sie sind ja auch nicht mehr Eigentümer der Burg“.