Burgenland: Dieser Triumph überraschte selbst den Sieger
Von Thomas Orovits
„Unser Wahlziel ist ein Plus, wenn es auch noch so klein ist“, hatte Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil in den vergangenen Wochen immer wieder seine Erwartung für den 26. Jänner formuliert.
Das war eine maßlose Untertreibung, wie man seit Sonntag, knapp nach 16 Uhr weiß.
Die SPÖ Burgenland, die bei dieser Landtagswahl als „Liste Doskozil“ angetreten ist, hat 49,9 Prozent der Stimmen erreicht (plus 8 Prozentpunkte). Das bedeutet die absolute Mandatsmehrheit, die Doskozils Vorgänger und Mentor Hans Niessl 2005 erobert, fünf Jahre später aber wieder verloren hatte. 19 von 36 Mandaten sind vier Landtagssitze mehr als zuletzt. De facto sogar fünf, weil die SPÖ aufgrund des Austritts von Ex-Landtagspräsident Gerhard Steier im Juli 2015 die ganze Legislaturperiode über nur über 14 Abgeordnete verfügt hat.
In der neuen Landesregierung könnte die SPÖ alle fünf Regierungssitze besetzen – oder sogar sieben. Denn Doskozil hatte jüngst laut darüber nachgedacht, die gesetzlich beschlossene Verkleinerung der Regierung gleich wieder zu ändern. Dafür braucht es freilich eine Verfassungsmehrheit – also Stimmen von FPÖ und Grünen.
Dass die Volkspartei zustimmt, ist nach diesem Wahlsonntag kaum anzunehmen. Die ÖVP, die 2015 nach Abschaffung des Proporzes nach 70 Jahren mit dem schlechtesten Ergebnis seit 1945 aus der Landesregierung geflogen ist, wollte „mehr Türkis fürs Burgenland“ und holte Kanzler Sebastian Kurz in den vergangenen drei Wochen vier Mal als Wahlhelfer ins Land.
Mit bescheidenem Erfolg, denn die ÖVP rund um Spitzenkandidat Thomas Steiner erreichte zwar ihr Minimalziel, wieder „einen Dreier vor dem Ergebnis“ zu haben, kam auf 30,6 Prozent (plus 1,5 Prozentpunkte) und hielt ihre 11 Mandate. Aber das zweite Ziel, wieder Teil der Landesregierung zu werden, muss sie für weitere fünf Jahre ad acta legen.
Großer Verlierer des Wahlsonntags ist die FPÖ, die nach der Wahl 2020 wieder dort angelangt ist, wo sie bis 2015 war. Die Blauen rund um den bisherigen Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz büßten 5,2 Prozentpunkte oder zwei Mandate ein und kommen auf 9,8 Prozent und vier Sitze.
Unter den hohen Erwartungen sind die Grünen mit Landessprecherin Regina Petrik geblieben, die sich nach der Regierungsbeteiligung im Bund auch im Burgenland deutliche Zugewinne und ein drittes Mandat erwartet hatten, was die Bildung eines Landtagsklubs erlaubt hätte. Tatsächlich stagnierte die Kleinpartei mit 6,7 Prozent (plus 0,3 Prozentpunkte) und bleibt bei zwei Mandaten.
Nicht mehr im Landtag ist das Bündnis Liste Burgenland (LBL) mit Frontmann Manfred Kölly, das auf 1,3 Prozent (minus 3,6) rutschte. Ebenfalls an der Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in den Landtag gescheitert sind die Neos, die noch schlechter abgeschnitten haben als beim ersten Antreten 2015: Die Pinken mit Spitzenkandidat Eduard Posch kamen nur auf 1,7 Prozent (minus 0,6).
Im neuen Landtag sind damit statt fünf nur noch vier Parteien vertreten. 250.181 Burgenländer ab 16 Jahren waren wahlberechtigt. Die Beteiligung: 74,9 Prozent.
„Mein schönster Tag“
Doskozil, der im SPÖ-Klub mit „Dosko, Dosko, Dosko“-Rufen frenetisch gefeiert wurde, räumte ein, dass er „sprachlos“ sei. „Ich kann diesen Tag gar nicht fassen“, sagte der Wahlsieger, der vor 11 Monaten im Landtag zum Nachfolger von Niessl gewählt wurde und am Sonntag erstmals als Spitzenkandidat ins Rennen gegangen ist.
Vor einigen Wochen habe er persönlich auf 43,8 Prozent für die SPÖ getippt, dass es nun an die 50 Prozent seien, mache den Wahlsonntag „zum schönsten Tag in meinem Leben“, rief der 49-jährige Ex-Verteidigungsminister ins Publikum. Neben ihm standen nicht nur seine Verlobte Julia Jurtschak, die er im Mai heiraten will, sondern auch SPÖ-Bundesparteichefin Pamela Rendi-Wagner und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, der im Herbst eine Wahl zu schlagen hat.
„Wir haben ein ganz starkes Lebenszeichen der Sozialdemokratie gesetzt. Aber wir dürfen jetzt nicht größenwahnsinnig werden. Es ist wichtig, die Themen der Menschen ernst zu nehmen“, so der SPÖ-Landeschef. Er spielte damit auf die roten Themen 1.700 Euro Mindestlohn, Anstellung pflegender Angehöriger, Biowende und Gratiskindergarten an, die er bis zur Wahl auf Schiene gebracht hatte.
Doskozil will mit diesem Wahlergebnis „sehr demütig“ umgehen und kündigte Arbeitsgespräche mit allen anderen Landtagsparteien an, „denn wir haben die Weisheit ja nicht mit Löffeln gefressen“. Dass er als Bundesparteichef nach Wien gehen könnte, schloss er erneut dezidiert aus.
Nicht ausgeschlossen hat hingegen FPÖ-Frontmann Tschürtz, dass er beim Landesparteitag im Frühjahr nicht mehr antritt. Die Freiheitlichen haben sich heute einen „blauen Montag“ verordnet und tagen erst am Dienstag. SPÖ und ÖVP wollen am Montag über die nächsten Schritte beraten.
Niessl, der Doskozil einst als „sehr politiktauglich“ beschrieben hatte, sagte am Sonntag hörbar zufrieden zum KURIER: „Diese Einschätzung hat er mehr als eindrucksvoll bestätigt.“