Vienna Design Week: Ein Rundgang durch den siebenten Bezirk

Vienna Design Week: Ein Rundgang durch den siebenten Bezirk
Von 28. 9. bis 7. 10. findet die Vienna Design Week statt. IMMO hat Kuratorin Lilli Hollein vorab durch Wien-Neubau begleitet.

Lilli Hollein kommt mit klackernden Schuhen ums Eck. „Ihr müsst euch das leider während unserem Rundgang durch den diesjährigen Designbezirk anhören“, kommentiert sie das Geräusch ihrer silbernen Glitzersandalen. Zum zwölften Mal kuratiert Hollein die Vienna Design Week, die heuer in Wien-Neubau stattfindet. „Wir waren jetzt endlich bereit für den siebenten Bezirk“, sagt sie und wirft einen Blick durch den Garten des Sophienspital, der heuer teil der Festivalzentrale ist.

Die Vienna Design Week wechselt jedes Jahr den Bezirk und jedes Jahr zählt sie bis zu 38.000 Besucher. Der Eintritt ist während des gesamten Festivals von 28. September bis 7. Oktober frei: „Wir wollen eine breite Öffentlichkeit für das Thema sensibilisieren“, sagt sie. Zu bezahlen sind nur Museen und geführte Touren.

Start unserer Tour durch den Siebenten

Ausgangspunkt unseres Spaziergangs durch den diesjährigen Designbezirk ist die Festivalzentrale, das Sophienspital in der Apollogasse. Dort werden Designer aus dem In- und Ausland ihre Stücke ausstellen. Aber auch die Werkstätten mitten in der Stadt öffnen während des zehntägigen Festivals ihre Pforten. „Einige dieser Handwerker werden wir in den nächsten drei Stunden besuchen“, sagt Hollein, während sie die Stufen des Sophienspital hinaufgeht.

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„Das Gebäude ist ein Glanzstück der Krankenhausarchitektur von Martin Kohlbauer und wird seit rund einem Jahr nicht mehr genutzt“, erklärt sie. Türschilder wie das von Oberärztin Dr. Magenheim und Wegweiser in Richtung Intensivmedizin erinnern noch an den Spitalbetrieb. Es herrscht eine Atmosphäre, wie man sie nur in Krankenhäusern spürt, obwohl der typische Geruch bereits verschwunden ist. Wir gehen durch eine der vielen Türen, die in den langen Gängen aneinandergereiht sind. Weiße Plastikvorhänge unterteilen den Raum, die Betten wurden bereits entfernt. „Hier wird die Design-Notfallambulanz aufgebaut“, weiß Hollein. Manche Designer haben ihre Ideen an den Ort angepasst, andere nicht. „Das konnte jeder frei entscheiden“, sagt sie.

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Designer und Modellbauer

Vom sterilen Spital führt der nächste Stopp quer durch den siebenten Bezirk, vorbei an kleinen Modeläden und hippen Cafés in eine staubige Möbelwerkstatt. Die Tür zum werK Nussbaumer in der Kenyongasse ist ausgerechnet heute zu, obwohl sie sonst immer offen steht. Jakob Nussbaumer, der Sohn der Künstler Katja und Werner Nussbaumer, sperrt auf und führt uns hinein. Holzbretter lehnen an jeder freien Stelle, die die Wände bieten. Es ist dunkel, aber ein paar Sonnenstrahlen sorgen für genügend Licht.

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„Im werK werden aus Entwürfen Modelle im Maßstab eins zu zehn angefertigt, bevor sie gebaut werden“, erklärt Hollein. Auf diese Weise können sich Kunden das Produkt besser vorstellen. Die Idee kam den Künstlern, weil Katjas Bruder blind ist und er die Form und Optik seiner zukünftigen Möbel mithilfe der Modelle ertasten konnte. „Aber auch für uns Sehende sind die Modelle hilfreich. Die Materialien und Maße sind dieselben, wie die der fertigen Möbel“, erklärt Nussbaumer. Mittlerweile ist die Miniatursammlung so groß, dass damit ein Museum gefüllt werden kann – und das tut sie auch. Während der Vienna Design Week sind die Modelle im Hofmobiliendepot zu sehen.

Glasbläser und Gehsteigparty

Vom werK aus gehen wir die Kenyongasse einige Meter hinauf und biegen in die Westbahnstraße ein. Unsere dritte Station zeigt viel Licht, Farbe und Hitze. Glaskünstler Robert Comploj ist in seiner „Glashütte Comploj“ zwar gerade nicht vor Ort , dafür begrüßt uns seine Mitarbeiterin Eva Zangerle. Sie steht im hinteren Bereich des Ladens vor den drei Öfen. Die Temperatur fühlt sich dort zehn Grad wärmer an. Sie schwenkt das Ende einer Stange im Feuer, um es kurz danach geschickt herauszuziehen und das flüssige Glas mit einer Zange und wendigen Handgriffen zu formen.

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„Während der Design Week veranstaltet die Glashütte Comploj einen Cocktail, der meist in eine Gehsteig-Party ausartet“, weiß Hollein. An diesem Abend wird zwar kein Glas geblasen, „aber Interessierte können untertags immer zusehen“, sagt Zangerle. Währenddessen schlendert Hollein durch den Laden in Richtung Ausgang. „Vasen, Gläser, Luster und Kunstwerke – wenn ich hier bin, will ich alles haben, was ich sehe“, sagt sie.

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Silberkunst seit 121 Jahren

Dasselbe Gefühl hat Hollein auch in der nächsten Werkstatt. Für unsere vierte Station biegen wir von der Westbahnstraße in die Zieglergasse ein und halten vor einem Schild, auf dem in alter Schrift „Silberwaren Fabrik“ zu lesen ist. Hier sind die Objekte weniger zerbrechlich und das Tageslicht kommt nicht wirklich durch, dafür strahlt das Edelmetall. Seit 1847 bringt Jarosinki & Vaugoin Silber in Form und ist damit die älteste Silbermanufaktur Wiens.

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Um die Tür des Ladens zu öffnen, muss geklingelt werden. Eine Mitarbeiterin lässt uns herein und weist den Weg in die Werkstatt. Es wirkt chaotisch. Auf einem Tisch liegt ein Haufen halb fertiger Silbergabeln. Im hinteren Bereich steht ein schwerer Hammer bereit, um die Löffel in Form zu schlagen. Mittendrin sitzt Silberschmiedmeister Yakup Kurter. Er kennt jeden Winkel der Silberschmiede und muss nach keinem Werkzeug suchen. Mit voller Wucht schlägt er auf ein Edelmetall, das eine Gabel werden soll. „Keine Sorge, der Hammer ist aus Holz. Dem Silber kann nichts passieren“, sagt Kurter lachend.

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Sechs Passionswege während der Design Week

Auch wenn er Kraft einsetzen muss, geht Kurter sehr sorgsam mit dem Material um. Dieser Qualitätsanspruch, den die Werkstätten an sich selbst stellen, brachte Hollein vor 13 Jahren auf die Idee der Passionswege.  „Dafür bringen wir Betriebe wie Jarosinki & Vaugoin  mit Designern  wie dem polnischen Designstudio Rygalik zusammen“, erklärt sie.

Gemeinsam erarbeiten sie dann etwas Neues. Zu sehen sind die Stücke während der Design Week in den jeweiligen Betrieben. Wie beispielsweise auch in unserer fünften Station: dem Traditionsunternehmen Fialka. In der Schottenfeldgasse werden seit 1923 Etuis und Schatullen für Münzen, Ehrenzeichen und Schmuck angefertigt. Für die Passionswege  arbeitete Friedrich Fialka mit den Schweizer Designerinnen Kueng Caputo. Nach einem raschen Rundgang durch seine Werkstatt, in der sich rote, blaue und ockerfarbene Schatullen türmen, müssen wir schnell weiter zur nächsten Station. Denn die ersten beiden Stunden unseres Streifzugs sind bereits verflogen und zwei Stopps stehen noch aus.

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Sattler und Tapezierer

Wir spazieren über die Westbahnstraße zurück in die Neubaugasse und kommen vor dem Traditionsbetrieb Kohlmaier zum Stehen. Das Familienunternehmen existiert seit 1884 und da das Archiv im Keller gefüllt ist mit Stücken aus der Vergangenheit, lädt  Kohlmaier die Besucher während der Design Week auf eine Zeitreise ein.

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„Wie werden einige Möbel in den Büroräumen ausstellen“, sagt Bernd Kohlmaier.
Seine  verwinkelte Hinterhofwerkstatt wird ebenfalls zu sehen sein. Der Weg dorthin legt den Blick in die  angrenzenden Wohnungen frei. Genau das sei die Essenz der Vienna Design Week und auch ein Grund, dass jedes Jahr der Bezirk gewechselt wird. „Irgendwann findet das Festival  vor der eigenen Haustür statt und dann interessiert sich vielleicht jemand für Design, der vorher nichts davon wissen wollte“, freut sich Hollein

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Designforum Wien

Um die siebte Station zu erreichen, huschen wir in die Straßenbahn. Haltestelle: Museumsquartier. Dieser letzte Stopp war Lilli Hollein besonders wichtig: „Das ‘designforum’ darf bei einem Rundgang durch den siebten Bezirk natürlich nicht fehlen“, sagt sie und führt uns für die verbleibenden zehn Minuten durch die Ausstellung.www.viennadesignweek.at

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