Ratternde Fahrstühle, unverputzte Backsteinwände, brüchige Metallfenster: Es sind Szenen aus berühmten Filmen wie Philadelphia mit Tom Hanks aus dem Jahr 1993, die solche oder ähnliche Bilder entstehen ließen, wenn früher das Wort "Loft" fiel. Doch längst steht der Begriff, der ursprünglich Speicher bezeichnete, nicht mehr für zwielichtige Großstadthinterhöfe, sondern für mondänes Wohnen in oftmals bester Lage. Die Gewerbe- und Lagerhäuser, die im Zuge der Industrialisierung in Städten weltweit entstanden, waren Mitte des 20. Jahrhunderts zunehmend von Leerstand bedroht. Bald schon erkannte die künstlerische Bohème das Potenzial der alten Fabriksgebäude, die vor allem günstigen und meist hellen Wohnraum boten.
Unter dem Titel "Portrait of the Loft Generation" veröffentlichte der Journalist
Gilbert Millstein 1962 im
New York Times Magazine einen Artikel, der das
Lebensgefühl der neu entstandenen Kreativklasse einfing. Schnell begann die Aufwertung der betroffenen Stadtviertel, und die Angebotslage konnte vielerorts nicht mit der stetig steigenden Nachfrage mithalten. Mittlerweile sind entsprechende Wohnungen in Städten wie
New York oder
Berlin im Hoch- oder Luxuspreissegment angesiedelt und so begehrt, dass auch bei neuem Wohnraum ästhetische Anleihen an der industriellen, großflächigen Bauweise genommen werden. Diese oft mit dem Attribut "soft" versehenen Appartements stellen eine gefragte Alternative zu den ursprünglichen, sogenannten "hard lofts" dar, und die Immobilienbranche bringt ständig neue Wortschöpfungen hervor, die an das damit verbundene exklusive
Lebensgefühl anknüpfen sollen.
Investoren und Architekten machen sich die Strahlkraft des Begriffs und das Image der damit verbundenen Wohnform zu eigen: Allerorts entstehen Hotels, Büros, Ateliers und sogar Parkhäuser, die sich mit dem Ausdruck schmücken. Letztere bieten an Orten mit entsprechenden baulichen Voraussetzungen die Möglichkeit, das Auto mittels Fahrzeuglift direkt auf die Wohnebene anzuheben. Ein Prototyp wurde 2009 in Kreuzberg fertiggestellt. Überhaupt bietet die städtische Struktur Berlins mit ihren zahlreichen Gründerzeitbauten die idealen Voraussetzungen für den (Aus-) Bau alter Industrieräume. So wird im Band auf zahlreichen Seiten die Entstehung der "Opernlofts" in Berlin-Mitte festgehalten. Ein Teil der einstigen Wäschefabrik wurde nach dem
Zweiten Weltkrieg von der damals neu gegründeten Komischen Oper als Werkstatt und Probenraum genutzt. Als die Stadtverwaltung beschloss, diese zu verlegen, kaufte die Münchner Optima-Aegidius-Gruppe die Räumlichkeiten auf und ließ sie in kleinteiligere Einheiten umwandeln.
Der Spagat zwischen dem Erhalt des ursprünglichen Gebäudecharakters und zeitgemäßen Ausstattungsanforderungen sei hierbei Dauerthema gewesen, wie Geschäftsführer
Jens Laub feststellt. Je nach Kundenwunsch müsse bei entsprechenden Projekten mit der Bausubstanz unterschiedlich umgegangen werden. Im "
Oriental Warehouse Loft" in
San Francisco wurde viel im Original belassen, um eine möglichst "authentische" Atmosphäre zu kreieren. Ein Projekt der arcs Architekten in
Zürich verfolgt einen anderen Ansatz. Dem moderneren Ambiente verlieh man beispielsweise durch Farbe auf den gusseisernen Rohren nachträglich einen industriellen Anstrich. Mit zugigen Fabriksetagen ohne Heizung oder Wasser haben die begehrten Immobilien jedenfalls nur noch selten zu tun. Diese Meinung vertritt auch
Jens Laub: "Heute geht es um ein ganz bestimmtes Bild von einem Loft – aber als optische Oberfläche und nicht als originale Rekonstruktion damaliger Wohnverhältnisse."
Der Bildband erzählt auf 231 Seiten vom Wohnen in ehemaligen Industriegebäuden. Anhand eines Projekts in
Berlin wird eine solche Neugestaltung dokumentiert.
Callwey Verlag, € 79,–
Kommentare