Der Vorarlberger Architekt Bernardo Bader gewinnt mit dem Projekt "Behauste Scheune" den "Häuser des Jahres"-Award 2015. Ein Bildband stellt die 50 besten Häuser in Österreich, Deutschland und der Schweiz vor. Claudia elmer.
16.09.15, 06:00
Endlich ist alles unter einem Dach – nicht einmal um zum Auto zu gelangen, muss man nach draußen gehen. Als Gegenleistung für die Unterstützung bei seinem eigenen Hausbau hat Bernardo Bader nun für seinen Bruder geplant. Und belegt damit den ersten Platz des "Häuser des Jahres"-Awards, den der Callwey-Verlag heuer zum fünften Mal auslobte. Wo heute das Haus im hellen Bretterkleid steht, befand sich einst ein Bauernhaus, das – wie der Baugrund – seit Generationen in Familienbesitz ist und erhalten werden sollte. Fundament und Holzkonstruktionen waren jedoch so marode, dass der Bestand abgerissen werden musste. Wenn schon Neubau, dann sollte die Baugeschichte aber angemessen fortgeschrieben werden: Deshalb steht das Haus des Bruders heute an derselben Stelle wie der alte Hof – mitten auf dem freien Feld.
Wie könnte ein zeitgemäßes Wohnhaus an so exponierter Stelle aussehen? Das Raum für Unvorhergesehenes lässt und alles unter einem Dach vereint? "Wenn man ein Haus abträgt, muss man sich besinnen und fragen: Was kann das Gebäude aus eigener Kraft leisten", sagt
Bernardo Bader. Die Antwort fand er in den Schuppen und
Scheunen, die die Dorfstruktur im vorarlbergerischen Doren prägen. Er griff die traditionelle Bauweise der Bregenzerwälderhäuser auf, wie er erklärt: "Sie sind weniger schmal und lang als klassische
Einfamilienhäuser und bis zu 14 Meter breit. Das erlaubt, alle Funktionen in einem Volumen zu integrieren." Wie der abgetragene Vorgänger kommt auch der Neubau ohne Nebengebäude aus. Sowohl die Garage als auch der Geräteschuppen sind in der kompakten Hülle untergekommen. In jede Himmelsrichtung gibt es eine Öffnung, wobei die Terrasse nach Süden und der Eingangsbereich mit Vordach nach Norden gerichtet sind.
Vor den Fenstern brachte
Bader außenliegende Schiebeelemente an – eine weitere Referenz an das Bregenzerwälderhaus, das üblicherweise Klappläden und Tore aufweist. In einer Stahlrahmenkonstruktion, die von innen und außen bewegt werden kann, finden versetzt angeordnete Bretter Halt. Sie dienen als Sicht- und Wetterschutz: Im geschlossenen Zustand halten sie Regen ab, lassen jedoch Licht nach drinnen. Zur Verdunkelung gibt es Vorhänge. Auch den Wunsch nach einer großzügigen Raumarchitektur erfüllt das Haus.
Bader bediente sich dazu einer klaren Aufteilung: Der Wohn-, Koch- und Essbereich samt Kamin erstreckt sich über die gesamte Tiefe des Hauses und wird durch einen querstehenden Küchenblock strukturiert. Auch alle weiteren Wohnfunktionen wie Arbeiten und Schlafen verteilen sich im Erdgeschoß.
"Leistet man sich von Beginn an mehr Volumen, muss ein nachträglicher Ausbau nicht kostspielig sein."
Über eine Treppe gelangt man ins Dachgeschoß, wo Werk- und Hobbyraum für die Möbelsammlung der Bauherrin untergebracht sind. Hier ist auch noch Platz für ein weiteres Kinderzimmer. "Leistet man sich von Beginn an mehr Volumen, muss ein nachträglicher Ausbau nicht kostspielig sein. Ein Giebeldach bietet nach oben hin Luft für andere Lebenslagen und große Nutzungsfreiheit. Es verleiht dem Haus zusätzlich Form und lässt den Regen leichter abrinnen", sagt
Bader, dessen gestalterische Bandbreite von einer Moschee in
Heilbronn über einen Bahnhof im schweizerischen
Appenzell bis zu einer 600-Quadratmeter-Residenz für die Österreichische Botschaft in
Zagreb reicht.
Der tragende Kern des Hauses ist in Sichtbeton ausgeführt während die Außenhaut ein Kleid aus Weißtanne mit Zellulosedämmung trägt. Die Stämme dafür stammen aus dem eigenen Wald, die Montage erfolgte in Eigenregie. Wie bei vielen Arbeiten, hat der Bauherr auch beim Fußboden Hand angelegt, ihn aus Altholzdielen des Bestandgebäudes gehobelt und im Wohnraum verlegt. "Es ist nur ein Haus", antwortet Bader auf die Frage, was dieses Projekt auszeichnet. "Man kann einfach darin wohnen und es bietet genug Spielraum." Es zeigt auch, dass Gestaltung ganz ungezwungen sein kann. "Die Ansprüche sind heute oft sehr hoch. Viele wünschen sich perfekte Oberflächen und möglichst keine Nähte. Wir wollten bewusst keine Designikone fabrizieren sondern etwas machen, das die Bauherren brauchen: Eine Werkstatt, einen Hobbyraum, einen Kamin."
Werknutzungsrecht für Luger & Maul Architekten ZT-GmbH
Parallel zum Wettbewerb erschien eine empfehlenswerte Lektüre für angehende Häuslbauer, in der weitere 49 Projekte aus
Österreich,
Deutschland und der
Schweiz publiziert sind. Unter anderem wird ein Heustadel am Hallstättersee vorgestellt, den das Welser Architekturbüro Luger & Maul zu einem kleinen Ferienhaus mit 35 Wohnfläche umgebaut hat. Die aus Bruchsteinen gemauerten Eckpfeiler wurden erhalten und innen mit Schaumglas gedämmt. Die Zwischenfelder erhielten eine Füllung aus Holzständern, die innen mit Weißtanne und außen mit einer Lärchenschalung verkleidet sind. So wurde das äußere Bild des Stadls verfeinert, aber nicht verändert.
Wie ein freundlicher Fremdkörper wirkt dagegen ein
Einfamilienhaus am deutschen Untersee. Biehler Weith Associated –Building Design Projects realisierten ein Ensemble aus drei polygonalen Baukörpern, deren Fassade und Dach membranartig mit goldschimmernden Aluminium-Verbundtafeln überzogen sind.
In
Vicosoprano (
Schweiz) hingegen tritt Architekt
Renato Maurizio in einen Dialog mit der Natur. Er realisierte ein in den Berg geschobenes Wohnhaus auf drei Etagen, deckte es mit Bergeller Granit und mauerte den gedämmten Betonwänden 30 Zentimeter dicke Natursteine vor. Diesen Baustoff, sagt der Architekt, gibt es "in nahezu fertiger Struktur in der Natur. Für seine Herstellung ist keine Energie notwendig. Nur bei der Gewinnung und Bearbeitung wird Energie verbraucht." Selbst dieser Aufwand war minimal: Die Steine stammen vom nächstgelegen Bruch bzw. vom Aushub.
Wladimir Kaminer und Wolfgang Bachmann: „Häuser des Jahres – Die besten Einfamilienhäuser 2015“ stellt 50 ausgezeichnete Bauprojekte in
Österreich, Deutschland und der Schweiz vor.
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