Von Vogelmännchen, die Eier legen, und anderer Geschlechtsumkehr

Anatomie und DNA des Lachende Hans wurden genau untersucht.
Ist der Lachende Hans eine Lachende Hansi? Wie oft haben Regenbogenloris trotz weiblicher Gene männliche Fortpflanzungsorgane? Gibt es Blässhähne, die Eier legen?
Dominique Potvin, Tierökologin an der University of the Sunshine Cost in Queensland, und ihr Team wollten dem bekannten Phänomen der Geschlechtsumkehr bei Vögeln auf den Grund gehen. Dafür sezierten sie fast 500 gefiederte Kadaver der fünf häufigsten australischen Wildvogelarten; diese waren zuvor in der örtlichen Tierklinik an einer Krankheit oder Verletzung gestorben. Und sie werteten deren DNA aus.
Nun schreiben die Forschenden im Fachmagazin Biology Letters, dass sie unter allen untersuchten Spezies geschlechtsveränderte Individuen fanden. Der Anteil lag zwischen drei und sechs Prozent – überraschend hoch.
Bei den meisten Säugetieren ist ein Y-Chromosom im Erbgut für das männliche Geschlecht verantwortlich. Zwei X-Chromosomen führen zur Entwicklung von Weibchen.
Bei einigen Reptilien bestimmt etwa die Bruttemperatur im Nest, ob männliche oder weibliche Nachkommen schlüpfen. Auch das Tageslicht, Futter und Hormone können das Geschlecht beeinflussen.
Ein äußerst seltener Sonderfall neben den drei Varianten von Zwittern ist der Halbseiten-Zwitter, Gynander genannt. Er ist gleichzeitig Männchen und Weibchen – dem Aussehen nach und den inneren Organen zufolge. Er wächst durch Abweichungen in der frühembryonalen Zellteilung heran.
„Bei Tieren gibt es drei Varianten von Zwittern“, definiert Andreas Hantschk vom Naturhistorischen Museum Wien nach Lehrbuch. Die Doppelgeschlechtlichkeiten sind keine zufälligen Ausrutscher in der Reproduktion, sondern vorgesehene Spielarten der Natur mit evolutionärem Vorteil. Der Museumspädagoge kennt kuriose Beispiele.
Weinbergschnecken sind Simultanzwitter
„Weinbergschnecken sind wie viele Schnecken so genannte Simultanzwitter“, erklärt der Biologe. Was mit dem Abfeuern der körpereigenen Liebespfeile beginnt, endet in gegenseitiger Befruchtung. Diese sorgt für einen Gen-Mmix und mehr Nachkommen; Klone hätten schlechtere Überlebenschancen.
Auch Iberische Maulwürfe weichen von der v.a. bei Säugetieren gängigen Kategorisierung in zwei Geschlechter ab. Die stark vermännlichten Tunnelbauerinnen weisen Organe sowohl mit Eierstock-, als auch mit Hodenanteil auf. Gene, die die Testosteronproduktion steuern, machen aus den Weibchen kräftige Buddler in den trockenen Böden Spaniens.

Weinbergschnecken sind Simultanzwitter.
„Der Blaukopf-Junker ist der am besten erforschte Proterogyne Zwitter“, wendet sich Hantschk Fischen zu. Findet sich nach dem Tod des dominanten Männchens kein neuer Chef für die Gruppe, springt ein weiblicher Lippfisch ein und entwickelt sich innerhalb einer Woche zum Bewacher des Harems. Farbanpassung und aggressiveres Verhalten inklusive. Ist die Verwandlung vollzogen, gibt es kein zurück.
Auch einige Garnelenweibchen haben die Fähigkeit, bei Bedarf das Geschlecht zu ändern.
Es gibt drei Arten von Doppelgeschlechtlichkeit
„Bei der Pantoffelschnecke – sie zählt zu den Protandrischen Zwittern – ist die Umkehr vom Männchen zum Weibchen für jedes einzelne Tier vorgezeichnet“, bringt der Museumspädagoge ein Beispiel für die dritte Form der Doppelgeschlechtlichkeit. Die Larven haben noch kein sichtbares Geschlecht. Sobald sich das Jungtier am Meeresboden festsetzt, beginnt es, zum Weibchen zu mutieren, bereit für Sex. So türmt sich schließlich ein Schneckenhaufen mit wechselnden Geschlechtsmerkmalen auf.

Blaukopf-Junker können bei Bedarf das Geschlecht wechseln.
Der kleinen Ringelwurm Ophryotrocha puerilis setzt auf dieselbe Strategie. Wie bei vielen Wirbellosen bilden sich die zunächst männlichen Geschlechtsorgane im Laufe des Lebens zu weiblichen aus. „Bei klassischen Bandwürmern kommt noch eine Besonderheit dazu“, weiß Hantschk: Die Parasiten befruchten sich selbst, jedes einzelne Glied ist protandrisch.
Zur Geschlechtsumkehr sind noch viele Fragen offen
„Ich bin sicher, dass in Zukunft Einiges in Sachen Geschlechtsumwandlung bei Tieren entdeckt werden wird“, schließt der Biologe. Auch die australischen Wissenschaftler hoffen auf weitere Erkenntnisse. Sie konnten den Grund für die vage Geschlechtsidentität der Vögel nicht klären.
Fest steht für sie dagegen, dass weder das Erbgut allein, noch ausschließlich die Anatomie zur Geschlechtsbestimmung taugt.
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