Woher Forscher wissen, dass dieser Anhänger einer Frau gehörte

Woher Forscher wissen, dass dieser Anhänger einer Frau gehörte
Wissenschafter gewinnen erstmals Erbgut von der Oberfläche eines Steinzeit-Anhängers.

Als die Archäologen Maxim Kozlikin und Michael Shunkov ausgerüstet mit Handschuhen und Mundschutz im Jahr 2019 in der berühmten Denisova-Höhle in Russland frisch fröhlich vor sich hingruben und einen Anhänger aus Hirschzahn aus dem Jungpaläolithikum entdeckten, war die Freude groß. Kozlikin brachte das Sackerl mitsamt umgebendem Dreck nach Leipzig ans Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, wo er es aus der Tasche zog und zur Mikrobiologin Elena Essel meinte: „Mögt ihr euer Glück mal damit versuchen?“

Woher Forscher wissen, dass dieser Anhänger einer Frau gehörte

20.000 Jahre alt und voller DNA: Ein Steinzeit-Anhänger

Die Wissenschafterin arbeitete zur selben Zeit fieberhaft an einer neuen, zerstörungsfreien Analysemethode zur Isolierung von DNA aus alten Knochen und Zähnen, die es möglich machen sollte, den Benutzer von Schmuck und Werkzeugen aus ferner Vergangenheit zu identifizieren. Dazu muss man wissen, dass Forscher bisher darauf angewiesen waren, die kostbaren Artefakte anzubohren, um tief in deren Inneren an das Erbgut heranzukommen, das dann analysiert wurde.

Woher Forscher wissen, dass dieser Anhänger einer Frau gehörte

Im Labor wird das Erbgut analysiert

Heute steht in Essels Reinraumlabor „eine Waschmaschine für uralte Artefakte. Wenn wir die Artefakte bei Temperaturen von bis zu 90 °C waschen, sind wir in der Lage, DNA aus dem Waschwasser zu extrahieren, während die Artefakte völlig intakt bleiben“, erklärt die Leipziger Mikrobiologin die von ihr entwickelte Methode, die soeben im Wissenschaftsmagazin Nature vorgestellt wurde. Sie läutet wohl eine neue Ära in der Erforschung alter DNA ein.

Das Waschwasser haben wir weiter bearbeitet und daraus die DNA extrahiert.

von Elena Essel

Mikrobiologin

Essels Team bestimmte das Erbgut des eingangs erwähnten Anhängers, eines Wapiti-Hirsches, und eine große Menge alter menschlicher DNA.

„Das war wirklich außergewöhnlich – fast so, als ob wir einen menschlichen Zahn beprobt hätten“, sagt Essel. So erkannten sie, dass das Erbgut wahrscheinlich von einem einzigen Menschen stammt – einer Frau, wie ihr die Anzahl der X-Chromosomen verriet. Diese Frau aus der Gruppe der in Sibirien heimischen Ancient-North-Eurasians dürfte den Anhänger vor 19.000 bis 25.000 Jahre hergestellt, benutzt oder getragen haben.

Rätsel lösen

Die neue, zerstörungsfreie Methode zur DNA-Isolierung könnte schon bald viele Rätsel lösen: Das Team hofft, die Analyse bei vielen anderen steinzeitlichen Gegenstände anwenden zu können. Dabei wird man sich auf Artefakte aus Skelettbestandteilen beschränken, weil diese poröser sind und mit größerer Wahrscheinlichkeit Erbgut aus Hautzellen, Schweiß und anderen Körperflüssigkeiten binden können. So könne man nicht nur mehr über die genetische Abstammung und das Geschlecht der betreffenden Personen erfahren, sondern Einblicke in steinzeitliche Gesellschaften gewinnen und herausfinden, wie Menschen damals lebten, ihre Arbeitsteilung organisiert und ihr Sozialgefüge beschaffen war.

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