Von wegen gefühllos: Seeanemonen haben so etwas wie Herzmuskeln

Spätestens, seit der liebenswerte Fisch Nemo über Kinoleinwände und Bildschirme schwamm, sind auch die wundersam wirkenden Seeanemonen - Nemos Rückzugsort - bekannt. Nicht umsonst heißt Nemos Gattung schließlich "Anemonenfische" - und zwar, weil sie von Natur aus in Symbiose mit Seeanemonen leben. Die Tiere sind aber auch für Forscher interessant. Wiener Wissenschafter fanden jetzt sogar einen gemeinsamen Ursprung von Seeanemonen und Menschen.
Die Herzmuskeln von Menschen haben wohl mit Körperwandmuskeln von Seeanemonen einen gemeinsamen Ursprung in der Entwicklungsgeschichte der Tiere, berichtet der Wiener Biologe Ullrich Technau. Die "Blumentiere" besitzen zudem vier verschiedene Muskelzelltypen, die entstanden sind, indem Gene verdoppelt wurden und die Zwillinge sich in andere Richtungen entwickelten. Die Studie ist im Fachjournal "Nature Communications" erschienen.
Ein Team um Ulrich Technau und Alison Cole vom Department für Neurowissenschaften und Entwicklungsbiologie der Universität Wien untersuchte, welche Gene in den Muskelzellen von "Nematostella vectensis"-Seeanemonen aktiv sind. Obwohl alle ihre Muskeln anatomisch sehr ähnlich aussehen, gibt es "Muskelzell-Subtypen" mit unterschiedlichen Genaktivitäten, so die Forscher. Davon können sich zwei schnell zusammenziehen (kontrahieren), zwei sind langsam kontrahierend. "Dies ist ähnlich wie bei Menschen, wo es auch schnelle und langsame Muskeln gibt", schreiben sie in einer Aussendung der Uni Wien am Mittwoch.
Die schnellen und langsamen Muskeln der Anemonen unterscheiden sich durch mehrere strukturverleihende Eiweißstoffe (Strukturproteine), die einst durch "Genduplikationen und nachfolgende Diversifizierungen entstanden", erklärten die Forscher: "Diese sind wohl für die unterschiedlichen Eigenschaften verantwortlich."
"Bei den langsamen Muskeln sind Regulator-Gene aktiv, die bei Menschen und Fliegen bei der Entwicklung von Herzmuskelzellen eine Rolle spielen", so Cole: "Dies weist auf einen gemeinsamen evolutionären Ursprung von Herzmuskelzellen sowie den langsamen Muskeln der Seeanemonen hin." Die schnellen Muskeln der Seeanemonen würde hingegen von "Schwestergenen" reguliert, die man nur bei diesen Blumentieren findet. Sie sind dafür verantwortlich, dass einerseits die Tentakel beim Fressen zurückgezogen werden, andererseits der gesamte Kopf und Schlund bei Gefahr in das Innere der Tiere wandert, erklärte Technau der APA.
Von den beiden langsamen Muskeln ist einer für das kreisrunde Zusammenziehen der Körperwand (Peristaltik) zuständig. "Sie üben die gleiche Funktion aus, wie unsere Darmmuskulatur, also die Nahrung kontinuierlich und langsam nach unten zu befördern", so Technau: "Die andere langsame Muskulatur, die den menschlichen Herzmuskeln besonders ähnlich ist, befindet sich in der inneren Körperwand und wird zum seitlichen Biegen des Körpers benutzt."
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