Immunologe ist skeptisch, dass es Covid-Immunität nach Erkältung gibt

Immunologe ist skeptisch, dass es Covid-Immunität nach Erkältung gibt
Möglich, sagt der deutsche Virologe Christian Drosten. Der Wiener Immunologe Hannes Stockinger widerspricht.

Vor gut einer Woche versetzte der deutsche Virologen-Star Christian Drosten die Kollegenschaft und die interessierte Öffentlichkeit in Aufruhr: In seinem NDR-Podcast berichtete er über die vorläufigen Ergebnisse einer Studie, die er und die Charité Berlin durchgeführt hatten. Vereinfacht ausgedrückt meinte Drosten: Wer sich schon mal mit einem der älteren Corona-Erkältungsviren infiziert hat, könnte besser gegen eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus gerüstet sein.

Schutz durch vorherige Infekte

Hintergrundimmunität wird das in der Forschung genannt – ein durch vorherige Infektionen aufgebauter Schutzmechanismus des Immunsystems. Das könnte die Ursache dafür sein, warum manche Covid-19-Infektionen so milde verlaufen. Und warum sich einige Menschen einfach nicht mit dem neuen Coronavirus anstecken, obwohl andere Personen im Haushalt infiziert sind.

Um mehr darüber zu erfahren, hat die Immunologie der Charité Berlin also eine Studie zu einem Typus von Immunzellen, den T-Helferzellen, durchgeführt. Die Ergebnisse sind im Pre-Print-Stadium, das heißt, dass sie weder vom Fachkollegen überprüft, noch von einem Wissenschaftsmagazin veröffentlich wurden. Also mit Vorsicht zu genießen sind.

T-Helferzellen sind weiße Blutkörperchen und spielen bei der Krankheitsbekämpfung eine wichtige Rolle, können sie doch erkennen, ob krankmachende Stoffe im Körper sind. In diesem Fall aktivieren sie weitere Teile des Immunsystems, um Krankheitserreger zu bekämpfen.

Kranke und Gesunde getestet

In der Charité-Studie wurde nun sowohl das Blut von Covid-19-Patienten als auch von gesunden Menschen untersucht. Ergebnis: Bei 83 Prozent der Covid-19-Patienten wurden T-Helferzellen gefunden, die auf Viren-Proteine reagierten. Wenig überraschend, zeigt es doch nur, dass das Immunsystem auf die Vireninfektion reagiert hat.

Überrascht zeigt sich Drosten aber, dass auch bei Menschen, die niemals in Kontakt mit Sars-Cov-2 gekommen waren, 34 Prozent T-Helferzellen besaßen. Und mutmaßt: Das könne an durchgemachten Infektionen mit herkömmlichen Erkältungscoronaviren liegen.

Zufall

Hannes Stockinger, Immunologe an der Meduni Wien dagegen überrascht das gar nicht: „Jeder Mensch produziert T-Zellen – in einem Zufallsprozess. Wenn ich sie als Immunologe genau analysiere, werde ich in vielen Personen Helferzellen mit einem Rezeptor gegen das Coronavirus identifizieren.“ Junge Menschen produzieren täglich ca. eine Milliarde dieser Helferzellen. Wenn man alt ist, stoppt die Neubildung, weiß Stockinger. „Das bedeutet, dass ein junger Mensch eine viel größer Chance hat, eine Schutzstruktur im Körper zu haben.“

Naive T-Zellen und Gedächtniszellen

Was in der Charité-Studie leider nicht untersucht wurde: Ob es sich um sogenannte naive T-Zellen handelt, die einfach aufgrund des Zufallsprinzips da sind (wird auch vorausschauendes Immunsystem genannt). Oder, ob die Zellen tatsächlich bereits mit dem Virus in Kontakt waren (so genannte Gedächtniszellen).

Stockinger erklärt: „Wenn wir mit einem Krankheitserreger Kontakt haben, beginnt das System zu laufen, adaptiert sich an das Virus und macht diese sogenannte Gedächtniszellen. Und die sind dafür verantwortlich, dass der Körper Antikörper produziert und beim nächsten Virusangriff geschützt ist.“

Zu früh für Grundimmunität

Das Fazit des Wiener Immunologen, der gerade dabei ist ein derartiges Testsystem für Gedächtniszellen und naive Zellen aufzubauen: „Es wäre verfrüht aufgrund dieser Studie auf eine Grundimmunität zu schließen.“ So viele Parameter seien zu berücksichtigen – angeborene Abwehrmechanismen, die Ernährung, etc.: „Menschen sind verschieden, und wenn ein Krankheitserreger daher kommt, reagiert jeder Körper anders.“ Vielfach bestimmt auch die individuelle Genetik, ob Krankheitserreger vom Körper besser oder schlechter verdaut werden.

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