Salzburger Dissertation über „National Geographic“: weniger Text, mehr Bilder

Unverkennbar als Markenzeichen ist seit der populärwissenschaftlichen Neuausrichtung des „National Geographic“ um 1900 der ikonische gelbe Rahmen am Cover des Magazins, das insbesondere für seine reich illustrierten Reportagen aus aller Welt bekannt ist. Das umfangreichste und traditionsreichste journalistische Genre im Magazin ist der Feature-Artikel, eine Mischung aus Reportage und Dokumentation.
Auch wenn vieles beim „National Geographic“ gleichgeblieben ist, die journalistische Darstellungsform der Feature-Artikel hat sich im Laufe der Jahre merklich verändert, stellt die Anglistin Jana Pflaeging in ihrer Dissertation fest. „Es war eines der zentralen Ziele meiner Arbeit, zu beschreiben, wie Redakteure, damals wie heute, Sprache und auch Typografie, Fotografien und Layout bewusst einsetzen, um ihren Wissenschaftsjournalismus für ein immer größeres, heterogeneres Publikum attraktiv zu halten.“
Fokus auf die grafische Gestaltung
Um die Entwicklung des Feature-Artikels zu analysieren, hat Jana Pflaeging 45 zufällig ausgewählte Feature-Artikel aus den Jahren 1915, 1965 und 2015 untersucht. Der Datensatz umfasste knapp 1.300 Seiten, 280.000 Wörter und 1.200 Grafiken. Sie wurden mit Ansätzen der sogenannten multimodalen Diskurslinguistik untersucht. Das ist eine Forschungsrichtung, die sprachliche wie auch nichtsprachliche kommunikative Mittel der Typografie, des Bildes oder des Layouts in den Blick nimmt und vor allem auch in ihrer Korrespondenz betrachtet. „Es fällt auf, dass das National Geographic sich nie auf Fließtext beschränkt hat, selbst die frühesten Feature-Artikel enthalten Fotografien und Karten, die auf Doppelseiten arrangiert sind.“
Über die Jahre verschiebt sich jedoch der Fokus immer stärker vom Text zum Bild, stellt Jana Pflaeging fest. „Die Feature-Artikel werden mit der Zeit immer kürzer und variieren weniger in ihrem Umfang, was auf eine Standardisierung und Professionalisierung der journalistischen Praxis hindeuten kann. Das Repertoire an Layout-Elementen wird mit der Zeit immer breiter und der Raum, der Bildern eingeräumt wird, nimmt zu, wobei Bild-Bildunterschrifts-Kombinationen an immer prominenteren Positionen erscheinen und sogar ohne den Fließtext narrative Bezüge zueinander aufweisen.“ Diese Modularisierung und Visualisierung sollen dem blätternden Leser mehr Einstiegspunkte bieten, folgert die Wissenschaftlerin.
Menschenzentrierte Fotografie
Als einen Entwicklungstrend beobachtet sie auch die authentische menschenzentrierte Fotografie, die ab den 1960er-Jahren einen Aufstieg erlebt. „Bildunterschriften zeigen im Laufe der Zeit eine Verschiebung von der generischen Klassifizierung hin zur namentlichen Benennung abgebildeter Menschen und eine umfassendere Auseinandersetzung mit dem Gezeigten. Diese Entwicklung kann als Personalisierung des Wissenschaftsjournalismus gewertet werden“, sagt Pflaeging.
Die Autorin sieht ihre Arbeit als Beitrag zu Theorie, Methodik und empirischen Erkenntnissen in der multimodalen Diskurslinguistik und Wissenschaftskommunikationsforschung, der es weiterhin an fundierten Korpusstudien fehle. „Zudem bietet meine Studie einen reichen Überblick über die Geschichte des „National Geographic“-Feature-Artikels und die verschiedenen medialen, journalistischen und gesellschaftlichen Faktoren, die seine Entwicklung im 20. und 21. Jahrhundert beeinflusst haben.“
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