Warum Kristalle faszinieren und wo sie im Alltag zu finden sind

Vitrinen am Wiener Burgring 7 wurden neu gestaltet.
Das Naturhistorische Museum Wien macht das Periodensystem erlebbar und verweist auf Rohstoffe der Zukunft. Eine neue Dauerausstellung.

Die Welt der Kristalle ist durch strenge Ordnung geprägt. Die innere Symmetrie zeigt sich bei vielen Mineralen in der äußeren Form: bei Calcit mit glasglänzenden Oberflächen ebenso wie im porösen Vulkangestein Zeolith, in Edelsteinen, darunter Beryll und Korund, sowie in Kandiszucker und Speisesalz. Neuerdings sind die regelmäßigen Formen auch im Naturhistorischen Museum Wien NHM zu sehen. Nach aufwendiger Renovierung und Umgestaltung mehrerer Vitrinen präsentiert sich die Vielfalt der homogenen Körper nun in einer neuen Dauerausstellung.

„Es gibt keinen Bereich in unserem Alltag, in dem Kristalle nicht vorkommen“, sagt Vera Hammer, die die Schaukästen, Erklärstücke und Experimente am Burgring kuratiert hat. Die wechselvolle Geschichte der Erde formte im Laufe der Zeit fast alle chemischen Elemente zu Mineralen. Der technische Fortschritt ermöglichte die Herstellung künstlicher Pendants – auch von Kristallen, die es in der Natur gar nicht gibt.

Warum Kristalle faszinieren und wo sie im Alltag zu finden sind

Von der Schweiz nach Wien: Riesiger Bergkristall.

Kristalle sind aus dem Alltag nicht wegzudenken

Heute versüßen Kristalle das Frühstück, glitzern wie Glimmer im Lidschatten, bringen als Grafit im Stift Buchstaben zu Papier, binden Ausscheidungen im Katzenkisterl wie in der Babywindel, kommen als Halbleiter in Elektro-Autos zum Einsatz, machen Wäsche sauber und würzen das Abendessen. Smartphones bestehen zu 85 bis 90 Prozent aus Kristallen.

„Bei uns im Naturhistorischen Museum sind die Minerale nach ihrer chemischen Zusammensetzung angeordnet, beginnend mit den Elementen in Saal 1 bis zu den Silikaten in Saal 4“, sagt Hammer. Dabei konnte die Leiterin der Mineraliensammlung aus dem Vollen schöpfen. Der Fundus des Hauses zählt zu den bedeutendsten der Welt.

Warum Kristalle faszinieren und wo sie im Alltag zu finden sind

Von den USA ins Wiener Museum: Malachit.

Sammlung hat Geschichte

Franz I. Stephan von Lothringen legte im 18. Jahrhundert den Grundstein für die Sammlung; Objekte aus der ganzen Welt kamen laufend dazu. Seit dem Einsatz von Röntgengeräten lassen sich Minerale auch einwandfrei bestimmen; die Wechselwirkung zwischen energiereicher Strahlung und dem Kristall macht den atomaren Aufbau untersuchbar. In Modellen – ebenfalls im NHM ausgestellt – stehen Kugeln für Atome und Stäbe für die Bindung zwischen diesen. So wurde etwa die Kristallstruktur der DNA, Trägerin der Erbinformation, visualisiert. Auch in Knochen und Zähnen ist sie enthalten.

Interesse ist groß, Basiswissen fehlt

„Ich habe bei laufendem Betrieb umgestaltet. Die Besucher kleben an den Vitrinen“, sagt die Expertin und bedauert daher umso mehr, dass die Kristallkunde aus dem Schulunterricht verschwunden ist. Wird in Kindertagen keine Neugierde für die gleichbleibenden Struktureinheiten geweckt, fehlt das Basiswissen, gibt es keine Innovationen für Wirtschaft und Forschung. Hammer appelliert an die Verantwortlichen im Bildungssystem: „Die Natur ist nicht nur belebt. Mineralogie sollte wieder in den Lehrplan aufgenommen werden.“

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