Tragische Helden oder wertvolle Botschafter: Was tierische Filmstars bewirken

Ein orangefarbener Clownfisch zwischen den Tentakeln einer Anemone.
„Findet Nemo“ feiert 20. Geburtstag. Nicht nur beim Clownfisch haben Filme reale Folgen. Der Hollywood-Effekt kann auch positiv sein.

Vor genau zwanzig Jahren, am 30. Mai 2003,  tauchte der putzige Clownfisch mit Glücksflosse auf den Leinwänden in Übersee auf. Der rührige Animationsfilm „Findet Nemo“ machte die Anemonenbewohner schlagartig berühmt – und zu beliebten Haustieren. Zum Kinostart in Europa ein halbes Jahr später warnten Umweltschützer bereits vor Nachahmungstaten. Denn während der orange-weiße Held aus den Pixar-Studios durch den Abfluss in die Freiheit flutscht, starben zahlreiche Zierfische gleicher Art, weil Kinder sie via Klo retten wollten.

Der Hype um Amphiprion percula – so der wissenschaftliche Name – dauert bis heute an; mit negativen Folgen auch für die wilden Verwandten. Der „Hollywood-Effekt“ ist durchaus bekannt.

Negativ

„Seit Nemo wollen Leute auf der ganzen Welt unbedingt Clownfische für ihre Aquarien haben“, sagt Tatee Sutadra, die in Thailand für ein Clownfisch-Projekt arbeitet, anlässlich des runden Film-Jubiläums. Die Biologin kritisiert, dass die wenigsten Halter wüssten, was die empfindlichen Salzwasserfische daheim brauchen. Und – noch bedrohlicher – dass die farbprächtigen Barsche seit „Findet Nemo“ und der Fortsetzung „Findet Dorie“ in den Ozeanen massiv gejagt werden, um später in Glasbecken zu schwimmen. Nach Angaben der Hilfsorganisation Saving Nemo wird jährlich mehr als eine Million dieser Riffbewohner aus den Meeren gefischt; die Bestandszahlen sanken dramatisch.

Dabei könnten Clownfische problemlos in Gefangenschaft gezüchtet werden, heißt es von Seiten der australischen Schutzorganisation. In Österreich kostet eine günstige Nachzucht zirka 20 Euro, teure Exemplare sind für knapp 100 Euro zu haben. Weltweit grundeln etwa 30 Arten.

Clownfische aus menschlicher Obhut gehen aber nicht nur an Aquaristen. Sie landen auch in den Ozeanen. So etwa wildert das thailändische Marine-Zentrum unter Aufsicht der Nationalparkbehörde ein bis zwei Mal im Jahr Nachzuchten in die Andamanensee aus. Mit Starthilfe: Die Jungtiere werden im Meer zunächst durch Netze geschützt. Erst wenn sie sich an die raue See und das Gift der symbiotischen Anemonen gewöhnt haben, werden sie gänzlich in die Freiheit entlassen. Die Nemos der Realität kämpfen sich langsam zurück.

Eine Schnee-Eule sitzt auf einem Holzpfosten.

Schnee-Eule: Das Interesse an den Wildtieren stieg mit Harry Potters Hedwig.

Andere tierische Filmstars verblassen mit der Zeit zu Sternchen. Ließ "Ein Schweinchen namens Babe" Mitte der 1990er-Jahre das Interesse an Minischweinen plötzlich wachsen, schreit heute kaum noch ein Hahn nach den süßen Nutztieren. Wollten nach "Harry Potter und der Stein der Weisen" 2001 viele eine Schnee-Eule zum Haustier, hält sich die Nachfrage nach realen Hedwigs heute in Grenzen. Verursachte der Streifen "101 Dalmatiner" 1996 zum zweiten Mal einen Hype, sind dieser Tage ganz andere Hunderassen in Mode.

Positive Wirkung

Nicht immer tragen Blockbuster zu Naturkatastrophen bei. Der „Hollywood-Effekt“ kann auch positiv wirken. „Wenn wir uns mit dem Einfluss der Filmindustrie auseinandersetzen und ihn verstehen, könnte das zum Erfolg des Artenschutzes beitragen“, hielten britische Wissenschafter schon Ende der 2020er-Jahre fest. Sie analysierten die Auswirkung verschiedener Filme und kamen zu dem Schluss, dass „Hollywood ein starkes Potenzial hat, Aufmerksamkeit für Themen wie Artenerhalt und Umweltschutz zu generieren“. Idealerweise arbeiten Naturschützer und Filmemacher von Anfang an zusammen; am besten begleitet durch entsprechende Kampagnen.

Vorzeigebeispiele

Als Vorzeigebeispiele nannten die Forscher die Rehkitz-Geschichte „Bambi“ aus 1942, die die öffentliche Meinung über die Jagd nachhaltig beeinflusste; die Pinguinstory „Happy Feet“ aus 2006, weil sie die Überfischung der Meere und die Umweltverschmutzung durch Plastikmüll breit tritt; den Kassenschlager „Avatar“, der gleich mehrere Umweltthemen, wie den Umgang mit Ressourcen, Verlust von Lebensraum und das Funktionieren von Ökosystemen streift. Oder auch die Neuauflage von „Das Dschungelbuch“ aus 2016 – sie inspirierte die Autoren übrigens zu ihrer Studie. „Du warst noch nie eine stärker vom Aussterben bedrohte Spezies, als in diesem Moment“, sagt da Baloo der Bär in einer Szene zum Schuppentier. Die sympathische Figur wurde eigens zur Bewusstseinsbildung erfunden. Dem Pangolin sollte ein Schicksal wie Nemo erspart bleiben.

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