Ein Drittel der Österreicher vertraut der Wissenschaft kaum

Ein Drittel der Österreicher vertraut der Wissenschaft kaum
Eine Umfrage zeigt erstmals, was die heimischen Bürger über die Forschung denken. So verlassen sich 37 Prozent lieber auf den "gesunden Menschenverstand".

Ein vielschichtiges Bild zu Sichtweisen auf und Einstellungen zur Wissenschaft zeichnet das erste „Wissenschaftsbarometer“ der Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Zwar haben 30 Prozent der Befragten wenig Vertrauen in den Bereich, fast 60 Prozent bekunden jedoch Interesse an der Materie. Den „gesunden Menschenverstand“ ziehen aber immerhin 37 Prozent der Studienteilnehmer wissenschaftlichen Erkenntnissen vor. Gut medial informiert sehen sich wiederum ebenfalls nur 37 Prozent.

Neben der spürbaren Skepsis, die Vertretern der Wissenschaft und Forschung im Lauf der Covid-19-Pandemie oder beim Thema Klimawandel entgegenschlägt, war das in der jüngsten Eurobarometer-Umfrage sichtbar gewordene, vergleichsweise geringe Interesse an der Wissenschaft die Initialzündung für die vom Gallup Institut im Auftrag der ÖAW durchgeführte Studie. Österreich bildete in der europaweiten Eurobarometer-Untersuchung aus dem Vorjahr fast das Schlusslicht - nur Kroatien kommt auf einen noch niedrigeren Wert. Ähnlich niedrig waren 2021 die Vertrauenswerte auch in Deutschland.

Vergleich

Im am Mittwoch in Wien präsentierten „Wissenschaftsbarometer“, in dessen Rahmen 1.500 Österreicher und Österreicherinnen im November online und telefonisch befragt wurden, gaben nun 30 Prozent der Befragten an, großes Vertrauen in die Wissenschaft zu haben. „Eher“ stark ist das Vertrauen bei weiteren 40 Prozent. In Deutschland und der Schweiz gaben im Rahmen der dort kürzlich veröffentlichten „Wissenschaftsbarometer“ 23 bzw. 11 Prozent auf die gleiche Frage an, großes Vertrauen zu haben. Outen sich in Österreich 30 Prozent als wenig vertrauensvoll gegenüber der Wissenschaft, fallen in Deutschland insgesamt 37 und in der Schweiz 42 Prozent in diese skeptischere Gruppe.

Die Österreich-Ergebnisse zeigen für ÖAW-Präsident Heinz Faßmann, dass man mit einem größeren Anteil an skeptisch eingestellten Menschen im deutschsprachigen Raum nicht alleine dasteht. Große Freude kommt angesichts der Daten bei dem Forscher und Ex-Bildungsminister aber keineswegs auf. Man müsse dafür „kämpfen“, dass wissenschaftliche Erkenntnisse für voll genommen werden, eine automatische Zustimmung gebe es nicht.

Er könne in der Umfrage allerdings „keine Zweiteilung der Bevölkerung“ erkennen. Es gebe zwar leichte Alterseffekte - Jüngere und Ältere sind tendenziell positiver eingestellt - und etwas weniger Skepsis in den Städten. Bei Blick auf die Detailergebnisse zeigt sich aber, dass das Vertrauen bei Personen aus bildungsferneren Bevölkerungsgruppen und mit niedriger werdendem Einkommen merklich schwindet.

Während 42 Prozent der Personen mit Matura „großes Vertrauen“ bekunden, tut das in der Gruppe „Ohne Matura“ nur ein Viertel. Bei Menschen mit einem Nettoeinkommen unter 1.500 Euro monatlich ist die Gruppe der wenig Vertrauensvollen mit 46 Prozent am größten.

Zu viel Einfluß

Der Lebenserfahrung „einfacher Menschen“ mehr zu vertrauen als Wissenschafter-Einschätzungen stößt bei einem Drittel der Befragten „voll und ganz“ auf Zustimmung. Dass Wissenschafter, Politik und Wirtschaft unter einer Decke stecken, meint auch ein erklecklicher Anteil der Studienteilnehmer (34 Prozent). Dass in der Wissenschaft „viel getrickst“ und „manipuliert“ wird, glaubt ein Fünftel, während 19 Prozent Forscher und Forscherinnen als gut ausgebildete Experten und Expertinnen sehen, denen man „absolut Glauben schenken“ kann. Insgesamt werde von rund einem Drittel der Befragten die Wissenschaft als Teil einer „Elite“ gesehen, die abgelehnt wird, erklärte Andrea Fronaschütz, Geschäftsführerin von Gallup Österreich.

Das Interesse am Thema „Wissenschaft und Forschung“ ist der Umfrage zufolge in der Bevölkerung durchaus hoch: Auf der fünfteiligen Skala entschieden sich immerhin 59 Prozent für die beiden Kategorien, die für das ausgeprägteste Interesse stehen. Große Zustimmung gab es auch bei der Aussage, dass es wichtig ist, über das Thema informiert zu sein: 30 Prozent stimmten hier „voll und ganz zu“. Allerdings sehen sich lediglich acht Prozent der Befragten auch tatsächlich dementsprechend ins Bild gesetzt. Gut informiert fühlen sich 29 Prozent. Mit der medialen Berichterstattung über das Thema „sehr zufrieden“ zeigen sich laut der Umfrage ebenfalls nur acht Prozent, „zufrieden“ ist immerhin knapp ein Drittel.

Mehr Info bitte

Die Bevölkerung wünsche sich „mehr Informationen über wissenschaftliche Themen“, die Ergebnisse würden auf eine „Bringschuld“ der Wissenschaftsgemeinde und der Medien hinweisen, sagte Fronaschütz. Für Faßmann ist es angesichts der Diskrepanz zwischen Interesse und wahrgenommenen Angebot „unverständlich“, dass in den Vorlagen zum neuen Medienförderungsgesetz das Vorhandensein von Wissenschaftsjournalisten in Redaktionen im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen, wie Sport oder Kultur kein Förderkriterium ist. Er verstehe nicht, warum beispielsweise ein „Operettenabend“ mehr Sendezeit als die Entwicklung von Mini-Organen zur Erforschung von weit verbreiteten Krankheiten bekommen sollte. Dies sei jedenfalls „keine Minderheitenmeinung“, so Faßmann.

Die Ergebnisse des künftig jährlich erhobenen „Wissenschaftsbarometers“ werde man bereits am Beginn des kommenden Jahres breiter im Kreise vieler Forschungsinstitutionen diskutieren. Initiativen, um auch zu erklären, wie sich wissenschaftliche Erkenntnisfindung vom „Hausverstand“ unterscheidet, brauche es vor allem im Bereich der Kinder und Jugendlichen vor dem Ende der Pflichtschule, sagte der ÖAW-Präsident.

Kommentare