Das Geheimnis der Flaschenpost aus dem ewigen Eis

Das Geheimnis der Flaschenpost aus dem ewigen Eis
Wie ein lange verschollener Brief zum Highlight einer Ausstellung zu 150 Jahre Payer-Weyprecht-Expedition wurde.

Zwei Jahre waren die 24 Mann im ewigen Eis Richtung Norden getriftet. Als das Schiff 1874 noch immer festsaß, der Proviant zu Ende ging, die Leute begannen, krank zu werden, ein Mann an Tuberkulose starb, da beschloss man, sich zu Fuß Richtung Russland aufzumachen. Die Situation der Payer-Weyprecht-Expedition war dramatisch. „In dieser Verzweiflung hat Expeditionsleiter Carl Weyprecht eine Flaschenpost aufgesetzt“, erzählt Sibylle Wentker von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW). Diese mehr als 100 Jahre verschollene Flaschenpost ist das Prunkstück der Ausstellung „Land, Land, endlich Land!“ – 150 Jahre Franz-Josef-Land, die ab heute in Wien und online zu sehen ist.

Das Geheimnis der Flaschenpost aus dem ewigen Eis

Die Ausstellung in der ÖAW

Rückblick

Wir schreiben den 13. Juni 1872, als die „Admiral Tegetthoff“ Bremerhaven verlässt, um das ewige Eis zu erforschen. Es ist die Zeit, da die Arktis modern wurde: Einige Expeditionen waren schon aufgebrochen, um Erkenntnisse über das Nordpolarmeer zu sammeln. Die erste österreichische wird von Carl Weyprecht und Julius Payer geleitet und hat das Ziel, eine eisfreie Nordpassage, einen Weg um den asiatischen Kontinent herum, zu finden, den es aber nicht gibt, wie sich bald herausstellen sollte.

Schon im August 1872 ist das Schiff im Eis eingeschlossen und das sollte so bleiben. Die 24 Mann triften hilflos Richtung Norden. Erst ein Jahr später ertönte der erleichterte Ruf: „Land, endlich Land!“

Koloniale Hintergedanken

Die Österreicher nennen die am 23. August 1873 entdeckte Inselgruppe zu Ehren des damaligen Kaisers „Franz-Josef-Land“. In der Folge erkunden die Expeditionsteilnehmer das Gebiet auf drei Schlittenreisen, legen dabei etwa 840 Kilometer zurück, erreichen den nördlichsten Landpunkt Eurasiens, nennen Berge „Kap Tirol“ und Eilande „Wiener-Neustadt- oder Hohenlohe-Insel“. Ja, die Expedition hatte wissenschaftliche Zwecke, sagt Wentker. „Aber, wenn ich etwas nach berühmten Österreichern benenne, nehme ich es auch in Besitz.“ Ein Schelm, der koloniale Hintergedanken vermutet.

Bald hatte man im ewigen Eis ohnedies andere Sorgen. „Im Sommer 1873 alles versucht, das Schiff in das Wasser zu bringen; alle Anstrengungen vergeblich gewesen“, notierte Weyprecht auf einem Zettel. Am 20. Mai 1874 beschlossen sie, die „Admiral Tegetthoff“ zu verlassen und sich ins russische Nowaja Semlja durchzuschlagen. Groß war die Hoffnung nicht: „Maschinist Krisch an Tuberkulose gestorben; haben Ende April 3 Kranke. Weyprecht Kindly to be forwarded to the Austrian Admiralty or to the nearest Austrian consulate“, stand auf dem Zettel zu lesen. Weyprecht hatte ihn in ein ausgehöhltes Stück Holz gestopft, dieses in eine mit Blei versiegelte Medikamentenflasche gesteckt und in einer Steinpyramide deponiert – ein kostbarer letzter Gruß, verbunden mit der Hoffnung, dass ihn irgendwann jemand findet und in die Heimat bringt.

Das Geheimnis der Flaschenpost aus dem ewigen Eis

Die verschollene Flaschenpost: "... alle Anstrengungen vergeblich gewesen"

Rettung

Die Männer selbst brachen mit Schlitten und Booten auf und trafen nach ungeheuren Strapazen – und wider Erwarten – Mitte August auf russische Fischer, die sie nach Norwegen brachten. Am 25. September 1874 zogen sie im Triumph durch Wien.

Fest steht, dass die Expedition der Polarforschung Auftrieb gab: Auf Anregung Payers wurde acht Jahre später das erste „Internationale Polarjahr“ abgehalten, zwölf internationale Forschungsstationen wurden über die Arktis verteilt eingerichtet. Ein frühes Beispiel internationaler Forschungskooperation. Eine Station wurde von Österreich betrieben.

Die Flaschenpost sollte übrigens erst 104 Jahre später gefunden werden: 1978 entdeckte sie eine sowjetische Forschungsexpedition auf der Insel Lamont. Zwei Jahre später kam der Zettel plus Steingutscherben über diplomatische Wege nach Wien, wo er seither an der ÖAW aufbewahrt wird. Und jetzt erstmals zu sehen ist.

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