Der Wissenschafter vom Österreichischen Archäologischen Instituts (ÖAI) der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) leitet die Grabung in Israel, bei der das Missing Link der Alphabet-Forschung, wie es die Forscher nennen, 2018 zum Vorschein kam. Der bedeutende Fundort liegt etwa 40 Kilometer südwestlich von Jerusalem und wird seit 2017 von den Österreichern erforscht.
„Dank präziser C14-Daten konnte die Scherbe auf 1450 v. Chr. datiert werden.“ Über die Altersbestimmung „fährt die Eisenbahn drüber“, wie Höflmayer sagt, denn das war das eigentliche Ziel des Projekts: Herausfinden, wann genau die Auseinandersetzungen zwischen Ägyptern und Hyksos stattfanden. „Mit naturwissenschaftlichen Methoden, C14“, betont der Archäologe und erzählt: „Um 1550 v. Chr., das weiß man, gibt es weitreichende Zerstörungshorizonte in der Südlevante, im heutigen Israel/Palästina. Diese Zerstörungshorizonte wurden immer den Ägyptern zugeschrieben. Denn ein paar Jahrhunderte zuvor sind die Hyksos, eine westasiatische Herrscherdynastie, in Nordägypten eingefallen.“
Spur der Zerstörung
Später vertrieben die Ägypter die Fremdherrscher, verfolgten sie bis in die Levante und hinterließen eine Spur der Zerstörung. Höflmayer: „Zumindest folgerten das Archäologen bisher. Jetzt wird das ganze historische Narrativ auf den Kopf gestellt. Die Zerstörungshorizonte könnten nämlich älter als die Vertreibung der Hyksos aus Ägypten sein.“ Die aus dem Jahr 1450 v. Chr. stammende Scherbe zeige, „dass die Verbreitung des Alphabets jedenfalls deutlich früher anzusetzen ist. Und, dass die Ausbreitung des Alphabets aus dem Kontext der ägyptischen Vorherrschaft gelöst werden muss. Denn: Diese hat sich erst später entwickelt.“
So oder so stellte das Alphabet eine Revolution innerhalb der Entwicklung der Schrift dar: Mit seiner Entstehung erwuchs ein System, das – anders als die ägyptischen Hieroglyphen – mit vergleichsweise wenigen Zeichen die Fülle eines sprachlichen Wortschatzes wiedergeben konnte. Bisher fehlten allerdings Belege für die Zeit seiner Entstehung und Verbreitung. Der österreichische Fund ändert das.
Wobei die genaue Bedeutung der Inschrift unbekannt ist. Das erste Zeichen könnte Sklave oder Diener bedeuten, das zweite Honig oder Nektar. Sicher könne man aber nicht sein, sagt Höflmayer: „Das Problem mit allen frühalphabetischen Inschriften ist, dass meist nur sehr wenige Zeichen erhalten sind. Nur manchmal kann man einzelne Worte rekonstruieren.“
Kommentare