Mitgestaltung für alle: Gemeinsam Großes bewirken

Das Wort Demokratie ist aktuell in aller Munde. Es wird diskutiert, wie man diese schützen und zu mehr Resilienz verhelfen kann. Eine lebendige Demokratie wird aber auch von aktiven Bürger*innen getragen, in der die Menschen auf allen Ebenen politische Entscheidungsprozesse mitgestalten. Eine Möglichkeit dazu sind sogenannte partizipative Budgets. Was das bedeutet und wie diese fair gestaltet werden können, diskutiert Moderator Markus Hengstschläger mit seinen Gästen im Wissenschaftstalk „Spontan gefragt“.

Der Assistant Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien hat sich auf die Erforschung von Algorithmen vor allem im Zusammenhang mit partizipativer
Demokratie spezialisiert. So will er Polarisierung reduzieren und Minderheiten mehr Gehör verschaffen, insbesondere durch bessere Entscheidungsmechanismen auf digitalen Plattformen und bei Bürgerbeteiligungsprozessen. Nach seinem Studium am Institut für Logic and Computation an der TU Wien wechselte Jan Maly zunächst zur Universität Amsterdam, wo er am Institute for Logic, Language and Computation tätig war. 2024 kehrte er nach Wien zurück: Seither ist Maly an der WU sowie TU Wien tätig. Er ist zudem Mitbegründer des European Network for Digital Democracy.
Mitgestalten
Was die Idee hinter partizipativen Budgets ist, will Markus Hengstschläger zunächst von Jan Maly wissen. „Erfunden wurden sie in den 1980er-Jahren von der Arbeiterpartei in Brasilien und mittlerweile führen mehr als 1.500 Städte partizipative Budgets durch“, antwortet der Informatikwissenschafter. „Dabei gibt die Politik anfangs einen groben Rahmen vor, stellt einen gewissen Geldbetrag zur Verfügung und die Bevölkerung stimmt über die Umsetzung ab, die dann wiederum für die Politik bindend ist.“
Ob er dafür ein Beispiel nennen könne, will Nina Hoppe sofort wissen. In Wien gebe es die sogenannte Kinder- und Jugendmillion, antwortet Jan Maly. „Dabei können Kinder und Jugendliche, bzw. Schulklassen Projekte einreichen, die sie gerne umgesetzt sehen würden“, so der Wissenschafter. „Die Beliebtesten werden dann realisiert.“ Was das genau bedeutet, hakt die PR-Spezialistin nach: „Wird über diese Projekte abgestimmt?“ Jan Maly bejaht. „Genau da setzt meine Forschung an, weil es nicht immer die optimale Vorgangsweise ist“, führt er aus. Inwiefern das so ist, fragt Markus Hengstschläger sogleich nach. Weil Minderheiten dadurch nicht immer repräsentiert seien, entgegnet der Wissenschafter und nennt auch ein Beispiel: „Geht es um ein Verkehrsprojekt, bei dem 60 Prozent der Abstimmenden Autofahrer sind und nur 40 Prozent Radfahrer, wird ein üblicher
Algorithmus zugunsten der Autofahrer entscheiden“, erklärt er. „Wenn Minderheiten aber nie berücksichtig werden, ist es nicht sehr demokratiefördernd.“
Gerechtigkeit schaffen
Die Idee der partizipativen Budgets begeistert Nina Hoppe. „Sie sind die ureigenste Form der Demokratie“, fasst sie zusammen. „Für viele bedeutet Demokratie, man geht wählen und dann soll die Politik alles richten.“ So würde den Bürger*innen aber ein Werkzeug in die Hand gegeben werden, aktiv mitzugestalten. Allerdings, so die PR-Spezialistin weiter, sehe sie da auch eine Gefahr: „Wie verhindert man, dass irgendwelche Interessensgruppen die Abstimmung in ihrem Sinne beeinflussen?“ Gutes Handwerk, kommt prompt als Antwort. „Partizipative Budgets müssen öffentlich bekannt gemacht werden, damit die Wahlbeteiligung möglichst hoch ist, dann können sie nicht von Interessensgruppen gekapert werden“, betont Maly. „Außerdem sind faire Wahlregeln, die durch kluge Algorithmen durchgeführt werden, wichtig, sonst nehmen die Bürger*innen irgendwann nicht mehr teil.“
Das bringt Nina Hoppe gleich zur nächsten Frage. „Muss sich für die Partizipation nicht auch das Bildungssystem ändern?“, will sie wissen. „Wenn so etwas auf dem Lehrplan steht, erhöht sich die Beteiligung ja auch.“ Das müsse nicht unbedingt sein, antwortet der Experte. „Partizipative Budgets finden meist auf Nachbarschaftsebene statt und sind üblicherweise sehr konkrete Projekte, man sieht also, was umgesetzt wurde“, so Maly. „Im Idealfall helfen sie, die demokratische Grundausbildung zu fördern und stärken das Vertrauen in die Stadtverwaltung.“

Schon als Jugendliche war sie von historischen Persönlichkeiten, die die Welt veränderten, fasziniert. Also studierte Nina Hoppe Geschichte – mit dem Ziel, in die Fußstapfen des bekannten ORF-Journalisten Hugo Portisch zu treten.
Erste berufliche Erfahrungen sammelt sie bei Medien: Sie arbeitete in der Wirtschaftsredaktion des Wochenmagazins News und durchlief ein
Trainee-Programm bei Radio Wien, bevor sie sich in Richtung Public Relation und Lobbying umorientierte. Nach zahlreichen Projekten gründete Nina Hoppe ihr eigenes Unternehmen „Hoppe – Strategia. Politica.Media“: Seit 2015 ist sie als strategische Kommunikationsberaterin selbstständig tätig.
Das Miteinander stärken
Ob partizipative Budgets zur Resilienz der Demokratie beitrügen, fragt Nina Hoppe: „Gerade jetzt, wo in vielen Ländern autokratische Tendenzen zu spüren sind, wäre das ein wichtiges Instrument.“ Auch hier kann Jan Maly positive Nachrichten verbreiten. „Eine aktuelle Studie hat gezeigt, dass partizipative Demokratie die Zustimmung zu populistischen Ideen verringern kann“, betont er. „Und sie fördert das Miteinander, etwas, das heute von großer Bedeutung ist.“

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